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Es ist Mittag. Mama weint wieder, aber dieses Mal sehr stark. Sie küsst uns Kinder. Die blonden Locken meiner kleinen Schwester werden nachgefahren. Mama sagt, wie sehr sie uns liebt. Ich spüre, dass Etwas nicht in Ordnung ist, aber die Situation ist so fremd. Mama ist fremd. Sie redet, als wäre sie nicht sie selbst. Auch nicht das Monster. Aus ihr redet ein verzweifelter Mensch, den ich so noch nie gesehen habe. Meine große Schwester weint auch sehr stark. Und ich weine auch.

Meine Welt wird kälter, als Mama die Haustüre schließt. Ich beobachte sie vom Wohnzimmer-Fenster, wie sie in Richtung des Feldes läuft. Ich liebe sie, auch wenn sie mir niemals wirklich Liebe gezeigt hat. Meine Schwester Elina sagt, dass wir etwas tun sollen, aber was können wir schon tun? Wir sind nur Kinder. Elina läuft auch aus der Wohnung zum Gebäude, das gegenüber des Balkons ist. Dort wohnt die Freundin meiner Mama. Warum sie so panisch auf das Gesagte meiner Schwester reagiert, verstehe ich auch nicht. Ich merke nur, wie die dunkle, graue Welt immer weiter an mir vorbei zieht. Die Freundin von Mama fährt uns zu Oma. Ich verstehe die Welt nicht.

Wo ist Mama?

LeidenswegWo Geschichten leben. Entdecke jetzt