12

6 0 0
                                    

(27. August)
(Überarbeitet: 15.10.2023)

Milo

Das Licht des Vollmondes verdunkelte sich. Träge hob Milo den Kopf und spähte zum Himmel. Er lag unter einem Ginsterbusch in der Nähe der Außengrenze zum FrostClan. Seit er bei dem FrostClan im Lager war, übernachtete er hier. Er trieb sich tagsüber immer in der Nähe der Grenze herum, aber nie so nah, dass eine Katze des FrostClans seinen Geruch riechen konnte.

Milo legte den Kopf wieder auf die Pfoten und schloss die Augen. Schon nach wenigen Herzschlägen öffnete er sie wieder. Heute Nacht würde er nicht schlafen können, das wusste er. Lange Zeit lag er einfach nur da, mit geschlossenen Augen. Seine Gedanke wanderten wie von selbst zu Tigerpfote. So klar, als würde sie vor ihm stehen, sah er sie vor seinem inneren Auge.
Plötzlich öffnete er die Augen und sprang auf.
Ich muss sie sehen! Ich will zu ihr!
Er wandte sich dem Territorium des FrostClans zu und zögerte einen Moment. Sollte er wirklich zu den Clans zurück gehen? Wie würde Tigerpfote reagieren? Würde der FrostClan ihn vertreiben?
Er schüttelte den Kopf und stapfe los. Die Heide strich um seine Beine und der Wind fuhr durch sein Fell. Für Mitte der Blattgrüne war es ganz schön kalt, deshalb plusterte er seinen getigerten Pelz auf und legte die Ohren leicht an. Er mochte den Wind nicht und schon gar nicht, wenn er sich auf einer freien Fläche befand, wo der Wind seinen Geruch überall hintragen konnte.
Nach einem kurzen Marsch erreichte er die Grenze. Er setzte sich unter einen Ginsterbusch und überlegte.
Soll ich auf eine Patrouille warte? Oder einfach zum Lager gehen?

Die Entscheidung wurde ihm abgenommen, als es im Wald raschelte. Überrascht schaute er auf. Der Wind trug ihm einen süßen Geruch zu.
Tigerpfote!
Sicherheitshalber blieb er noch einen Herzschlag sitzen und prüfte die Luft. Sie war alleine. Keine andere Katze, außer er, war auch nur ansatzweiße in ihrer Nähe.
„Tigerpfote", flüsterte Milo und schlich geduckt weiter auf die Grenze zu. Tigerpfote reagierte nicht und sah sich vorsichtig um, so als wollte sie nicht entdeckt werden. Ob sie sich heimlich aus dem Lager geschlichen hatte? Milo vermutete es.
„Tigerpfote! Hier bin ich!", flüsterte er wieder, dieses Mal lauter. Das Ohr der Schülerin zuckte und sie schaute in seine Richtung. Langsam erhob sie der Hofkater. Ihre Augen weiteten sich. Sie wirkte erschrocken und erleichtert zugleich.

„Milo!", rief sie schließlich. Ihre Stimme überschlug sich dabei beinahe. Mit ein paar großen Sprüngen war sie bei ihm und rieb ihre Wange an Milos. Wie erstarrt blieb die Kater stehen ohne sich zu bewegen. Die plötzliche Nähe der Kätzin verwirrte ihn. Sein Herz schlug schneller und ohne etwas dagegen tun zu können, atmete er ihren Duft ein.
„Schön dich zu sehen! Ich wollte dich gerade suchen gehen!", miaute die Kätzin auch schon los und trat einen winzigen Schritt zurück. Die Stelle wo zuvor ihr Atem seine Wange gestreift hatte und ihr Fell seines berührt hatte, war mit einem Schlag kalt und Milo wünschte sich, sie würde sich dicht zu ihm setzen.
„Ich habe Distelstern überredet, dass sie es den anderen Clans erzählt. Heute Nacht war die große Versammlung...sie hat es erzählt, aber sie wollten...", plapperte Tigerpfote los und schnaubte zwischendurch wütend.

„Warte mal! Noch mal vorne, bitte", unterbrach Milo sie. Er war nicht mitgekommen. Die Schülerin warf ihm einen Blick zu und verdrehte die Augen. Milo unterdrückte ein Schnurren, auch wenn die Lage ernst war und etwas Auflockerung gebrauchen konnte.
„Also, heute Nacht war die große Versammlung, bei der sich alle Clans auf der Felsplatte versammeln. Distelstern hat den Clans von dem vergifteten Fluss erzählt, aber die anderen Anführer glauben ihr nicht!", begann Tigerpfote noch einmal, dieses Mal sprach sie langsamer und deutlicher, so dass auch Milo mitkam. Tigerpfote erzählte noch davon, wie wütend ihre Mutter geworden war, als sie ohne die Erlaubnis eines Anführers gesprochen hatte und sich so vor allen blamiert hatte.
Mitfühlend sah Milo sie an. Es musste hart sein, wenn man die Tochter der Anführerin eines Clans war. Er konnte nicht einschätzend, ob Mütter immer so waren oder ob nur speziell Distelstern ein so schwieriges Verhältnis zu ihrer Tochter hatte.

„Was sollen wir jetzt tun?", wollte Tigerpfote wissen als sie am Ende ihres Berichtes ankam. Milo schüttelte den Kopf.
„Ich weiß es nicht. Ich kenne mich nicht gut mit eueren Bräuchen und Gesetzen aus..."
Tigerpfote seufzte.
Ein Windstoß fuhr den beiden Katzen durchs Fell. Milo fror nicht wirklich mit seinem dichten, langen Fell, es war zwar unangenehm, störte aber nicht, doch Tigerpfote zitterte.
„Erst einmal würde ich vorschlagen, dass wir schlafen gehen. Müde fällt uns nichts ein", schlug Milo vor und stand auf. Tigerpfote nickte und drehte sich niedergeschlagen zum Wald um. Ihre Schultern waren nach unten gesackt.
„Hey, was machst du?", fragte Milo und schaute sie verwirrt an, bis er verstand. Tigerpfote setzte gerade zu einer Erklärung an, doch der Kater unterbrach sie rasch.
„Du könntest hier schlafen..." In Gedanken fügte er noch „Hier bei mir" hinzu. Tigerpfote zögerte.
„Gut, aber ich muss bei Sonnenaufgang wieder zurück im Lager sein", gab sie nach und ging auf Milo zu.
„Wo schläfst du?", wollte sie wissen und zuckte unbehaglich mit den Ohren.
„Dort drüben. Du kannst in meinem Nest schlafen." Milo deutete auf das offene Moor und lief voraus. Mit etwas Abstand folgte Tigerpfote ihm zu einem dichten Ginsterbusch. Unter dessen Zweigen ein Nest aus Heide, Blättern und Farn lag. Es war groß und wirkte einladend auf Tigerpfote.
„Aber es ist dein Nest! Diese eine Nacht kann ich auch auf dem Boden schlafen", wiedersprach Tigerpfote und sah Milo streng an.

Das Mondlicht schimmerte in ihren Augen und er konnte klar und deutlich ihre Umrisse erkennen.
Milo schüttelte den Kopf.
„Nein, wenn du eine Nacht auf dem Boden schlafen könntest, dann kann ich das auch!"
Tigerpfote gab sich geschlagen und stieg in das Nest. Es war noch bequemer als es aussah. Schweigend legten die Katzen sich hin und schlossen die Augen.
Milo fand keine bequeme Position auf dem doch recht harten und vor allem unebenem Boden. Außerdem rasten seine Gedanken hin und her. Dazwischen blitzten Bilder von Leni auf, dessen Fellfarbe sich mit der von Tigerpfote vermischte.

„Komm her", hauchte Tigerpfote. Zuerst glaubte Milo, dass er sich verhört hatte, doch als es neben ihm raschelte und Tigerpfote erneut flüsterte, er solle herkommen, stand er auf und tappte vorsichtig zu seinem Nest. Die Kätzin hatte sich an den hinteren Rand des Nestes gelegt und machte so Platz für Milo. Mehr als die Hälfte des Nestes war nun frei.
Milo ließ sich vorsichtig ins Nest fallen und kuschelte sich an den Rand.
Ohne wirkliche Scheu, legte Tigerpfote sich dicht an Milo. Kein Blatt hätte mehr zwischen sie gepasst. Leise begann Milo zu schnurren und war auch schon ein paar Herzschläge später eingeschlafen. Tigerpfote neben ihm schlief wenig später ein.

WarriorCats- Schwarzer FlussWo Geschichten leben. Entdecke jetzt