Urlaubsfreuden

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Dame Tod nippte an ihrem Sex-on-the-Beach (wenn sie wenigstens mal welchen hätte!), rückte ihre Sonnenbrille zurecht und versuchte sich zu entspannen.

„Kannst du nicht leiser umblättern?!", meckerte sie Pestilenz an, die auf der Sonnenliege rechts neben ihr in einem Kriminalroman las. „Ich versuch mich zu entspannen."
„Klappt prima", gab Pesti zurück. „Seit sechs Tagen bist du permanent am Meckern. Es ist zu heiß, es ist zu hell, zu laut, zu voll, das Wasser ist zu kalt, das Essen zu fettig, die Leute zu fröhlich ... Komm mal runter. Wir sind an der Copacabana! Sonne, Meer, Strand, süße Jungs, bunte Cocktails – was will man mehr?!"

Meine Ruhe will ich, dachte Dame Tod. Wenn es nach ihr gegangen wäre, wäre sie jetzt auf North Brother Island, aber: „Da waren wir schon zweimal. Weißt du nicht mehr, Typhus-Mary und dann die General-Slocum-Katastrophe?" Doch, Dame Tod erinnerte sich. Das waren noch Zeiten gewesen! Tschernobyl wäre auch eine Alternative gewesen, aber davon wollte Pesti nichts mehr wissen. „Längst out", hatte sie befunden und einfach über Dame Tods Kopf hinweg drei Wochen Copacabana gebucht.

Hätte sich die Reise auf sie beide beschränkt, wäre es ja nur halb so schlimm gewesen, aber ...

„Warum mussten Hunger und Krieg eigentlich auch mitkommen? Urlaub dient dazu, sich von der Arbeit erholen, aber wie soll ich das, wenn alle meine Kollegen auch hier sind?"
„Ist doch witzig, die zwei mal von der privaten Seite kennen zu lernen." 

Wahnsinnig witzig. Obwohl ... Dame Tod musste zugeben, dass Hunger sie neulich wirklich zum Lachen gebracht hatte. Seit ihrer Ankunft verbrachte er die meiste Zeit des Tages damit, sich durch das All-you-can-eat-Buffet zu fressen, was natürlich nicht ohne Folgen blieb was seine Figur anging. Und beim Beachvolleyball war ihm auch prompt die wichtigste Naht der Badehose geplatzt. Sie und Krieg hatten sich kaputtgelacht und Pestilenz hatte die Gelegenheit genutzt, den entscheidenden Punkt zu machen, der ihrer Mannschaft den Sieg eingetragen hatte. Jetzt war Krieg besessen davon, ein Revanchespiel zu gewinnen. Es stand mittlerweile 27 : 0 für Pestilenz und ein Ende war nicht abzusehen.

Dame Tod sah ja ein, dass sie wahrlich urlaubsreif gewesen war. Zuerst hatte die neue Epidemie, die Pestilenz ausgeheckt hatte, sie auf Trab gehalten. Die Menschen waren wie die Fliegen an diesem Corona-Virus gestorben und sie hatte ihrem Pferd Lucrezia alle zwei Tage neue Hufeisen anfertigen lassen müssen. Dann hatte Krieg sich ein wenig in der Ukraine herumgetrieben und Dame Tod hatte schon wieder alle Hände voll zu tun gehabt. Und Hunger hatte sich wie üblich in Äthiopien ausgetobt. Nein, ein Urlaub war wirklich keine schlechte Idee gewesen, aber hatte es denn wirklich unbedingt Brasilien sein müssen? Diese ganzen lebensfrohen Menschen deprimierten Dame Tod. Und dann hatte Pestilenz sie auch noch in einem Hotel mitten im Vergnügungsviertel untergebracht. Überhaupt hatte Dame Tod das Gefühl, dass Pestilenz ein wenig vergnügungssüchtig war. Sie schob die Sonnenbrille hoch und sah an sich hinunter. Beim Anblick ihres schreiend bunten Badeanzugs kam ihr fast das Frühstück wieder hoch. Rote Blumen und mehrfarbige Papageien auf hellgrünem Grund! Natürlich war das auch eine Idee von Pestilenz gewesen. Als sie gemeinsam in der Boutique nach Strandklamotten gesucht hatten, hatte Dame Tod naturgemäß zu einem schwarzen Bikini gegriffen.

„Keine Arbeitskleidung im Urlaub!", hatte Pestilenz entsetzt ausgerufen und ihr absichtlich den buntesten – und scheußlichsten – Badeanzug aufgezwungen, der nur zu haben war.
„Schwarz ist sexy!", hatte Dame Tod versucht sich zu wehren, aber:
„Schwarz ist altmodisch!", hatte Pestilenz geantwortet und damit auch direkt eine Überleitung zum nächsten Thema gefunden:
„Wie willst du eigentlich deinen Geburtstag feiern?"
„Alleine!"

Aber das hier ist nicht „Alleine". Das hier ist das genaue Gegenteil von „Alleine"!, dachte Dame Tod und konnte nicht verhindern, dass leichte Panik in ihr hochkroch. Nur noch eine Woche bis zu ihrem Ehrentag. Den ausgerechnet hier verbringen zu müssen, schmerzte schon beinahe. Gestern war sie sogar heimlich zu einer Beerdigung gegangen, weil sie diese permanente Fröhlichkeit um sich herum einfach nicht mehr ausgehalten hatte. Leider hatte Pestilenz sie allzu schnell vermisst, den Braten gerochen und sie wutschnaubend zurück zum Hotel gezerrt. Zur Strafe hatte sie Dame Tod dann mit zum Zumbakurs angemeldet!

Pestilenz blätterte eine weitere Seite ihres Krimis um.
„Es war der Graf", sagte Dame Tod wie nebenbei. Pestilenz warf den Krimi wütend in den Pool und stand auf.
„Du bist echt die Pest!!"
„Nein, du bist die Pest. Schon immer gewesen!" Das konnte man jetzt so oder so verstehen ...

Nach einem kurzen Innehalten, um die letzten Sätze zu überdenken, schnaubte Pestilenz:
„Ach rutsch mir doch den Buckel runter! Da geh ich lieber mit Krieg zum Beachvolleyball!" Sprach's und kehrte Dame Tod schwungvoll den Rücken. Ob ich ihr jetzt den Buckel ... überlegte Dame Tod und musterte Pestis Kehrseite, während diese hocherhobenen Hauptes davonstolzierte. Aber nee, lieber froh darüber sein, endlich meine Ruhe zu haben!

Diese währte jedoch nicht lange, sehr zu Dame Tods Verdruss.
„Du, Tante, ich kann bis tausend zählen. Willste hören?"
„Nein."
„Eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben, acht, neun, zehn, elf, zwölf, dreizehn, vierzehn, fünfzehn, sechzehn, siebzehn, achtzehn, neunzehn, zwanzig, einundzwanzig, zweiundzwanzig, dreiundzwanzig, vierundzwanzig, fünfundzwanzig, sechsundzwanzig, siebenundzwanzig, achtundzwanzig, neunundzwanzig, dreißig, einunddreißig ..."

Dame Tod schloss die Augen. Wenn ich ihn ignoriere, geht er vielleicht weg.
„Zweiunddreißig, dreiunddreißig, vierunddreißig, fünfunddreißig ..." Es dauerte bis zur dreiundfünfzig, bis Dame Tod einsah, dass Ignorieren gegen ihn nicht half. Auch das war natürlich die Schuld von Pestilenz.

„Du musst dein Image mal aufpolieren", hatte die gesagt, „die Menschen haben Angst vor dir. Dabei bist du doch eigentlich ganz nett." Seit wann das denn?, hatte Dame Tod gedacht. Jedenfalls endete die Angelegenheit damit, dass Pestilenz einem von ihrem Sprössling leicht überforderten Elternpaar erzählt hatte, dass ihr Freundin super mit Kindern umgehen könne und sich freuen würde, mal babysitten zu dürfen, damit die gestressten Eltern was für sich unternehmen konnten. Und nun hatte Dame Tod ihn an der Backe. Wann immer er ihrer ansichtig wurde, wabbelte er auf sie zu und ging ihr auf die Ketten.

Lasse.
Lasse aus Bottrop.
Der Nagel zu ihrem Sarg.

„Vierundfünfzig, fünfundfünfzig, sechsundfünfzig, siebenundfünfzig, achtundfünfzig, neunundfünfzig, sechzig, einundsechzig, zweiundsechzig ..."

Dame Tod streckte die Hand nach ihrer Sense aus, die, unsichtbar, neben ihrer Sonnenliege lag.
„Au!" Jemand hatte ihr schmerzhaft auf die Finger gehauen.
„Bist du bescheuert? Du kannst doch den Jungen nicht abmurksen. Du bist im Urlaub!", zischte Hunger neben ihr.
„Ach, komm schon, Hunger. Nur ein kleines bisschen!"
„Aus!", schimpfte Hunger mit Dame Tod und ließ sich auf Pestilenz Liege fallen. Das arme Ding gab nach und brach unter ihm zusammen.
„Miese Qualität", murrte Hunger, während Dame Tod sich ein hämisches Grinsen nur mit Mühe verkneifen konnte. Lasse aus Bottrop ließ sich nicht einmal davon ablenken.

„Siebenundsiebzig, achtundsiebzig, neunundsiebzig, achtzig, einundachtzig, zweiundachtzig, dreiundachtzig, vierundachtzig, fünfundachtzig, sechsundachtzig ..."

Todmüde schleppte Dame Tod sich Stunden später in ihr Hotelzimmer. Lasse aus Bottrop hatte nicht gelogen: er konnte tatsächlich bis Tausend zählen!

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⏰ Letzte Aktualisierung: May 02, 2023 ⏰

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