Stalker

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Mein Herz schlug schneller und schneller, je näher ich dem Gebäude kam. Es pochte rasant gegen meine Brust und schrie vor Freude. Aufgeregt schlich ich mich durch die Schatten der Nacht und grinste schon hunderte Meter vor meinem Ziel unablässig. Vor dem Gebäude strahlten grelle Scheinwerfer auf den Parkplatz rundherum und ich entschied mich dafür, von der Rückseite weiter heranzuschleichen. Vor Aufregung konnte ich kaum noch schlucken. Ich klappte die kleine Videokamera in meiner rechten Hand auf und schaltete die Nachtsicht ein, dann schlich ich mich näher heran. Ich hörte dumpf den Bass durch die Wände dröhnen und zog einen kleinen Block aus meiner Jackentasche. Ich durchsuchte ihn wie verrückt und fand schließlich den Zettel, auf den ich hatte schauen wollen. Es war eine Liste mit allen Liedern, die ich von hier draußen immer hörte. Ich musste herausfinden, welches er am liebsten mochte! Ich setzte einen Strich hinter das entsprechende Lied. Damit hatte dieses bisher am meisten Striche. Ganze 37! Zufrieden steckte ich den Block wieder ein und näherte mich meinem Ziel erneut. Das schmale Fenster, aus dem bläuliches Licht fiel, war der beste Ort, um ihn zu beobachten. Ich kniete mich also davor nieder und sah in den Raum hinein. Da war er! Mein Herz setzte bestimmt vier Schläge aus, die es dann alle innerhalb weniger Sekunden wieder aufholte und mich mit Adrenalin überströmte. Ich filmte sofort mit meiner Kamera alles mit, ich musste alles aufnehmen! Meine Wangen glühten förmlich vor Hitze, die meinen gesamten Körper durchsiebte. Kein Wunder, er sah heute wieder so gut aus! Ich achtete wie immer darauf, dass mich keiner der Blicke von drinnen traf und filmte fleißig weiter. Ein neues Lied wurde abgespielt, woraufhin ich augenblicklich wieder die Liste hervorzog. Ebenfalls notierte ich mir, welche Kleidung er heute trug. Begeistert musterte ich ihn, wie ich es immer tat. Die beiden anderen störten mich, ebenfalls wie immer, manchmal verdeckten sie mir die Sicht, woraufhin ich sie am liebsten aus der Bahn geräumt hätte... Aber dann wäre er traurig, so dachte ich betrübt und beobachtete ihn weiter. In dem kleinen Zimmer mit den gedimmten Lichtern stand die schwarze Shisha, an der alle drei immer wieder zogen. Allmählich füllte sich der Raum mit Rauch, doch darauf achtete ich gar nicht. Ich sah nur ihn an, so, wie ich ihn immer ansah. Er sah göttlich aus, unvergleichlich schön und ich hyperventilierte fast, als er aufstand und den Rauch, den er noch in seiner Lunge trug in die Luft blies. Es sah so wunderschön aus, ich konnte seinen ganzen Körper sehen! Bedauerlicherweise war er jetzt nicht zu Hause, er duschte fast jeden Abend. Dabei hätte ich ihn lieber beobachtet, aber Hauptsache ich sah ihn überhaupt! Er lachte und mein Herz schlug Saltos. Seine tiefe Stimme ertönte und er strich sich durch die gefärbten Haare. Aufgeregt und fasziniert nahm ich jede seiner Bewegungen auf. Als er seine Jacke auszog, spürte ich Speichel von meinem Kinn auf den Boden tropfen. Jeder Millimeter, den ich mehr von seiner Haut sah, machte mich wahnsinniger. Am liebsten wäre es mir gewesen, hätte er alles ausgezogen, doch vor seinen Freunden würde er das wohl nicht tun... Die Tattoos auf seinen Armen hatte ich schon tausende Male abgezeichnet und versucht hinter deren Bedeutung zu kommen. Sie beschäftigten mich Tag und Nacht. Nein, er war es. Er beschäftigte mich Tag und Nacht! Alles an ihm, ja, wirklich alles! Ich wischte mir den Speichel von den Lippen und beobachtete weiter, wie die drei jungen Männer ihre Zeit zusammen verbrachten.

Ich spürte Tränen in mir aufsteigen, als sie gingen, doch immerhin hatte ich zwei Stunden Videomaterial und es war ohnehin Zeit für mich, nach Hause zu gehen. Ich wäre am liebsten nicht zurück zur Wohnung gegangen, sondern hätte ihn weiter verfolgt und beobachtet. Aber irgendwer musste die ganzen Bilder ja entwickeln und ich musste noch die schönsten aus dem Video heraussuchen!

Als ich zu Hause ankam, betrat ich immer noch aufgeregt meine Wohnung, die ich erst seit kurzem bezogen hatte. Die Wände und auch die Decke waren mit Bildern gepflastert und ich grinste verliebt, als ich an ihnen vorbeilief. Vor manchen kniete ich auch nieder und streichelte sie minutenlang. Bilder von was? Na, von ihm natürlich!

Ich hatte mir auch eine Puppe gebastelt. Und meine Bettwäsche selbst gestaltet. Natürlich zeigte sie ihn, ja, ohne ihn könnte ich doch niemals einschlafen! Wenn ich es tat, dann träumte ich nur von ihm, manchmal träumte ich auch, dass ich ihn berührte und wachte dann auf eine ganz andere Weise aufgeregt aus und... Na ja, ihr wisst schon.

Egal, erst mal musste ich mich um das Filmmaterial kümmern. Um fünf Uhr morgens war ich zufrieden damit und sah es mir wieder und wieder an, während ich im Hintergrund ein neues Video auf meinen Kanal hochlud. Traurig betrachtete ich die alten Videos, die ich noch mit ihm zusammen aufgenommen hatte, doch die Musik war ihm jetzt wichtiger geworden... Da konnte ich nichts machen, es war seine Entscheidung, aber ich vermisste die Zeit, in der wir uns noch so nahe gestanden hatten. Natürlich redeten wir noch, aber so viel weniger als früher, dass es mich wirklich, wirklich traurig machte... In meinem Zimmer hingen reihenweise Utensilien, die ich von ihm ergattern konnte. Zum Beispiel eine alte Jacke, an der ich jeden Abend roch. Und natürlich ein paar Essensreste... Die hatte ich luftdicht verpackt, damit sie nicht so übel rochen. Aber niemand konnte mir ausreden, sie zu behalten, denn sein Speichel klebte noch daran... Nachts war ich auch einmal in seiner Wohnung, ich habe Boxershorts von ihm gefunden und war vor Glück beinahe umgekippt. Jetzt hingen auch sie an der Wand. Überglücklich kümmerte ich mich auch um die restlichen Utensilien, ehe ich ins Bett fiel und von ihm träumte.

Gott war mir wohl gnädig, als er mich am nächsten Tage anrief...

„Das ist echt so was von creepy man...", murmelte Taddl. „Schon...", stimmte ich ihm vorsätzlich zu. Ich redete mit Taddl im TS und erstellte derweil das ein oder andere Thumbnail. „Woher haben die meine Adresse überhaupt?!" „Wer weiß... Stalker eben", seufzte ich scheinheilig. „Das geht aber eindeutig zu weit! Ich kenne die nicht und die kennen mich nicht! Oder sie bilden sich ein mich zu kennen..." „Klingt eigentlich eher nach einer Einzelperson, wenn du mich fragst!" „Ah ja? ...Gut, eigentlich schon... Muss ein ziemlich dreister Mensch sein..." Taddl klang ein wenig bedrückt, aber auch wütend. „Hm... Es ist schon eine komische Sache..." „Das sowieso..."


Eine kurze Redepause entstand, in der Taddl vor sich auf den Tisch blickte und versuchte, sich das, was er sah, einfach wegzudenken. Vor ihm lagen Briefe, hunderte. Und noch viel mehr kleine Zettelchen, die sich in ihnen befanden oder befunden hatten. Auf jedem stand in teils leserlicher, teils eher unordentlicher, aber eindeutig ein und derselben Handschrift ''Ich liebe dich''. Absender unbekannt. Seit zwei Wochen trudelten jeden Tag mindestens zehn Briefe für Taddl ein, ein jeder enthielt Zettelchen mit jener liebreizenden Botschaft. Das gefiel ihm gar nicht. Wer auch immer das tat, war wohl dezent krank im Kopf! Man konnte ihm ja wohl nicht erzählen, dass das normal sei. Und Taddl verabscheute Fanatismus sowieso.


„Die Person muss dich aber sehr gern haben, hm?", fragte ich nach einiger Zeit. „Keine Ahnung... Vermutlich schon, ja..." „Das verstehe ich." „Wie meinst du das..?" Peinliches Schweigen. „N- na ja, ich wollte nur sagen, dass-" „Schon gut", unterbrach Taddl mich. Ich war dankbar dafür, dass Taddl mich grade nicht sah. Die Röte in meinem Gesicht klang auch erst nach geraumer Zeit langsam wieder ab. „Ich...muss dann mal was erledigen...Tschö!", sagte ich plötzlich. „Manu, warte, was-"


User left your channel."


Ich atmete erleichtert auf. „Puh... Das war knapp! So was sollte mir nicht nochmal passieren!" Ich starrte noch eine Weile angespannt auf den Monitor, doch dann lächelte ich. Glücklich vor mich hinsummend nahm ich mir einen Kugelschreiber. „Ach Taddl...", seufzte ich schwärmerisch und setzte mit der Spitze auf dem kleinen Notizzettel an, der mit einer Vielzahl von Artgenossen auf dem Schreibtisch lag.


Der Zettel wurde schwungvoll mit drei Worten beschriftet und ein verliebt lächelnder Manuel kritzelte noch ein Herz dahinter. „Du musst ja nicht wissen, dass ich sie schreibe, oder?", kicherte er und griff nach einem neuen Zettel.


- Höhö, ein kleiner Stalker-Manu ;3 Gefällt mir gut irgendwie xD Ich kann mehr so'n Bullshit schreiben, wenn ihr wollt :D Danke erstmal für die Idee an Schimmi :3 (Ich widme den OS natürlich dir!) Und ja ich habe bewusst die Perspektive des Verfassers verändert, um die Stellen rauszuheben. Stilistische Mittel und so. Danke LG. Ich mache Deutsch LK. Ich darf das. -



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⏰ Letzte Aktualisierung: Jun 07, 2015 ⏰

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