1. Kapitel

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"...eine von uns…”, hallte es in meinen Ohren und ich erwachte. Ich sah mich um und sah, dass ich in meinem Bett saß und meine Kleidung war schweißgebadet. Schon wieder dieser verrückte Traum, dachte ich mir. Es war schon ein seltsamer Traum gewesen, aber ich habe ihn jetzt schon zum 5. Mal geträumt , ist mir immer noch ein Rätsel. Vielleicht liegt es am baldigen Vollmond oder dass ich schon lange nicht mehr so richtig ausgeschlafen habe. Mir fiel die Antwort einfach nicht ein. Plötzlich hörte ich die schrille Stimme meiner Tante, die schrie: "Clara! Steh auf und geh Frühstück herrichten! Die Mädchen stehen schon bald auf!” Mit einer genervten Miene stand ich widerwillig auf. Dass ich nicht ihr Dienstmagd bin, weiß sie eigentlich, aber sie behandelt mich so. Mit den Mädchen meinte sie ihre beiden Töchter Sina und Tina, die nebenbei auch gesagt Zwillinge sind und ich sie immer noch nicht auseinander kenne. Ich lebe, seit ich mich erinnern kann, bei meiner Tante im Haus. Als ich 10 wurde, sagte sie, ich solle im Haushalt anfangen zu helfen. Doch ihre verwöhnten Töchter mussten, als sie 10 wurden, nur noch den Finger krümmen und sie bekamen einfach alles. Mit einer miesen Laune begann ich, die Teller und das Besteck aus den Regalen zu holen und den Tisch zu decken. Da hörte ich ein Hupen und ging nach draußen, um das Brot vom Bäcker zu holen. " Na, gut geschlafen?”, fragte er mich mit einem Grinsen bis über die Ohren. "Geht so”, antwortete ich ihm und ging wieder ins Haus, ohne ihm noch eine weitere Beachtung zu schenken. Kaum war das Frühstück auf dem Tisch, kamen die Zwillinge und fingen an, sich zu zanken, wer was und wie viel jeder bekommt. Ich hörte meine Tante kommen und dachte, sie hätte endlich einmal etwas gesagt, doch das Gegenteil passierte. "Es ist doch für alle genug da”, sprach sie ruhig, doch die Zwillinge ignorierten sie völlig und stritten weiter. Nach dem Essen befahl meine Tante, in die Stadt zu gehen, um den Wocheneinkauf zu erledigen. Ich gehorchte und machte mich auf den Weg. Unser Haus liegt tief im Wald, daher ging ich den Waldweg entlang, da es bei der Straße zu gefährlich war. Auf halbem Weg merkte ich, dass ich verfolgt werde und drehte mich um. Zu meiner Erleichterung erkannte ich nichts und so blieb es auch bis in die Stadt. Ich kaufte ein und kam vor einem Comicladen kurz zu stehen. Ich liebe diese Dinge über alles und hütete die alten Comics von meinen Cousinen, die sie nicht mehr brauchen, wie einen Schatz. "Nein” , dachte ich mir, "bleib stark.” Ich ging, ohne noch einen Blick darauf zu werfen, weiter und machte mich auf den Weg nach Hause. Daheim hätte ich mich am liebsten in meinem Zimmer, das eine kleine Abstellkammer unter der Treppe ist, zusammengerollt und mich verkrochen. Doch es erwarten mich schon die nächsten Aufgaben. Wenn sich nicht bald etwas ändert, werde ich hier verrotten, dachte ich mir. Da meine Cousinen morgen Geburtstag feiern, schickt mich meine Tante in eines unserer Waldstücke, um Brombeeren für den Kuchen zu sammeln. "Wieso ich?", fragte ich meine Tante leicht genervt, "Die Zwillinge haben doch leicht Zeit und es ist doch ihr Kuchen." "Mit den Zwillingen gehe ich noch einkaufen”, erklärte mir meine Tante genervt, "So geh los und komm nicht ohne einen vollen Korb Beeren zurück!” Ich hörte die Zwillinge hinter mir und den Rücken ihrer Mutter gackern und so scherte ich mich Richtung Wald davon. Es ist Sommer und ich fand bald ein paar Sträucher und der Korb fing langsam an sich zu füllen. Schon nach kurzer Zeit hatte ich den Korb halb voll mit köstlich duftenden Beeren gefüllt. Doch da stellten sich all meine Nackenhaare auf. Ich erschrak und sah, wie ein kastanienfarbener Wolf erschien. Ich wollte abhauen, doch mein Körper rührte sich nicht. So kam der Wolf näher und näher, bis er nur noch zwei Meter von mir entfernt stand und mich mit seinen karamell braunen Augen ansah. Wieso rannte er nicht weg? Irgendwie kam mir das komisch vor. Ein Wolf im Wald und noch dazu am helllichten Tag. Ich warf ihm eine Brombeere zu, die er wie ein kleiner verspielter Welpe aus der Luft fing und sie hastig erschlang. "Sorry, Kleiner, mehr bekommst du nicht mehr”, sagte ich leise. Ich füllte den Korb voll und machte mich auf den Weg nach Hause, da er bereits zu dämmern begann. "Wiedersehen, Kleiner”, sagte ich und ging auf den Waldweg, von dem ich gekommen war, hielt aber noch einmal inne und sah zurück. Der Wolf war verschwunden. Ich dachte noch einmal die Geschichte im Kopf durch und erkannte, wie albern sie eigentlich war. So kam es, dass ich nicht mehr daran dachte und sie bis zu Hause vergaß. "Wo warst du solange?!”, schnauzte mich Tina an und Sina erwiderte:"Wahrscheinlich musste sie noch ihr Gehirn suchen und merkte, dass sie keines hat!” Die Zwei begannen wild zu gackern. "Und jetzt her mit den Beeren, Mama wartet schon sehnsüchtig darauf ”, schnauzte mich Tina an und riss mir den Korb aus der Hand. Niedergeschlagen folgte ich den beiden in die Küche. "Wo warst du so lange?!”, schnauzte mich nun auch meine Tante an. "Im Wald Beeren sammeln,so wie du es mir aufgetragen hast. ", erwiderte ich und ging in mein Zimmer. Ich rollte mich zusammen und fand bald Schlaf. Doch der Wolf ging mir nicht aus dem Kopf…
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Clara, das Wolfsmädchen Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt