Och ne, der gemeinsame Familienausflug steht an, wie jeden Sommer. Allein bei dem Wort Familienausflug hab ich schon keinen Bock mehr. Dieses Jahr hat meine Mutter das Programm ausgesucht. Heute soll's schon losgehen. Wir besuchen irgendeinen,komischen,unbekannten Park irgendwo im nirgendwo. Eigentlich kann's mir ja auch egal sein. Wird doch eh wieder langwei...
„Kelly!"
„Ja,Mama?", rufe ich zurück.
Keine Antwort.
„Ja-haa ", schreie ich nochmal.
Noch immer keine Antwort, wie ich es doch hasse. Genervt gehe ich extra langsam die Stufen zum Flur runter.
„Kelly, wir müssen los! Hast du etwa unseren jährlichen Familienausflug vergessen?", fragt meine Mutter.
Ne leider nicht, würde ich am liebsten antworten, verkneif es mir aber. Ungeduldig, wie immer, läuft Papa hin und her, wirft mir ein Lächeln zu und verschwindet im Auto. Noch Kopfhörer holen und einsteigen.
„So es kann losgehen", sage ich gespielt, stecke meine Kopfhörer rein und stelle die Musik auf volle Lautstärke.
...
Wir sind endlich da. Vor uns erhebt sich ein gigantisches,schickes Gebilde. Sieht fast aus, wie ein Freilichttheater. Eine riesige Tribüne aus Holz und eine Art Arena, diese ist jedoch mit einem großen, vergitterten Stahlzaun von der Tribune abgetrennt.
Nur durch ein einziges Gittertor kann man in die Arena gelangen. In der Arena befinden sich mehrere Steine mit eigenartigen Kratzspuren. So etwas habe ich noch nie zuvor gesehen. Eine Kratzspur ist mindestens zehn mal so groß wie ich.
Was für Tiere leben hier bitte!?
Dinos sind vor Millionen von Jahren ausgestorben. Ok, wahrscheinlich übertreibe ich ein bisschen. Man kann auch genauso gut künstlich Kratzspuren in einen Stein ritzen. Das soll nur Dekoration sein. Bestimmt! Dinosaurier gibt es nicht nicht mehr.
„Kelly!?", ruft mein Vater und rüttelt an mir.
„Freust du dich nicht?", fragt er verwundert.
„Was", frage ich noch in Gedanken versunken.
„Wir sind mit in der Show! Deine Mutter hat uns angemeldet. Wir dürfen einen neuen Versuch mit den Tieren machen", sprudelt mein Vater freudig heraus.
„Kommt endlich, die Show beginnt gleich und wir haben nicht mal unsere Plätze gefunden", drängt meine Mutter.
„Richtig, wir wollen sie doch nicht verpassen, schließlich sind wir auch dabei", sagt mein Vater.
Die beiden wenden sich um und gehen in Richtung der Sitzplätze. Mir gefällt diese Sache hier gar nicht, doch was soll ich machen, wenn meine Eltern sich was fest vorgenommen haben, kannst du deine Pläne vergessen.
...
„Es steht ein ganz besonderer Moment bevor. In unserer Show werden neue Versuche mit unseren fantastischen Tieren durchgeführt. Wir werden natürlich sofort eingreifen, falls es gefährlich wird. Für diesen Versuch haben sich diese Drei bereit erklärt. Nun lasst uns aber endlich beginnen. Diese atemberaubende Show werden sie nie vergessen", erzählt die Moderatorin.
Sie führt uns in die Arena und verriegelt die Stahltür hinter uns. Aus einem Tor, dass ich zuvor gar nicht bemerkt habe, kommt irgendwas zu uns rein.
Ein zehn Meter großes Kaninchen?! Eigentlich mag ich Kaninchen, doch dieses wird mich gleich zerfetzen, wenn ich mich nicht sofort in Sicherheit bringe. Ein riesiges, schuppiges Tier rennt auf das Kaninchen zu und reißt das Maul auf.
Erst jetzt fallen mir die spitzen Zähne der schrecklichen Echse auf. In einem Stück schlingt diese Echse es runter. Noch mehr dieser zwanzig Meter Echsen betreten die Arena. Eine hat mich entdeckt und rennt auf mich zu. So viel Angst hatte ich noch nie zuvor. Voller Panik, ohne zu denken, renne ich los. Einfach weg hier.
Sie kommt näher. Ich spüre, wie mein Atem schwerer wird, schneller kann ich einfach nicht. Der Stein! Meine Rettung!
Mit dem panischen Rennen mache ich direkt noch zwei auf mich aufmerksam. Der Stein kommt immer näher, doch die drei Echsen auch. Noch zwei Meter bis zum Stein. Eine der Echsen streckt ihre Klauen nach mir aus. Ein Hechtsprung nach vorne unter den Stein. Puh! Geschafft!
Zu früh gefreut, sie prügeln alle gleichzeitig auf den Stein ein, Risse bilden sich im Fels und nur eine Sekunde später ertönt ein ohrenbetäubendes „Puff". Der Stein zerspringt in tausende Stücke. Ich muss hier raus. Meine einzige Chance ist das Stahltor, dort kommen diese Echsen nicht durch.
...
Weniger als eine Sekunde später, steh ich auch schon beim Tor. Doch die denken nicht mal daran, das Tor zu öffnen. Ich werde gleich sterben und die lachen vor sich hin. Vielleicht, egal es muss gehen, mir bleibt keine Zeit für lange Überlegungen.
Mist, mein Arm er steckt im Gitter fest. In aller letzter Sekunde gelingt es mir, den Arm rauszuziehen, bevor eines dieser Monster ihn zerfetzen konnte. Erleichtert atme ich durch, doch nicht lange. Einer der kleinen Männer im Blumenkostüm packt mich, lächelt und hebt mich zurück in die Arena. Das muss einfach nur ein Albtraum sein. Ein kleiner Kniff in die Wange und ich wache wieder... Autsch! Doch kein Traum. Die Echsen wenden sich wieder mir zu. Nur eine falsche Bewegung und das war's für mich. Langsam gehe ich ein paar Schritte zurück.
„Ihr seid ganz liebe, nette Echsen. Wir sind doch Freunde", sage ich und versuche beruhigend zu klingen. Doch das interessiert die Echsen nicht, sie kommen trotzdem gefährlich nah an mich ran. Das Tor endlich, das Tor ist offen!
Meine Mutter läuft an mir vorbei, hinter ihr mein Vater, der packt mich und trägt mich endlich hinaus in die Freiheit.
Eine blonde Moderatorin kommt auf mich zu.
„Na, wie war das Experiment mit unseren Tieren?", fragt sie total überfreundlich.
Wie es war? Die kann mich mal! Ich bin fast gestorben und die fragt, wie ich's fand. Die scheint das ja wirklich ernst zu meinen, denn sie schaut erwartungsvoll zu mir rüber. Die pure Wut steigt in mir auf. Ich könnte diese blöde Blondine mit einem Tritt zum Mars befördern.
„Scheiße!",antworte ich und geb ihr einen heftigen Schubs.
Ups, der war wohl etwas zu stark! Sie kippt und schlägt mit dem Kopf auf dem Boden auf. Doch die setzt sich einfach nur auf, lacht einmal herzlich und wendet sich an die Leute. Keiner nimmt mich hier ernst, niemand versteht überhaupt, was hier abgeht. Das kann doch nicht legal sein!? Die setzen auf Menschenleben nur für eine amüsante und gewinnbringende Show. Noch dazu mit gefährlichen Tieren, die wahrscheinlich illegalerweise gezüchtet wurden. Denen werd ich's zeigen.
Abends soll noch so ein Versuch stattfinden, doch das können die knicken. So etwas lasse ich nicht durchgehen und meine Mutter sicher auch nicht.
...
Natürlich muss mein Vater jetzt auf Geschäftsreise und kann sie auch nicht abblasen.
„Wir müssen sofort zur Polizei, doch ohne Beweise geht das schlecht. Das würde auch erklären warum filmen, fotografieren und aufnehmen strikt verboten ist. Nur ein Foto würde alles beweisen können. Ich hab eine bessere Idee! Wie wär's mit einem Geständnis vor den ganzen Leuten von der Blondine? Das müssten wir dann nur aufnehmen. Doch wie kriegen wir sie dazu, alles zu gestehen?", überlege ich.
„Wir schlagen sie mit ihren eigenen Waffen", schlägt meine Mutter vor.
„Gute Idee, sie wird sicher einsehen, wie grausam diese Versuche sind, wenn sie selbst einen durchmacht.", sage ich entschlossen. Meine Mutter nickt. Fragt dann aber:
„Doch wie sollen wir sie bitte in die Arena kriegen? Die geht doch nicht freiwillig rein und bringt sich in Lebensgefahr!"
„Das sehen wir dann, wir sollten erstmal zurück auf die Sitzplätze gehen und so tun, als wäre nichts gewesen".
Ich marschiere vor und meine Mutter hinterher.
...
Was ist das? Da liegt ein Brief auf meinem Platz.
„Sollen wir ihn öffnen?", fragt meine Mutter unsicher.
Ich nicke und schlitze ihn vorsichtig mit meinem Fingernagel auf. Ein Zettel mit blutroter Schrift! Was zur Hölle soll das!?
Will uns etwa jemand einschüchtern!? Irgendwie bin ich trotzdem neugierig und fange an, ihn zu lesen.
„Klappe halten, sonst wird das dein letzter Tag sein!"
Glauben die ernsthaft, ich werde jetzt nachhause gehen und mein Leben lang schweigen? Ich lasse mich nicht einschüchtern, dass beweist doch, dass wir da etwas auf der Spur sind. Jetzt werden wir erstrecht eingreifen!
Meine Mutter sagt immer noch nichts. Der Brief hat ihr wohl die Sprache verschlagen. Endlich sagt sie:
„Auf gar keinen Fall!"
...
Um nicht alleine jemanden in die Arme zu laufen, gehen wir zusammen zum Klo. Meine Mutter schließt gerade ihre Kabine ab, als die blonde Moderatorin reinkommt. Sie lächelt mich nur an. Mein Blick erfasst ihre Hand, sie hat ein Taschentuch.
Entsetzt schrei ich auf, dass muss dieses Chloroform sein. Sie wird mich betäuben. Sie hält mir das Tuch vor die Nase und ich merke, wie meine Glieder immer schwerer werden. Ich sehe nur noch verschwommen, wie meine Mutter der Blondine das Tuch und die Flache entreißt. Zu spät! Ich kippe um!
...
W-w-was? Neben mir liegt dieBlondine. Wir befinden uns auf einem Stein.
Shit! Wir sind doch nicht etwa in der Arena? Ich setze mich auf und blicke mich um. Wir sind in der Arena. Die Blondine kommt zu sich, setzt sich auch auf und schaut sich ebenfalls um. Sie schaut mir mit ihren blauen, mit Panik erfüllten, Augen direkt ins Gesicht. Das Hintertor öffnet sich. Die Echsen kommen. Ich schreie nur: „Lauf!", und lasse die Blondine hinter mir.
Doch keine der gefährlichen Echsen interessiert sich auch nur ein bisschen für mich. Sie sind alle auf die Blondine fixiert, die Schritt für Schritt zurück weicht. Sie redet mit ihnen:
„Nala,Coco,Bobby,Lolli , dass könnt ihr mir doch nicht antun, ich bin doch eure Trainerin. Erkennt ihr mich nicht?"
Die Echsen wissen wohl genau, wer sie ist. Sie kommen der Blondine bedrohlich näher. Sie läuft verängstigt. Sie stolpert, fällt hin, richtet sich aber sofort wieder auf. Ihr Knie blutet. Die Echsen sind schon gefährlich nah an ihr dran. Sie werden sie zertreten und anschließend in kleine Stücke zerfetzen. Ich muss ihr helfen! Die Klauen einer Echse drohen sie in ein paar Sekunden zu zerquetschen. Ich fange auch an zu laufen, springe zur Seite und stoße sie weg. Ich greife nach ihrem Arm und ziehe sie mit in Richtung Stahltor. Meine Mutter steht dort. Sie öffnet das Tor. Das lässt mich direkt noch etwas schneller rennen. In unter einer Sekunde werden wir's erreichen. Noch ein Sprung und in Sicherheit. Meine Mutter schlägt das Tor gerade noch zu bevor die Echsen rauskommen. Wieder bin ich total erleichtert und atme tief durch.
„Danke"
„Hast du uns noch irgendwas zu sagen?"
Ich reiche der Blondine das Mikrofon. Sie nimmt es und beginnt zu sprechen:
„Diese Versuche sind nicht ungefährlich, es können sogar welche dabei um's Leben kommen. Ich habe heute selbst erlebt, wie schrecklich und abartig diese Versuche sind. Ich möchte mich entschuldigen, sowohl bei euch als auch bei den Tieren, es ist nicht gut an ihrer Natur rum zu pfuschen. Es tut mir leid!".
Niemand sagt mehr etwas. Einige gehen auch einfach. Niemand möchte mehr etwas hier mit zu tun haben. Alle gehen. Nur die Mitarbeiter bleiben zurück. Auch die Mitarbeiter sind ruhig. Ich bin schließlich die, die die Stille unterbricht:
„Wir brauchen einen Krankenwagen!"
Meine Mutter holt ihr Handy raus und ruft einen Krankenwagen und Polizei.
...
Der Spuk ist vorbei! Die Blondine wird erstmal im Krankenhaus durchgecheckt, die Mitarbeiter verhaftet und wir befragt.
Wir reichen noch das aufgenommene Geständnis ein und dürfen nun endlich nachhause. Dieser Familienausflug war echt anders als erwartet. Mal sehen, was nächstes Jahr passiert.