Prolog

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Das kratzende Geräusch, wenn die Kufen über das Eis gleiten.
Die Energie, welche durch den Körper schießt, wenn man sich in die Biegungen und Neigungen legt.
Die Luft welche an den Haaren zieht, wenn man beschleunigt.
Das Adrenalin, welches einen Erfüllt, wenn man zum Sprung ansetzt.

Luft holen, Muskeln anspannen, mit den Armen Schwung holen und springen. Arme fest an die Brust ziehen und eins, zwei, dr,-
"Aha!" das Eis traf hart auf ihre Knie und Ellenbogen. Ein stechender Schmerz schoss ihre Nerven entlang, bis in ihre Hüfte und Schultern.
Pochend und heiß.
"Scheiße." japste sie, drehte sich auf den Rücken und hielt sich mit der freien Hand den pochenden Ellenbogen, während sie das schmerzende Knie anwinkelte.
"Tut das weh." zischte sie, die Augen, in denen die Tränen aufsteigen, fest zusammenkneifend.
Die Hacke ihres Schlittschuhkuve bohrte sich tief in das Eis, während sie sich auf die Unterlippe biss und ihren schmerzenden Ellenbogen umklammerte.
Eine Träne lief aus ihrem Augenwinkel, über ihre Schläfe bis in ihr aschblondes Haar hinein, als die die Augen öffnete, ein letztes Mal über ihren Ellenbogen strich und sich dann in einen sitzende Position drückte.
"Nochmal." gab sie heiser von sich, schwang sich auf die Kufen ihrer Schlittschuhe. Sie kreiste die Schultern, während sie Schritt für Schritt an Geschwindigkeit gewann

Er ließ die schwere Tür der Trainigshalle, leise hinter sich ins Schloss fallen. Von Tribünen eingerahmt lag die Eisfläche. Man hatte sie heute Morgen eindeutig frisch poliert.
Er lehnte sich an das Geländer der Treppe, welche von den Tribünen runter zu der Eisfläche führte.
Mit einem Ruck zog er den Reißverschluss seiner Jacke bis nach oben zu, als ihm ein fröstelnder Schauer über die Brust schoss.
Sie, ganz in schwarz gekleidet, glitt mit ihren Schlittschuhen über das Eis. Sie übte wieder den dreifachen Axel. So wie schon seit Wochen.
Eigentlich hatte ihn Eiskunstlauf nie interessiert, aber sie,- sie war richtig gut. Und er hatte sich immer für alles interessiert, was sie tat.
Keinen einzigen Lauf von ihr hatte er verpasst, wenn er nicht selbst hatte schwimmen müssen.
Auch sie hatte hier nicht ein Turniere von ihm verpasst, wenn sie nicht gelaufen war.
Nicht eins. Sie hatte ihn immer am lautesten angefeuert. Gejubelt und geschrien, wenn er angeschlagen hatte.
Aber das war nun nicht mehr von Bedeutung.
Er stieß sich mit der Hüfte von dem Treppengeländer ab und trat langsam Stufe für Stufe herunter.
"Los! Schwimm! Bei den Göttern, schwimm!" ihre Stimme dröhnte laut in seinem Kopf, während er langsam Stufe für Stufe hinunterstieg.
Er verfolgte sie mit den Augen, wie sie, die Hände hinter dem Rücken übereinander gelegt, über das Eis glitt.
Ihr aschblondes Haar, hatte sie heute zu einem hübschen Dutt geflochten und gedreht.
Das hübsche Ding.
Nie würde er vergessen, wie er sie das erste Mal gesehen hatte.
Auch ganz in schwarz, das Haar zu einem hohen Zopf gebunden, dezent geschminkt war sie über das Eis geglitten. Hätte er sich damals bei dem Sportfest, wegen den Umbaumaßnahmen der Sportanlage, auf der Suche nach den Umkleiden nicht verlaufen, wäre er nie in der Eishalle rausgekommen.
Da hatte er sie dann gesehen.
In einem Tempo, wie er es noch nie gesehen hatte, war sie über das Eis beinahe geflogen. Eine Pirouette nach der anderen drehend.
Er wusste noch genau, dass er gefühlt stundenlang dagestanden war, bis sie ihn dann schließlich gesehen hatte.
Ein leichtes Lachen hatte er sich nicht verkneifen können, als sie, ihn anstarrend, die Kufe ihrer Schlittschuhe schief aufgestellt hatte und schließlich gestürzt war. Doch so schnell, wie sie auf dem Eis gelegen war, war sie auch wieder aufgestanden und langsam auf ihn zugeglitten.
Ja und dieses Lächeln schließlich war es gewesen welches ihn beinahe um den Verstand gebracht hatte.
Doch das lag nun schon beinahe ein Jahr zurück. Seit dem war alles anders.

Sie drehte sich in ihrer Pirouette so schell, dass vereinzelte Haarsträhnen sich aus ihrem Dutt lösten und wild durch die Luft flogen. Kleine Eissplitter flogen durch die Luft, als sie mit der Außenkannte ihrer Kufe bremste, ein Bein im Halbreis hinter sich schwang und so noch wenige Meter rückwärts fuhr.
Aber dann...
Dann sah sie ihn. Das rote Haar, welches knapp bis zu den Schultern reichte, zu einem Pferdeschwanz zusammengefasst, aus dem vereinzelte Strähnen heraushingen.
Die Hände tief in den schwarzen Hosentaschen vergraben, stand er hinter der Bande der Eisfläche und starrte sie an. Er hatte sie schon oft vom Training abgeholt, wenn er früher als sie fertig war.
Doch das war anders. Er lächelte nicht wie sonst. Wie versteinert stand er hinter der Bande, schob die Hände noch tiefer in die Hosentaschen, zog die Schultern zurück und seine Augen hatten einen Ausdruck welchen sie nicht zuordnen konnte. Es war keine Trauer, es war etwas tiefer gehendes.
Er musste nichts sagen. Sie konnte es in seinen Augen ablesen.
Er kam nicht um sie abzuholen.
Der leichte Tränenkranz über seinen unteren Wimpern, bestätigte ihre Annahme.
Es war also soweit. Das was sich seit Wochen, wenn nicht sogar seit wenigen Monaten angekündigt hatte trat nun also ein.
Sie ballte ihre Hände zu Fäusten und atmete tief ein, ehe sie die Schultern zurückzog. Heiße Tränen stiegen ihr in die Augen und sie spürte, wie ein sich ein Gewicht auf ihre Brust senkte. Ein schmerzhaftes Gewicht, welches verhinderte, dass sie richtig atmen konnte.
Trotz den brennenden Tränen in ihren Augen und dem Schmerz in ihrer Brust, holte sie noch einmal stockend, flach Luft und zog die nun blassen Lippen zu einem leichten, fast unscheinbaren Lächeln.
Während sie ihm tief in die Augen sah, nickte sie einmal leicht. „Ist okay.- Es ist okay." flüsterte sie tonlos und begann auf ihren Kufen langsam rückwärts zu gleiten. In einer eleganten Bewegung, drehte sie sich auf den Kufen herum und fuhr auf der ihm gegenübergelegenen Seite zur Bande.

„Yukiko!" bekam er nur spärlich heraus, als sie ihre Schlittschuhe auszog. Er stand noch immer an der gleichen Stelle, die Hände fest zu Fäusten geballt. Sie öffnete ihren Dutt und ihr eisblondes Haar, hier und da mit pastellfarbenen Strähnen durchzogen, fiel ihr über den Rücken und die Schultern. Sie schüttelte das gewellte Haar einmal auf und sah dann über die Schulter zu ihm nach hinten. Ihre kristallblauen Augen brannten sich tief in seine roten und er hielt die Luft an.
Er zog die Schultern noch weiter zurück, während er ihren eisernen Blick erwiderte.
Sie atmete auf, als würde sie quer über die Eisfläche noch etwas sagen sollen, doch es blieb ihr mitten im Hals stecken. Es war als würde ihr ein Reisbällchen im Hals liegen, welches verhinderte, dass sie auch nur Ton sagen konnte.
Also holte sie noch noch einmal stockend Luft, griff sich ihre Schlittschuhe und wandte ihm den Rücken zu.
Er blieb allein zurück, als die schwere Hallentür laut hallend hinter ihr zufiel.

Schmetterlinge(Free! Rin FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt