³⁷ Trust Issues ³⁷

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Jisung redete nicht mehr mit mir.

Ich hatte gehofft, bei dem Grillabend zwischen seinen und meinen Eltern mit ihm sprechen zu können oder anderweitig Kontakt zu ihm aufzubauen. Jedoch hatte sich Jisung nur etwas zu essen geholt, nicht einmal eine große Portion, und war dann wieder in sein Zimmer geflüchtet. Auch sonst hörte ich nichts von ihm. Da ich nicht in die Schule durfte, sah ich ihn nur sehr selten und auch auf meine tausend Entschuldigungsnachrichten antwortete er nicht.

Meine Eltern waren sauer auf mich. Ich hatte sie enttäuscht, also hatten sie mich zu sämtlichen Hausarbeiten verdonnert, ohne mir die Chance zu lassen, mich zu erklären. Letztendlich konnte ich ihnen aber anvertrauen, was vorgefallen war, was ihre Wut wenigstens vermindert hatte. Dennoch wollten sie, dass ich aus meinen Fehlern lernte und waren entsprechend streng mir gegenüber. Ein wenig blieb der Beigeschmack eines Erziehungscamps zurück.

Ich konnte es ihnen nicht übel nehmen. Selbst Chan und Jeongin hielten vorerst Abstand zu mir, bis auf das Vorbeibringen des Unterrichtsstoffs hatte ich nicht viel Kontakt ihnen. Chan erzählte mir zwar, dass seit dem Vorfall Jeongin oder so ein Junge namens Felix nicht mehr von Jisungs Seite wichen, doch als ich ihn bat, Jisung eine Entschuldigung von mir zu überbringen, lehnte er ab. Laut ihm musste ich das selbst erledigen. Nur dann würde Jisung meine Reue akzeptieren. Und ehrlich gesagt hatte er da auch recht.

Meinen Konsequenzen unterlegen verbrachte ich also zwei langweilige Wochen Zuhause, in denen nichts geschah, außer dass ich mich durchs Tanzen versuchte abzuregen. Selbst Changbin und Hyunjin waren mir keine große Hilfe. Sie sahen meine Reaktion als übertrieben an, wenngleich sie nachvollziehen konnten, woher es kam.
Schließlich aber durfte ich wieder in die Schule, mit angestauter Reue, Trauer und Wahnsinn. Dementsprechend reagierten auch die anderen Mitschüler auf mich. Die meisten gingen mir aus dem Weg und warfen mir eingeschüchterte Blicke zu. Ich fühlte mich ein Schläger, eine Bedrohung für den Frieden, eine Person, vor der man sich fürchtete. Und ich verabscheute es. Was war denn nur los? Vor wenigen Wochen war ich noch der beliebteste Schüler der Schule, welcher angesehen und respektiert worden war. Ständig hatte ich Liebesbriefe und bewundernde Blicke erhalten.

Doch jetzt?

Jetzt war ich ein Außenseiter, jemand, der nicht dazugehörte. Es war beinahe so, als würden sie versuchen mich zu verstoßen. Ich war nicht länger ein Teil von ihnen, ich war nicht länger ein Freund. Das war ein... absolut grauenhaftes Gefühl.

Mein Leben lang hatte ich Angst davor gehabt, mich nicht anschließen zu können. Ich hatte Angst davor gehabt, allein zu sein und von niemandem gemocht zu werden. Nicht gemocht zu werden war mein größter Albtraum.

Und an diesem Tag hatte er sich erfüllt. Das Schlimmste daran? Es war ganz allein meine eigene Schuld.

Mit einem mulmigen Gefühl in der Magengegend schlenderte ich durch die Flure. Meine Kapuze hatte ich hochgezogen, um mich darunter zu verstecken, in der Hoffnung, so ihren verurteilenden Blicken auszuweichen. Mir wurde beinahe schlecht hiervon. Es war, als wäre ich ein Löwe, für einen Zirkus eingefangen. Gefürchtet und doch belächelt. Sie hatten die Macht über mich, obgleich sich keiner von ihnen mir allein stellen würde. Sie konnten mich angreifen, mich verletzen, zwischen den Gitterstäben hindurchgreifen und mir blieb keine Chance mich zu verteidigen. Ich war eine Witzfigur, ein Opfer... nein, eher ein Täter.

Schwer seufzte ich auf. Ich fühlte mich so fehl am Platz, so wertlos. Nicht einmal Chans Präsenz konnte mich aufheitern, egal, wie sehr er es auch versuchte. Jeongin machte es nicht gerade besser; in den darauffolgenden Pausen, in denen er sich doch mal zu uns gesellte, wurde mir nur an den Kopf geworfen, wie beschissen ich mich doch verhalten hatte und dass das hoffentlich eine Lektion gewesen war. Hierbei war anzumerken, dass Chan ihn zum Teil unterstützte und beide sich lediglich darauf bezogen, wie ich Jisung vor der ganzen Schule bloß gestellt hatte und Jiwon mehr oder weniger fremdgegangen war. Auch sie fanden, dass der Oberstufenschüler den Prügel verdient hatten, wenngleich sie mir diesbezüglich kleinlauter beipflichteten, um nicht selbst in Schwierigkeiten zu geraten.
Letztendlich schafften wir es so mehr oder weniger produktiv durch den Morgen und saßen beisammen in der Mittagspause. Das Essen schmeckte genauso bescheiden wie vor zwei Wochen, sah aber noch pampiger aus. Das war wohl das Einzige, was ich nicht vermisst hatte.

Don't tease me ★ MinsungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt