Prolog

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Allein lief Mala durch die Wildnis. Sie hatte für ihr recht junges Alter schon relativ viel mit ansehen müssen, doch abschrecken hatte sich die Dunkelhaarige davon bisher nicht lassen. Während ihre Gedanken immer wieder abschweiften, lief sie einfach weiter, ein direktes Ziel hatte die Hexentochter bislang immerhin nicht festgelegt. Es schränkte zu sehr ein, war ihre Meinung dazu. So sah man außerdem viel mehr von der Welt. Eine ganze Weile wanderte sie so umher, zwischendrin hatte sie auch mal ein kleines Dorf passiert, und schaute sich um, als ihr jemand über den Weg lief. Sie kannte die junge Frau nicht, doch sie war eine der ersten Personen, die ihr seit Längerem mal wieder begegneten und auch freundlich erschienen. Eigentlich überlegte sie, jene anzusprechen, doch die Fremde kam bereits von sich aus auf sie zu. Dunkelblonde lange Haare, grüne Augen und ein liebliches Gesicht. Volle Lippen, ein zartes Rosé. Helle Haut, mit sanftem Rouge auf den Wangen. So jedenfalls hätte Mala sie beschrieben. 

"Ich grüße Euch", sagte jene freundlich und zugleich doch mit dem notwendigen höflichen Abstand zu ihr.
"Ihr seid nicht von hier, oder? Darf ich fragen, woher Ihr ursprünglich kommt?", fragte sie mit sanftem Lächeln, irgendwie mochte Mala die Frau sofort. Sie hatte etwas Aufrichtiges an sich.
"Ich komme von Süden. Es gab da einen kleinen Zwischenfall zwischen meinem Vater und den dortigen Dorfbewohnern, daher musste ich verschwinden. Nun bin ich hier im Nichts unterwegs. Und Ihr?"
Selene nickte leicht.
"Ich lebe hier in der Nähe. Auch wenn die Dorfbewohner nicht zwingend gut auf das Übernatürliche zu sprechen sind, so lässt es sich hier aushalten. Wenn Ihr mögt, könnt Ihr ein Weilchen bleiben", schlug sie der Brünetten freundlich vor, Mala nickte.
"Danke, das ist ausgesprochen freundlich von Euch. Wie kann ich mich erkenntlich zeigen?", bedankte sie sich, doch Selene schüttelte sachte den Kopf.
"Kommt einfach mit. Ihr müsst nichts machen."
Mala seufzte gedanklich leise, folgte der Elbin aber, nur wenige hundert Meter weiter tauchte ein Haus auf, welches die Blonde ansteuerte. Angekommen wurde die Tür geöffnet.
"Bitte fühlt Euch wie zu Hause. Ich werde Euch keinerlei Einschränkungen geben."
Zwar fand Mala das ein wenig kurios, doch ließ sie es darauf beruhen und schaute sich in dem Haus genauer um.
"Ein freies Zimmer findet Ihr oben. Es ist ungenutzt."
Mala nickte kurz, bevor sie ein "Danke, sehr freundlich von Euch" antwortete.
"Bevor ich es vergesse", schob Selene noch ein und grinste leicht, "ich bin Selene. Und wer seid Ihr?"
Da konnte die Hexentochter kaum anders. Unweigerlich schlich sich auch auf ihre Gesichtszüge ein amüsiertes Grinsen.
"Freut mich, Selene. Mein Name ist Mala."
Die ganze Zeit hatten sie einander nicht vorgestellt, warum nicht? Sie hatte aber auch gar nicht mehr daran gedacht. Selene schien so locker und offen zu sein, ihr gefiel das.
"Ich bin oben, sollte was sein", schob Mala allerdings noch lächelnd hinterher und entschuldigte sich damit erstmal, um sich oben etwas ausruhen zu können. Selene nickte und widmete sich ihren Dingen zu, während ihre vorübergehend neue Mitbewohnerin ihre eigenen Sachen machte.

So ging das einige Stunden. Jeder ging entspannt seinen Aufgaben nach, bis Mala hinunter kam und die Elbin freundlich fragte:
"Sagt mal ... Sind hier noch andere außer uns?"
Selene musterte die Hexe kurz verwundert.
"Wesen? Hier sind bestimmt auch noch andere, warum? Also im Dorf selbst vermutlich nicht, aber sonst ... Wahrscheinlich schon."
Mala überlegte, wie sie es am besten ansprach.
"Naja, wenn hier noch andere übernatürliche Wesen sind und das Dorf, wie ich auch selbst bemerkt habe, keineswegs gut auf diese zu sprechen ist, könnte man ihnen ja vielleicht ein Zuhause bieten ...?", schlug die Dunkelhaarige vorsichtig vor und lächelte leicht, wenn auch etwas unsicher obgleich der ausgesprochenen Idee. So lange kannten die beiden sich schließlich auch noch nicht und dann sowas vorzuschlagen ...
"Ich finde die Idee großartig", stimmte Selene zu, was Mala derart aus den Gedanken riss, dass dieser erstmal ein erschrockenes "Was?" entfuhr, bevor sie die Worte der Anderen registrierte. "Hervorragend! Ich kann mit Magie helfen und das Ganze hier entsprechend ausbauen und herrichten, nebenher führe ich allerdings einen kleinen Laden", erklärte sie grinsend. Sie freute sich wahnsinnig über die Zustimmung ihrer neuen Bekanntschaft und ging davon aus, dass es am Ende super wurde. Sie wollten also tatsächlich eine Wohngemeinschaft aus Wesen aufbauen, wobei ihr auch Menschen recht waren, die mit Wesen leben konnten. Die Dorfbewohner kamen wohl kaum freiwillig her und zogen ein ...!

Über so viel Hass und Abscheu konnte sie teils nur noch den Kopf schütteln. Den geschrumpften Laden dabei ging sie hinaus und vergrößerte diesen, tauchte dort dann allerdings auch erstmal und kümmerte sich um ihre Waren, welche sie verkaufte. Danach wurde das Haus vergrößert und hergerichtet. Perfekt! Über die Tage hörten die ersten davon und gesellten sich dazu, das Haus wuchs also immer und immer weiter. Schon bald hatten sich die unterschiedlichsten Wesen im Haus eingefunden. Elbinnen und Elben, ein Gestaltwandler, ein Vampir, Werwölfe ...Sie waren innerhalb kürzester Zeit zu einer richtigen Wesengemeinschaft herangewachsen! Mala und Selene fanden das super und vergrößerten das Haus regelmäßig nur allzu gerne. So war es nicht verwunderlich, dass es rasch wuchs und regelmäßig auch den Wünschen der Bewohner ein wenig angepasst wurde. Erst recht über all die Jahre hinweg. Nicht nur das Haus war reichbesucht, auch um dieses herum hatte sich eine Art kleines Dörfchen angesiedelt. Aus einem Haus mit ein paar Wesen hatte sich unter Selene, die das Ganze übernommen hatte, eine regelrechte Gesellschaft entwickelt. Eine einfache Begegnung, eine freundliche Geste und schon konnte mithilfe von ein wenig Magie etwas absolut Großartiges entstehen.

Wenn da doch nur die Dorfbewohner nicht gewesen wären, die bereits Wind davon bekommen hatten und das Wachstum dieses einstigen leerstehenden Häuschens nun mit äußerst gemischten Gefühlen beobachteten. Aus sicherer Entfernung, denn mit diesen Kreaturen wollten jene nichts zu tun haben.
Ihnen waren diese 'Dinger', wie einige die übernatürlichen Gestalten bezeichneten, ein riesiger Dorn im Auge. Nach allem, was sie schon gehört und teilweise auch selbst erlebt hatten, wollten sie mit denen nichts zu tun haben.
"Ich würde deren Baracke gerne niederbrennen", knurrte einer der Bewohner auf dem Marktplatz, wo sich auch an diesem Morgen der Großteil der Dorfbewohner aufhielt, um etwas zu kaufen, selbst zu verkaufen oder einfach zu schauen, ob irgendetwas von größerem Interesse war. Mit ein wenig Handeln konnte man alles ansprechend machen, das wusste jeder. Und für die Dorfbewohner galten ohnehin andere Preise als bei den Kreaturen, wenn diese mal wieder ihren Weg in ihr beschauliches Dorf gefunden hatten. Mit kritischen Blicken, Skepsis, Angst und Hass wurden diese Fremdlinge stets beobachtet. Eine unbedachte Bewegung, eine falsche Handlung, ein Schritt zu nah an einen der Dorfbewohner und sie waren kopflos. Es war schon einige Male vorgekommen, danach hatte man die Körper verbrannt. Die gehörten einfach nicht in ihre Mitte!
Sollten die sich doch ihren eigenen Markt aufbauen, wenn sie schon eine so große Gesellschaft waren. Stattdessen mussten sie immer wieder hier auftauchen und Kuh- oder Ziegenmilch holen, die Wolle ihrer Schafe oder Stoffe. Kräuter. Unverschämt!
Sie machten es denen nicht leicht, aber das war auch gut so. Was wollten die denn hier, hätten die sich keine andere Bleibe suchen können? Und nun mussten sie mit denen leben ... Das passte keinem innerhalb dieses kleinen Dorfes und doch ließ es sich wohl nicht mehr ändern. Außer sie brannten alles nieder, aber das ging nicht ohne einen Krieg anzufangen und dieses Risiko mochte dann doch keiner eingehen, also mussten sie notgedrungen mit denen in der Nähe irgendwie leben.

Durch kleinere und größere Vorkommnisse wurde dieser Hass auf die Wesen auch immer schlimmer, sodass eine Unterhaltung gar nicht mehr möglich war. Eine falsche Bewegung und es floss Blut ...

Between reality and ...?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt