Kapitel 1 – Sonne9
#1
Mühsam öffnete ich die Augen und versuchte zu erblicken, woher der Lärm kam. Doch Gleipnir hielt, bewegte sich keinen Millimeter. Einzig aus den Augenwinkeln sah ich die Schemen der Feinde, die im Begriff waren, Asgard zu zerstören. Sie waren in weiße Roben gekleidet. Glänzende, strahlende Flügel stachen aus ihrem Rücken hervor. Alles an ihnen war grell, weiß, und ihre Schwerter standen in Flammen. Jeder Streich löschte Leben aus, Körper zerfielen zu Asche. Unsere Kunstwerke wurden durch mir unbekannte Magien und Zauberei vernichtet. Jahrtausendealte fortschrittliche Technologie fiel der Zerstörung anheim. Während mich die Geflügelten verschonten, riss einer von ihnen meinen verhassten Onkel Thor regelrecht auseinander. Er hatte nicht den Hauch einer Chance, sich zu wehren. Mein Blick wanderte zu der riesigen Weltenesche Yggdrasil. Der Baum des Lebens stand in Flammen und Verdrfölnir, der Habicht, der zwischen den Augen des Adlers saß, fiel tot und brennend aus der Krone. Ratatöskr rannte auf mich zu und geriet dabei unter die Füße eines der Angreifer. Blut, Fett, Fleisch und Knochen spritzten zu allen Seiten weg. In mir brannte eine ungeheuerliche Wut, doch ich konnte nichts tun.
Plötzlich schoss Schmerz durch meinen Kopf und ich erwachte schwitzend aus meinen verabscheuungswürdigen Träumen. Tyr, der Gott des Kampfes und des Sieges, stand vor mir und hatte seine verbliebene Linke zur Faust geballt. Hämisch grinste er von oben auf mich herab. Wiederholt fügte das Arschloch mir starke Schmerzen zu. Offenbar hatte er Gefallen daran gefunden. Erwehren konnte ich mich nicht, meine Fesseln waren zu stark. In Gedanken verfluchte ich den Gott tausendfach. Selbst meine Zunge lag in Ketten. Einfach demütigend. Aber so waren die nordischen Götter der Hauptfamilie. Sadistische Arschlöcher, wie sie im Buche standen. Vor mir erblickte ich die Reste von schwarzem Staub und ich konnte spüren, dass sich darin eine große Machtbefand. Die Signatur dieser Aura kam mir bekannt vor. Irgendwo hatte ich diese Macht schon einmal ...
»Hey, du dumme Töle! Hier spielt die Musik!« Erneut schlug mich Tyr. Sein bester Freund Thor stand böse grinsend neben ihm. Doch der Gott des Donners rührte keinen Finger. Aus Trotz blickte ich geradeaus. Mit dieser Reaktion handelte ich mir zwar noch mehr Schmerzen ein, doch ich wollte mich auf gar keinen Fall ergeben. »Thor! Jetzt tu doch auch mal was! Schlag ihn mit deinem Hammer!« Tyrs Stimme troff vor Hass. Die Götter Asgards hatten mich zuallererst angegriffen, hatten mir alles genommen, und nun fesselten sie mich, schimpften mich ein Monster. Die Menschen hatten mir die Rolle eines Dämons zugesprochen, hatten mein Schicksal geändert und mich in die jetzige Position gezwungen. Allerdings würde ich ihnen niemals verzeihen, was sie mir angetan hatten!
Als der eine Tag dann endlich gekommen war, erhoben sich alle Götter, und Heimdall führte die Einherjer in die letzte große Schlacht. Die verstorbenen Krieger rüsteten sich. Ihre Waffen und Rüstungen bekamen sie aus den Waffenkammern Walhalls. Alles aus Zwergenhand. Ich hatte mich schon immer gefragt, warum die Waffenkammern von Asgard stets erweitert wurden, jetzt kannte ich den Grund. Doch ich durfte nicht weiter darüber nachdenken, ich musste versuchen zu handeln. Ich zerrte an meinen Fesseln, aber sie gaben nicht nach. Ich, der eigentlich alles hätte durchbeißen können, vermochte die Fesseln nicht zu sprengen. Die Zwerge hatten gute Arbeit geleistet. Gleipnir hielt meinen Versuchen weiterhin stand. Aufgrund meines magischen Gespürs konnte ich unzählige aufsteigende fremde Auren wahrnehmen. Ganz gleich, wie oft ich versuchte, diese zu zählen, es gelang mir nicht. Mein Geist konnte die erforderlichen Zahlen nicht erkennen. Zu den vielen kleinen Auren gesellten sich fast zwei Dutzend riesengroße. Entsetzt bemühte ich mich zu erspüren, welch gewaltige Armee hier in Asgard eindrang.
In all der Hektik hatte man mich, den Gott der Wölfe, anscheinend vergessen. Dann, plötzlich, vernahm ich ein mächtiges Röhren und wurde von einem gleißenden Lichtstrahl getroffen, der mir binnen eines Augenblicks das Bewusstsein raubte. Ich glaubte erst, dass dies mein Tod sei, aber zu meinem Glück und deren Pech überlebte ich den Angriff knapp. Dies war dann auch schon alles, was ich von dem einen Tag miterlebt hatte. Wie genau der Krieg vonstattenging? Keine Ahnung. Bald würde ich realisieren, dass ich meine angestaute Wut gegen andere Wesen richten musste. Denn Tyr und seine Kumpane würden tot sein und meine Rache bliebe auf ewig unvollendet. Mein vorbestimmtes Schicksal konnte nicht erfüllt werden.
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Wolfskult Leseprobe
FantasíaRagnarök, das ich einleiten sollte, begann, ohne dass ich irgendetwas getan hatte! Voller Wut blickte ich die Szenerie vor mir an. Weiß geflügelte Wesen drangen in die Welt der Götter ein und vernichteten alles, was ihnen vor die flammenden Schwerte...