Seufzend wippte ich auf meiner Strandmatte auf und ab, den Blick weit und unbestimmt in die Ferne gerichtet. Neben mir hat mein dünnes Taschenbuch Platz gefunden. Es regte mich noch immer unfassbar auf, wie sehr der Transport in meinem Koffer das arme Papier und die Einfassung des Buchrückens beschädigt hatte, aber immerhin konnte ich es nun unbeschwert mit an den Strand mitnehmen, wo sich hin und wieder das ein oder andere Sandkorn zwischen den leicht vergilbten, dünnen Seiten niederließ, und sich dort festsetzte.
Seit meiner Ankunft hatte meine leicht gebräunte Haut schon vier unglaublich nervig juckenden Mückenstiche als Souvenir gesammelt, und ich konnte kaum die nicht lackierten Nägel davonlassen.
Der Strand erstreckte sich sowohl zu meiner Linken als auch zu meiner Rechten in die Weite, doch kaum etwas von den feinen Körnern um mich herum befand sich in Nutzung. Tatsächlich hatten sich nur fünf weitere Leute in meiner Nähe platziert. Die meisten hatten sich in ihre Wohnungen zurückgezogen und mieden den Strand aufgrund einer Sturmwarnung, doch dies veranlagte mich nur umso mehr, mich an das Meer zu begeben. Ich genoss den Frieden und die Leere um mich herum, es hatte etwas befreiendes, friedvolles an sich.
Momentan war Flut, und das Meer schob sich langsam nähernd immer weiter voran in meine Richtung. Die Wellen wirkten größer als sonst, das Wasser aufgewühlter, vom heulenden Wind angetrieben, welcher meine Frisur auflöste, und mir meine blonden Strähnen in die Augen pustete. Ich schob sie hinter meine Ohren, wo sie sich jedoch direkt wieder selbstständig machten, und wie wild in alle Richtungen um meinen Kopf herumflatterten.
Der Wind hatte eine leichte Gänsehaut auf meinen Armen und Beinen hervorgerufen, und ich genoss, wie sich die viel zu schwere, schwüle Luft durch kältere, angenehmer zu atmende ersetzte, und wie die grauen Sturmwolken über den Himmel jagten, als seien sie in ein Fangspiel verwickelt, und jede einzelne von ihnen wollte nichts lieberes, als gewinnen. Irgendwo versuchte sich krampfhaft, die Sonne durchzukämpfen, doch es war aussichtslos, und schon bald ergab sie sich ihrem Schicksal und ließ den Wolken den Vorrang, den Himmel zu schmücken.
Mich umgab dieses beruhigende Gefühl von Unendlichkeit und absoluter Freiheit, während ich im Sand saß, die Beine dicht an den Körper gezogen, um Wärme zu bewahren, und der Wind mit meinen Haaren spielte und mit seinen kühlen Fingern sanft über meine aufgeheizte Haut strich, sich mit seinen eisigen, unsichtbaren Händen an mich schmiegte und presste. Dieses leise, stetige, entspannende und doch zugleich aufgewühlte, wütende Rauschen der Macht des sich aufbrausenden Sturmes schuf wie immer eine Klarheit in meinem Kopf, die ich nirgendwo sonst verspürte, als in der kalten Brise.
Mit tiefen Atemzügen nahm ich die salzige Seeluft in mich auf und schloss die dunkelbraunen Rehaugen, welche wie der Sturm selbst besorgniserregend tief, tobend und weit weg erschienen, und doch viel zu nahe.
Manchmal wünschte ich, ich wäre leicht genug, und der Wind hätte so eine Stärke erlangt, er könne mich mit sich forttragen, so wie er durch die vergoldeten Herbstblätter der Bäume streicht, wenn sich das Jahr langsam auf den Winter vorbereitet und sich dem Ende neigt, sie von ihren Ästen trennt und mit sich in die ungewisse Ferne und Zukunft reißt, manche mit dem Glück weit weg von ihrem Ursprung zu landen und dort ihrem neuen Schicksal entgegentreten dürfen. Ich wollte, dass der Wind mich unter den Armen packt und hochhebt, anstatt nur meine Haare davontragen zu wollen, und mich aus meiner Vergangenheit hob und mich vergessen ließ, mir ein Gefühl der Unbeschwertheit lieferte und Freiheit schenkte, die ich alleine niemals erlangen könnte.
Doch all das waren nur unwirkliche Fantasien, aber ich begann den Fehler, sie nicht aufzugeben. Manche Hoffnungen und Träume sind eben doch aussichtslos, aber sie schenken Trost, und so saß ich im Wind und wartete, genoss die Ruhe vor dem Sturm.
Unglaublich schön, und doch so gefährlich, wenn es zu viel von ihm gibt.