Kapitel 1

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Ein leises Stöhnen. Es kam von Mala, als sie auf das Dorf zusteuerten. Begeistert war die Hexe nicht unbedingt davon, immerhin waren die Dorfbewohner es auch von ihnen keineswegs. Es war eine Mauer zwischen ihnen, die vom Dorf ausging. Eine Mauer aus Hass, Verachtung und Wut.
Mittlerweile hätten sie es eigentlich gewohnt sein müssen, doch für jemandem wie sie gestaltete sich das doch ausgesprochen schwer. Sie war einfühlsam und wusste um die Gefühle der Anderen. Dass sie daran nichts ändern konnte, war nicht leicht. Sie hatte gern Frieden um sich herum, das hier war ihr höchst unangenehm. Ihr Gefährte konnte darüber nur immer und immer wieder den Kopf schütteln. Oft genug hielt er Mala für ein richtiges Sensibelchen, was sie zwar wusste, ihr aber ebenso wehtat. Sie konnte schließlich nichts dagegen machen, wenn ihr eine solche Situation Unbehagen und Übelkeit bescherte.
"Na kommt, absteigen", rief Enzio also nur und sprang selbst vom Karren, mit welchem sie unterwegs gewesen waren. Er holte zwei Eimer, die Mala mit Wasser füllte, und stellte sie den Pferden zum Trinken hin, dann liefen sie über den Markt und ...

Von dem Händler, bei dem sie Kräuter kaufen wollten, wurden sie angefeindet.
"Verzieht euch, ihr gehört hier nicht her. Sucht euch endlich einen anderen Ort zum Kaufen. Ihr seid doch so viele, ein wahres 'Königreich' mittlerweile. Ist es etwa doch schwerer, sich selbst zu versorgen? Ja? Pech, dann verschwindet wieder dahin, wo ihr hergekommen seid! Wir wollen euch hier nicht!"
Und wieder diese Bauchschmerzen ... Mala ertrug das schon viel zu lange und es wurde doch immer schwerer. Erschöpft von Fahrt und Gefühlschaos schüttelte sie kaum merklich den Kopf.
"Wir wollen hier doch nur kurz ein paar Dinge kaufen und dann weiter reisen ...", gab sie müde von sich, diese ständigen Diskussionen war sie inzwischen leid.
"Dann macht das verdammt nochmal woanders, hier seid ihr nicht erwünscht!"
Ja, das wusste sie, im Grunde schon seit ein paar Jahrhunderten. Und doch ... Sie tat sich das immer wieder an, notgedrungen. "Ich weiß. Aber ich kann nichts machen, wir brauchen die Sachen eben."
Von diesen Gesprächen bekam sie jedes Mal aufs Neue Kopfschmerzen.
"Verschwindet. Sofort. Alle, wie ihr hier seid."
Selene mischte sich nun ein, erstmals heute erhob sie das Wort.
"Nein, das werden wir nicht. Wie erwähnt benötigen wir die Materialien, ob es Euch gefällt oder nicht. Für Euch ist der positive Aspekt doch, Ihr bekommt das Geld. Mehr als durch die Dorfbewohner."
Dass das aber auch immer wieder notwendig wurde.
"Wir besorgen schnell das Nötige und sind dann verschwunden."
Der Händler knurrte nur leise, ließ es jedoch so stehen. Schnell wickelte er den Kauf ab und sah den Kreaturen grantig nach.
Diese kauften noch ein paar Dinge, die sie brauchten oder welche hilfreich waren. Kräuter und Gewürze bei dem wütenden Händler, Wolle und Stoffe sowie Honig und etwas Kuhmilch. Dann stieg Mala als erste wieder in den Wagen zurück und setzte sich, ihr ging das immer wieder sehr an die Substanz. Dennoch erwartete sie zu Hause der Laden, Selene wurde von ihrer Gefolgschaft erwartet. Alle hatten Aufgaben zu erledigen.

Kaum waren alle wieder eingestiegen, fuhren sie schon weiter, ließen das Dorf hinter sich. Mala atmete tief durch und seufzte innerlich. Selene, die neben jener saß, nahm ihre Hand und drückte sie sanft. Gesprochen wurde während dem Rest der Fahrt kein Wort, erst bei Erreichen des Palastes kam langsam wieder Leben in die kleine Gesellschaft. Mala stieg ab, ihr folgte Selene. Diese gab auch gleich die Anweisung, die Pferde zu versorgen, ehe sie hinein gingen. Bevor Mala irgendwas tat, wurde gegessen, immerhin waren sie nun mehrere Tage unterwegs gewesen. Im Speisesaal stand bei dem Eintreten der Gruppe schon das Essen bereit und Selene seufzte innerlich erleichtert. Erst essen, dann alles Weitere. Heute war ein seltsamer Tag, wie sie fand.
Auch die Einnahme der Mahlzeit verlief ungewohnt still, bevor sich die Hexentochter erhob und verschwand. Hinaus in ihren Laden. Dort versank sie bis zum späten Abend und länger in Vorbereitungen, Tränken und Zaubern, um sich abzulenken.

Erst mitten in der Nacht kehrte Mala zurück in den Palast und ins Schlafgemach, welches sie mit ihrem Gefährten teilte - nur war dieser nicht anwesend. Kurzzeitig verwundert sah sich die Dunkelhaarige um, bevor sie im Rahmen der Tür umdrehte und ihn suchen ging.
Fündig wurde sie kurz danach in der Waffenkammer. Es schien ganz so, als wollte er sich für einen Angriff ausrüsten.
"Wo willst du hin", fragte sie ihn ruhig und doch ein wenig besorgt. Zugleich aber war sie unglaublich irritiert. Was sollte das werden?
"Ich zeige denen, was es heißt, sich mit uns anzulegen", knurrte Enzio als Antwort, griff sich ein Schwert und musterte es. Zu stumpf. Schnell wurde es wieder beiseite gelegt, dann nahm er das nächste zur Hand, musterte es und nickte kurz zufrieden. Er ließ es in die Scheide gleiten und steckte sich noch ein Messer ein, anschließend wurde alles wieder weggeräumt.
"Geh schlafen, ich bin bald wieder da."
Mala sah ihn verständnislos an. Er wollte mitten in der Nacht irgendwo einen Kreuzzug starten?!
"Du kannst nicht einfach mitten in der Nacht verschwinden und offenbar irgendwen abschlachten! Wohin willst du überhaupt?", gab die Hexe zurück, nicht jedoch allzu begeistert erscheinend. Nein, sie war wirklich sauer auf ihn!
"Ins Dorf. Die sollen bezahlen. Für alles!", zischte er wütend zurück.
Damit - und das wusste Mala - konnten sie dann vermutlich alles vergessen. Die Bewohner dort würden sie als Wesen dann nur noch mehr hassen ...!
"Enzio, das kannst du um Himmels Willen nicht bringen! Wenn du sie tötest, werden sie uns auf ewig hassen!", meinte sie innerlich kochend, doch gerade war ihr Hauptziel, ihn von diesem Krieg abzuhalten - vermutlich erfolglos.
"Ach, dazu werden sie gar nicht kommen."
Sie hielt die Luft kurzzeitig an. Das konnte er nicht ernst meinen!
"Du kannst sie nicht alle vernichten. Lass es einfach gut sein ... Sie lernen es nicht mehr, damit müssen wir leben. Aber das ist doch keine Lösung!", versuchte sie es abermals, nur schien sie gegen eine Wand zu reden. Es hatte keinen Zweck bei ihm.
"Wer agiert, muss mit einer Reaktion rechnen. Das wissen wir beide. Und ich schwöre dir, sie werden leiden."

Wenn das mal kein Versprechen war. Ein Versprechen, das durchaus einen Krieg entfachen konnte, wenn es nicht schon einen gab. Sonst verschlimmerte es das Ganze nur und zumindest seiner Gefährtin war das klar. Er merkte es nicht oder er hatte kein Interesse daran, einmal darüber nachzudenken. So oder so, es würden Menschen zu Schaden kommen ...
"Wenn du zurückkommst, bringe ich dich eigenhändig um", knurrte sie leise, drehte sich um und verschwand. Oder Selene übernahm das, sie würde das wohl genauso wenig gutheißen, wie Mala selbst es tat. Wenn er zurückkehrte, würde Selene Gerechtigkeit walten lassen und sie ahnte bereits, worauf das hinauslief ...

Between reality and ...?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt