„ Stegi du musst den Schrank noch ein Stück anheben, sonst kommen wir die Treppe nicht hoch." Ächzend ließ ich den Schrank auf der halben Treppe sinken und schüttelte meine Arme aus. Ich hatte einfach keine Kraft mehr. Meine Unterarme machten zu und meine Finger waren total weiß, weil mir der Schrank die Blutversorgung abdrückte. Hätte Basti nicht so nen schiss sich anderen Leuten zu zeigen, hätte ich sicher ein paar Freunde gefragt, ob sie uns bei dem Umzug helfen würden. „ Wenn's so schlimm ist, machen wir gleich erstmal ein paar Minuten Pause. Der muss aber noch in die Küche." Sollte ich jemals noch mal umziehen und das vorher wissen, würde ich mit Krafttraining anfangen. Dann war ich auch nicht dauernd so kaputt. Basti lächelte mich entschuldigend an, bevor er erneut unter die Kante griff. Also griff auch ich unter den Schrank und hob ihn hoch. Die letzten Stufen waren echt eine quäl, doch letzten Endes fand der Schrank seinen gewünschten Platz in der Küche. Erleichtert seufzend ließ ich mich direkt mit auf den Boden fallen. Sofort stach mir wieder das blasse Lila der Wandfarbe ins Auge. Ich fragte mich echt, wie man seine Küche in so einem Ton streichen konnte, aber es passte irgendwie und wir würden es erstmal auch so lassen. Hauptsächlich nur, weil keine von uns Lust gehabt hatte diesen Raum auch noch zu streichen. Mein Blick wanderte weiter zum Fensterbrett, wo eine einsame Geranie stand. Das einzige bisschen grün in dieser Wohnung. Ich wusste noch genau, wer sie mir geschenkt hatte. Tim der Lappen hatte einfach nur noch eine Art Halterung für sein wunderschönes Schild gebraucht und mir daraufhin diese Geranie geschenkt. Bei Basti standen allerdings noch ein paar Topfpflanzen rum, die heute auch noch hier mussten. Mir graute es davor heute auch noch die Sachen aus Bastis Wohnung zu holen, aber wir hatten den Umzugswagen nur heute buchen können und wir mussten beide aus unseren Wohnungen raus. „ Bleib noch ein bisschen sitzen, ich hol ein paar leichte Sachen hoch." Basti gab mir einen Kuss auf die Stirn und wollte dann wieder runter gehen, doch in mir stieg das schlechte Gewissen hoch. Er sollte das alles nicht alleine tragen müssen. „ Warte ich helf dir." Seufzend rappelte ich mich auf und folgte Basti dann in den Flur. „ Stegi wenn du mir umkippst, oder dir was auf die Füße fällt, haben wir auch nichts davon. Wenn du was machen willst, kannst du den Teppich auspacken, damit wir später das Sofa und den Tisch drauf stellen können. Oder du schaust dir an, wie das Wasserbett aufgebaut wird. Das sollten wir so ziemlich als erstes aufbauen die Tage. Oder du schaust kurz, was in dem Paket hier ist." Damit verschwand Basti aus der Tür und ließ mich mit einer sinnlosen Beschäftigung alleine, damit ich mich ausruhte. Basti war einfach viel zu gut für diese Welt. „ Alternativ kannst du auch nen Einkaufszettel anfangen. Kochen können wir ja noch nicht in der Küche also sei kreativ.", rief Basti mir durchs Treppenhaus zu. Das war wirklich mal was sinnvolles. Heute Abend würden wir einfach essen bestellen, aber morgen sollte etwas da sein. Bastis Eltern würden nämlich vorbeischauen und uns ein bisschen beim aufbauen der Möbel helfen. Darüber war ich sehr froh. Alleine würde es Jahre dauern, bis wir damit fertig waren. Allein schon, weil Basti wenn auch nur ne Stunde jeden Tag streamen wollte. Auch während dem Umzug. Ich konnte verstehen, dass er seine Stream streak nicht brechen wollte, aber gerade war es eher kontraproduktiv. Aber ich nahm es hin. Mein Blick ging kurz zu dem Paket, welches Basti gemeint hatte. Zuber et Cie das müssten die Tapeten für den Flur sein. Das konnte erstmal liegen bleiben. Mit Zettel und Stift, die zum Glück in dem Chaos an Kartons und Schrankteilen noch auffindbar waren, setzte ich mich auf eine Kiste, die uns als Hocker diente und fing an zu schreiben. Wir brauchten auf jeden Fall was zum Frühstück morgen also Toast. Irgendwas zum drauf machen also Käse und irgendwelche Marmelade. Ein bisschen was an Obst und Gemüse. Vielleicht so ne schöne reife Mango. Dazu würde perfekt ein Vanilleeis passen. Das landete ebenfalls auf dem Zettel, sowie Getränke für eine eventuelle Einweihungsfeier. Wenn aber nur im privaten Kreis, ohne unsere Freude von YouTube und Twitch. Also zwei Colaflaschen, Fanta und Sprite. Ob Basti so viel Lust hatte Bowle zu machen, wusste ich nicht, aber es war im Gespräch gewesen. Eventuelle Zutaten schrieb ich in Klammern unten auf die Liste. Das würden wir nachher zusammen entscheiden. „ Mi Amor wenn du nen Einkaufszettel schreibst, schreib noch Textmarker auf. Ich brauch dringend welche." Noch immer lief mir ein Schauer über den Rücken, wenn er mich so nannte. Für mich war es immer noch so unwirklich, dass wir eine Beziehung führten, obwohl es jetzt schon ein halbes Jahr her war. Vielleicht lag es auch daran, dass wir bis jetzt eine Fernbeziehung geführt hatten. Nach unserem Treffen auf der Gamescom vorletzten Jahres, wo wir beide Inkognito waren und uns durch Veni getroffen und kennengelernt hatten, wurde neben den Streams auch immer mehr privat über WhatsApp geschrieben. Ich hatte mich zu dem Zeitpunkt schon verliebt gehabt und Basti hatte es irgendwann in der Zeit, wo wir geschrieben hatten. Das Liebesgeständnis war dann von mir ausgegangen, auch wenn ich mich ein wenig davor gedrückt hatte. Für mich war nicht klar gewesen, ob Basti Gefühle für mich hatte, oder eben nicht. Doch er hatte meine Gefühle erwidert und mir das auf die kitschigste Art und Weise gesagt, die es gab. Ich war dann noch am gleichen Tag zu ihm gefahren. Der erste Kuss war an diesem Tag ausgeblieben, dafür hatten wir den ganzen Tag gekuschelt. Ewig bleiben hatte ich nicht können. Um unsere Beziehung aufrecht zu halten, hatten wir so gut wie jeden Tag Per Video Chat und Face Cam miteinander gesprochen und uns an den Wochenenden gegenseitig besucht. Wobei Basti eher zu mir gekommen war, da ich wegen Cleo nicht weg konnte. Immerhin konnte ich die kleine nicht alleine lassen. Diese ständige Pendelei an den Wochenenden war uns allerdings zu viel geworden, weswegen wir jetzt zusammen zogen. Für die Dauer des Umzugs hatte ich meine Katze bei meinen Eltern unter gebracht. Ich freute mich schon, wenn ich endlich wieder meine kleine schnurrende Katze neben mir im Bett liegen haben konnte. Basti vergötterte die kleine ja mindestens so sehr wie ich, wenn nicht sogar noch mehr. Sobald Basti da war, hatte Cleo sich immer von ihm streicheln lassen und mich nicht mal mit dem Arsch angeschaut. Katzen eben. Draußen hörte ich Basti irgendeine Kiste im Flur abstellen und dann zu mir kommen, was mich aus meiner Träumerei riss. Basti stellte einer weitere kleine Kiste in der Küche ab, auf der mein Schreibtischventilator stand. Oder Venilator, wie Veni ihn letztes Jahr genannt hatte. Ich hatte mir so den Arsch abgelacht, als ich das gehört hatte, woraufhin ich mir direkt wieder hatte anhören dürfen, dass ich wie ein sterbender Delfin klang, wenn ich lachte. Zu seiner Verteidigung. Es hatte fünfunddreißig Grad gehabt und er hatte einen zwölf Stunden Stream hinter sich. Da konnte das Hirn schon mal matsch sein und solche Versprecher raus hauen. „ Es ist nicht mal mehr so viel. Machen wir kurz Pause und danach den Rest zusammen?" Ich nickte nur seufzend und fokussierte mich dann auf den Einkaufszettel. Ich schrieb noch ein paar Sachen auf und ließ Basti die Liste noch weiter ergänzen. Ich wusste, was jetzt auf mich wartete und darauf hatte ich keine Lust. Dennoch raffte ich mich auf und jammerte leise, ging aber mit Basti runter und raffte mich dazu auf die restlichen Schränke und Kisten hoch zu tragen. Es kostete uns zwar nur zehn Minuten, jedoch all meine Kraft. Aber auch Basti schien nicht mehr ganz so fit zu sein. „ Nach dem Umzug machen wir auf jeden fall erstmal ne Woche Urlaub. Irgendwo in Finnland oder so. Da ist es unheimlich schön. Ich will ja unbedingt mal so eine richtige Aurora Borealis sehen." Urlaub brauchten wir auf jeden Fall hier nach. Ich würde aber Strand und Wasser vorziehen. An Weihnachten konnten wir immer noch eine Woche hoch ins kalte fahren. „ Nix gegen Finnland oder deine Entscheidung, aber ich würde wenn ans Wasser fahren und im Winter hoch nach Finnland. Ist da die Wahrscheinlichkeit nicht auch höherer sowas zu sehen? Ansonsten kannst du ja nach Finnland auswandern." Basti schien mit meinen Vorschlag einverstanden zu sein, aber wegen irgendwas überlegte er. „ Keine Sorge ich bleib bei dir. Aber ich hab echt mal überlegt ein Auslandsjahr in Schweden zu machen. Was hältst du denn von Spanien? Am Strand im Abendschein sitzen, den Sonnenuntergang beobachten und irgendwo in der Ferne leise spanische Lieder auf einer Ukulele. Würde doch zu uns beiden passen. Ich kann dir auch ein bisschen spanisch beibringen, wenn du willst." „ Willst du mir gleich noch sagen, wie die Flagge von Spanien aussieht?", fragte ich ironisch. Natürlich wusste ich das. Ich wollte nur für eine Woche kein spanisch lernen. Das lohnte sich nicht. Zumal ich wahrscheinlich eh alles vergessen würde. „ Ne die kennst du und das weiß ich. Du kannst aber mir aber gerne dabei helfen, mein Flaggen Puzzle zu bauen. Dann kannst du noch was lernen.", grinste Basti, obwohl er wusste, dass diese mühe vergebens war. Ich war einfach nicht so in der ganzen Thematik drin wie Basti. Trotzdem würde ich mit ihm puzzeln und mir allerlei Facts anhören. „ Machen wir. Ich würde jetzt erstmal sagen, wir fahren zu dir in die Stiege ins Oberharz und holen deine Sachen. Wir müssen bis heute Abend fertig sein. Schließlich wolltest du heute Abend im Stream mit Heiko und mir noch ne Minecraft Challenge spielen." Es war wirklich der pure Stress. Ich hoffte sehr, dass wir schnell alles eingerichtet bekamen und dann Ruhe war. Sofort in den Urlaub würde eh nicht gehen. Aber vielleicht konnte man ein paar Tage an den Bodensee fahren. Ich war jetzt niemand der was erleben musste und in nen Freizeitpark rannte. Das war mehr Stress als Erholung. So ein schönes warmes Bad mit Schaum und Quietscheentchen war mir lieber. So gerne ich auch streamte, der Umzug verlangte mir einiges ab. Wir hatten eben den im Nachhinein betrachtet dummen Entschluss gefasst alles alleine zu machen. Hatten wir jetzt davon. „ Gut aber unterwegs gehen wir was essen. Sonst fehlt uns die Kraft." Damit war ich einverstanden. An sich hätten wir noch was für ein karges essen da, was ich Basti auch vorschlug, mit der Intention, dass wir bitte essen gehen sollten. „ Wir könnten uns hier auch geschwind ein Erdbeermarmeladenbrotmithonig machen, wenn du willst." „ Pervers. Komm jetzt, wir müssen fertig werden.", mahnte Basti kopfschüttelnd. Ich warf Basti die Schlüssel zu, die ich immer noch in der Hosentasche hatte. „ Du fährst." Mit einem Augenrollen nickte Basti und zog mich dann an der Taille zu sich, um mir einen Kuss auf die Schläfe zu drücken. „ Aber nur, wenn du morgen Brötchen holen gehst.", ging Basti auf meinen Kompromiss ein. Damit konnte ich leben. „ Dann musst du mir aber nen Fünf Euroschein oder so geben. Ich hab kein Bargeld mehr.", grinste ich und lehnte mich gegen ihn. „ Ich bin froh, wenn das über die Bühne ist." „ Ich auch und wie.", erwiderte ich.
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