Silber Mond Kapitel 1

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Kapitel 1

„Hi was machst du heute Abend so?", fragte Evelyne fröhlich, laut in meine Gedanken. Sie schaute mich erwartungsvoll an. „Eigentlich nichts", murmelte ich und starrte auf die Schriftrolle, welche Florina ausgeteilt hatte. Ich schaute auf zum Lehrerpult, wo eine alte, faltige, grimmig dreinschauende Frau stand. Frau Sevrus! Wie ich diese griesgrämige Dame hasse! Ihr Unterricht ist langweilig und steif wie kein anderer! Ich mochte das Fach sogar mal. Bis SIE kam! Jedes Mal, wenn ich sie sehe, würde ich ihr am liebsten an die Gurgel springen! So geht es eigentlich jedem, außer Lucien. Er ist ihr verdammter Liebling, der immer bonums bekommt. Doch alle andern bekommen malums. Ich saß da und wusste irgendwie nicht so wirklich was mit mir anzufangen, obwohl Frau Sevrus uns mal wieder unfassbar viele Aufgaben gegeben hatte, ich fand mich nutzlos und unerfüllt. Als ob ich mein Leben lang der Ausdruckslosigkeit und der Menschenleere verdammt wäre. Es war ein komisches, fremdes und nie da gewesenes Gefühl. Ich wusste nicht, was es war, aber es fühlte sich an, als ob in mir etwas fehlte. Als ob ich etwas verloren habe und es nie gewusst habe. Bis jetzt. Dann schob ich aber diese trüben Gedanken bei Seite und wandte mich den Haufen an Aufgaben zu. Evelyne hatte schon längst angefangen und schaute dann zu mir hinüber. „Hey, alles gut? Du bist so still." Ich blickte sie verwirrt an. „Warum sollte nicht alles gut sein? Wir haben bei der schrecklichsten Lehrerin der ganzen Mondlicht-Akademie Unterricht und müssen einen riesigen Stapel an Aufgaben lösen.", ich grinste ihr schelmisch zu. „Ich versteh dein Problem nicht.", lachte sie sarkastisch.

So war das bei uns beiden, in den schrecklichsten Situation können wir immer noch zusammen lachen, einfach nur weil wir zwei beisammen sind. Wir kennen uns schon seit einer halben Ewigkeit. Es ist, als ob wir schon immer zusammen gewesen waren, obwohl es glaub ich noch gar nicht lange her ist, dass wir uns trafen. Ich kann mich zumindest an jedes Wort, an jeden einzelnen Gedanken und jede Kleinigkeit erinnern, als hätte es sich erst gestern zugetragen das wir aufeinander stießen. Ich lief wie so oft durch den dunklen und einsamen Wald. Diese Nacht war es besonders kalt und nass, durch den vorherigen Regen dieser Herbstabend. Die dunklen und riesigen Bäume ragten, wie riesige Schatten über den feuchten und Blätter übersatten Waldboden. Als ich dort so rannte, wehte mir der kühle Herbstwind ins Gesicht und blies mir meine Schwarzen, langen und glatten Haare ins Gesicht. Ich stolperte immer wieder konnte mich, dann doch zum Glück immer wieder fangen, aber trotz der Stolperfallen auf dem moosig, glitschigen Boden hetzte ich weiter. Ich wusste nicht, wo ich hinlief, doch meine Füße liefen einfach und kannten anscheinend den richtigen Weg. Ich wurde langsamer und bemerkte das ich schon recht weit von zuhause und Zivilisation weg war und blieb stehen. Mein Kopf drehte sich zu allen Seiten um und Verzweiflung machte sich in mir breit, ich wusste nicht, was ich tun sollte. Ich war wie verloren, den wie immer gab es Stress zuhause und wollte da weg. Ich wollte diesen Horror nicht ertragen. Viele sagen ich sei mutig und würde vor nichts davonrennen, aber ich war nicht mutig. Eher wie ein wehrloses Reh, das sich bei jedem Rascheln erschreckte und vor jeder Herausforderung wegläuft. Ich dachte daran umzukehren, doch ich bin froh, dass ich es nicht getan habe. Denn dann kam sie. Mein Licht am Ende des Tunnels. Meine Sonne im kältesten Winter. Meine Glückseligkeit in den Dunkelsten Stunden. Evelyne Winterbottom. Es war Schicksal.

Diese Freude und Sympathie in Person sollte nun mein Lebensbegleiter, mein Lieblingsmensch und beste Freundin werden. Sie kam wie ein Strahlen aus der Finsternis des Waldes. Sie kam zu mir, einer verloren Seele dieser Welt. Ich schloss kurz meine blauen Augen und schaute wieder an die Stelle, wo das Mädchen stand. Es war immer noch da. Das war kein Traum. Sie war Wirklichkeit. Ich schaute das blonde Mädchen verwundert an und es kam langsam auf mich zu. Als Evelyne bei mir ankam, umarmte sie mich und sagte in ruhiger Stimme, „Ich bin Evelyne und was machst du hier ganz allein?" Ich starrte über ihre warme Schulter in das schwarze Unterholz. Meine Augen fühlten sich mit Jahre lang unterdrückten Tränen. Ich wurde mein Leben lang unterdrückt, bevormundet und unter Druck gesetzt. Jetzt ließ ich alles raus. Alles. Alles, was ich die ganze Zeit in mich hineingefressen hab. Ich weinte und schrie. Das Mädchen, mein Stern aller Sterne dieser Welt, hielt mich einfach nur in ihren Armen. Sie sagte nichts und tat nichts anderes, bis ich aufgehört hatte zu heulen, denn es war alles raus, der ganze Schmerz, der ganze Kummer und auch die Wut auf die Menschen die mir immer wieder wehtaten. Ich löste mich aus der innigen Umarmung. Keine Ahnung wie lange wir dort so gestanden haben, gefühlte Stunden, aber wahrscheinlich waren es nur ein paar Minuten gewesen. Sie schaute mich traurig, sanft an und fragte, „Besser?" Meine Stimme hauchte ein erleichtertes, „Ja". „Schön, dann geh ich mal nach Hause und das solltest du besser auch tun. Wir sehen uns morgen!" Als sie langsam von dannen zog, wehte ihr weißes Nachthemd leise im Wind und dann war sie auch schon in der Finsternis des eisigen Waldes verschwunden. Ich drehte mich um und kehrte auch nach Hause zurück. Diese Nacht träumte ich viel von dieser Begegnung.

Die nächsten Tage, Wochen, Monate, Jahre trafen wir uns fast jeden Tag und hatten unseren Spaß. Wir kannten Jedes Geheimnis, die dunklen und hellen Seiten des anderen. Wir mussten uns nie, niemals verstellen. Wenn wir zusammen waren, konnten wir einfach wir selbst sein. Das Einzige, was ich bis heute nicht weiß ist was sie in dieser Herbstnacht im einsamen Wald verloren hatte. Vielleicht war sie genauso verloren gewesen wie ich? Ich weiß es nicht. Doch es ist ja auch egal, dachte ich mir immer wieder, wenn ich mir diese Frage stellte. Das Wichtigste war das Evelyne Winterbottom da war, bei mir und das hoffte ich sollte immer so bleiben. Sie ist immer für mich da und sie hat keine Vorurteile, dass schätze ich sehr an ihr. Nach dem Unterricht gingen wir zu unseren kleinen Zimmern in der Mondlicht-Akademie. Es war dunkel im Zimmer, da wir vergessen hatte die Gardinen auf zu ziehen.  

Und doch war da kleines blaues Leuchten aus der Ecke. Es schwebten ca. 1 Meter über dem Boden und bewegte sich fröhlich auf und ab. Wir gingen näher auf das leuchtende Ding zu und ich hob die Hand. Meine andere Hand war mit der von Evelyne verschränkt. Sie drückte sie fester und ihre Hand fing an nass zu werden. Ich schaute das Licht wie gebannt an. Ich war wie in Trance. Mein Zeigefinger berührte die kleine Kugel und, und plötzlich war sie weg. Ich schaute Evelyne an, erleichtert und angespannt zu Gleich guckte sie mir tief in die Augen. Doch dann durchflutete ein grelles blau, weißes Licht den Raum. Ich kniff die Augen zusammen und ließ die Hand meiner Freundin los. Als ich sie wieder öffnete, stand ich mitten im Schnee. Überall war Schnee. Eine endlose Schneelandschaft mit vereinzelten Tannen so hoch wie Wolkenkratzer. Ich schaute auf meine Füße die in den Hausschuhen langsam nass wurden. Aber dann sah ich das im Schnee rote Flecken waren. Ich folgte der Blutspur bis zu dem Gauen das mich erwarten würde. Ich dachte es sei ein Tier gewesen! Oder vielleicht nur Beerensaft! Aber ich hätte es mir denken können. 

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⏰ Letzte Aktualisierung: Sep 22, 2023 ⏰

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