"All das hier... findet ohne Gefühle statt"

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Minuten waren vergangen. Doch nicht nur Minuten. Es waren Stunden, Tage fast Monate seit jener Nacht, seit jenem Morgen und seit jenem Frühstück. Zeit, die sich für Annalena wie Minuten anfühlten, als haben ihre Finger eben noch die Gold braune Haut berührt, als glitten diese eben noch durch Honigblonde Locken. Aber Zeit, in denen sie sich auf ihr Leben und ihre Familie konzentrierte. Zeit, in der sie für die Fragen und die Momente einen Platz in ihrem Herzen geschaffen hatte. Aber auch Zeit in der sie ihre Rolle spielte, ihre Gedanken wegschob und versuchte allen Ansprüchen gerecht zu werden. Allen, außer wahrscheinlich ihren.

Sie hatte Melanie gesehen.

Ja.

Einige Male.

Bei jedem Mal wurde es weniger komisch, aber bei jedem Mal wurde es auch mehr distanzierter. Für Annalena wich der Schmerz einer Gleichgültigkeit und einer Dankbarkeit. Dankbarkeit für kleine Momente. Für das was Melanie ihr gab, für das was das Leben ihr gab. Und sie stellte keine Erwartungen. Die mutige, liebesdurstige und sensible Annalena, so war sie sich sicher, hatte sie in diesem Hotelzimmer gelassen. Und nach einer ewigen Achterbahnfahrt, war das okay.

Sie stellte ihr Sektglas vorsichtig auf die Tischplatte vor sich und sah den Mann ihr gegenüber an. Vor ihr saß ein müder und etwas duseliger Robert. Nach einem langen Abend voller Arbeit und Organisation hatten die beiden es sich auf Annalenas Bürosofa gemütlich gemacht und sprachen über Gott und die Welt.

"Aber weißt du", begann Robert seinen Satz und setzte sich einmal ordentlich auf die Sofakante "aus diesem Grund bevorzuge ich blaue Hosen statt schwarze".

Annalena kicherte. Was für eine Tiefgründige Endung ihres aktuellen Gesprächsthemas. Einen Moment lang schwiegen beide sich an, jeder ging seinen Gedanken nach. Dann räusperte Robert sich und fragte in einem viel klareren Ton als zuvor:" Was ist passiert an jenem Abend, als du dich gegen das Taxi und für einen Spaziergang entschieden hast?" ​

Annalena lachte und schaute zu ihm herüber. Sie hinterfragte nicht warum er jetzt in diesem Moment einen Gedanken an jenen Abend verschwand. Stattdessen schaute sie ihn regungslos einige Sekunden an.

"Es ist nur so", fuhr er fort "das ich in dieses Taxi gestiegen bin und als ich wieder ausstieg habe ich gefühlt, dass du etwas verloren hast.."

"Ich habe etwas verloren?" fragte Annalena ruhig, blickte auf ihre Beine und strich über ihr rotes Kleid.

"Dein Funkeln." sagte Robert leise.

Annalena hob ihren Kopf.

"Das Funkeln in deinen Augen, das Funkeln das du in dir getragen hast seit du Außenministerin bist, seit.."

"Umstände ändern sich." sagte Sie kühl und schenkte ihm ein leichtes Lächeln. Vorsichtig stand sie auf und fischte nach dem Glas auf dem Tisch. Sie leerte es in einem Zug und stellte es in den Korb mit dreckigem Geschirr. Dann ging sie langsam Richtung Tür. "Vielleicht hätten diese Umstände sich nicht ändern sollen." sagte Robert, aber wusste das er keine Antwort zu erwarten hatten. Stattdessen erhob er sich ebenfalls lächelte Annalena nochmal an, bevor diese Wortlos das Zimmer verlies.

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Ja, vielleicht hätten diese Umstände sich nicht ändern sollen. Aber das hatte sie nicht entschieden. Sie hatte sich gefügt und sie lebte damit. Das es so war half ihr allerdings dabei das Bild was die Menschen in ihrem Umfeld, das Bild was sie selbst und das Bild was die Gesellschaft von einer Frau wie ihr malte zu erhalten. Sie sah hoch in die herbstlich roten Blätter, die von den Sonnenstrahlen in ein warmes Licht getaucht wurden. Sie kickte einen der kleinen Steinen, auf dem Weg den sie gingen, vor sich her und hörte Roberts Stimme schon fast monoton im Hintergrund rauschen. Sie waren bei einem offiziellem Termin, ein offizieller Spaziergang. Eigentlich lächerlich und doch vermittelt dies so viel Nähe für die Menschen außerhalb der politischen Welt.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Jun 19, 2023 ⏰

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