Teil 1: Casting - Vor dem Auftritt

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"Dir sind nur Mädchenherzen sowieso egal" 1233 Wörter


"Ist es nicht Scheiß egal was du anziehst? Es sollte immerhin um deine Stimme gehen." Mein dunkelhaariger WG-Mitbewohner mit dem Namen Luke seufzte und warf dann einen erneuten Blick auf sein Handy. Ich rollte mit den Augen und zog mir das weiße Tshirt über den Kopf, nur um es danach im hohen Bogen auf ihn zu werfen.  "Louis!"

"Es geht wohl schon darum wie er aussieht und wie viele Mädchenherzen er für sich gewinnt. Wahrscheinlich sogar eher darum als um seine Stimme." Mein rothaariger bester Freund hatte aufgehört sich mit meinem Hund Clifford auf dem Boden zu wälzen und sah nun zu mir hoch. "Zumindest war es das, was man bei der Show in den letzten Jahren so gesehen hat."

"Bin immer noch dafür, dass du das sausen lässt und dich bei einer anderen Show bewirbst."

"Ich wollte dahin seit ich die Show zum ersten Mal gesehen habe. Natürlich geht es bei anderen Castingsendungen eher um die Stimme, aber ich möchte auch gerne neue Menschen kennenlernen und eine Art Gemeinschaft aufbauen, wo alle das gleiche Ziel verfolgen", fing ich an mich zu rechtfertigen und entschied mich dann doch für das graue Shirt welches ich vor fünfzehn Minuten an den linken Holzsockel meines Bettes gehangen habe. "Da sind mir auch die Mädchenherzen egal."

"Dir sind nur Mädchenherzen sowieso egal", schmunzelte Oli und wackelte mit den Augenbrauen.

Grinsend schüttelte ich den Kopf, gab Clifford einen Kuss auf den Kopf und ließ meine beiden Mitbewohner in meinem Zimmer zurück um mich noch im Bad frisch zu machen, bevor ich mich in den Zug nach Köln setzen würde.

Vor meinen besten Freunden und meiner Familie hatte ich mich erst vor knapp zwei Jahren geoutet und da war ich bereits mit meinem Exfreund zusammen gewesen. Es hatte sie mehr geschockt als mich, obwohl ich so lange gebraucht hatte um es für mich festzumachen und doch haben sie es im Nachhinein wirklich gut aufgenommen. Meine Mum hätte am liebsten schon die Hochzeit geplant und war am Boden zerstört gewesen, als es vor knapp vier Monaten mit uns zu Ende ging. Zwar im Guten, aber leider hatten wir doch nicht mehr ganz so viel Kontakt wie wir es bei der Trennung gedacht hatten.

Seitdem lebte ich mich mit meiner bisexualität im privaten Rahmen aus, war aber noch nicht dazu bereit, es jedem direkt zu zeigen oder zu demonstrieren. Auch der breitere Rahmen meiner Familie und die Menschen in der Uni wussten nicht darüber Bescheid. Ich merkte auch wie mir genau dies gerade eine Sorge nahm, die sonst womöglich bei der Show breitgetreten worden wäre. Denn ich wollte dort nicht als der Mann auffallen, der auch mit Männern schlief. Bei dem kreis der über mich Bescheid wusste war die Wahrscheinlichkeit das sie es ausplaudern gleich Null.

Ich putzte mir nochmal die Zähne und schnappte mir kurzerhand meine Cappy, für den Fall das ich mich in der Menge ein wenig unsichtbarer machen und der Sonne aus dem Weg gehen wollte. Nachdem ich in meine Vans geschlüpft war rief ich ein "Ich bin weg!" durch die Wohnung und bekam, noch immer aus meinem Zimmer, ein "Viel Erfolg" im Duett zurück. Kurz darauf schloss ich die Tür hinter mir und hüpfte die Treppen hinunter.

So als wollte mir das Schicksal an diesem Tag etwas Gutes tun, kam sogar mein Bus zum Bahnhof pünktlich und mein Zug hatte ebenfalls keine Verspätung. Während ich mir schon mal die Adresse der Studios, in welchen die Castings stattfinden würden, raussuchte, erinnerte ich mich an die Vor-Castings und meine Unsicherheiten, die ich dabei gehabt hatte, zurück.

Auch wenn es allgemein bekannt war, dass es aus Zeittechnischen Gründen nicht möglich war alle Kandidaten zum normalen Casting vor die Jury zu schicken, hat es mich doch gewundert, nach was für Informationen ich dort gefragt worden war. Der Truck kam damals in unsere Nähe und an jenem Tag hatte ich beschlossen, es einfach mal zu versuchen, immerhin hatte ich ja nichts zu verlieren.

Beyond the Voice | Interaktive Larry GeschichteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt