Kapitel 50

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   Keuchend versuchte sich der Erzengel wieder auf die Beine zu kämpfen, doch der Verlust seines Flügels sorgte dafür, dass er neben den Wunden auch noch mit dem Gleichgewicht zu kämpfen hatte.

   Abaddon, der kaum verwundet war, schnaubte abfällig, während er mit seinem Schwert spielte und dem Engel sogar Zeit gab, aufzustehen. »Es war dein Fehler, sie vor mir zu verstecken«, bemerkte er herablassend. »Gib sie mir und wir gehen«, bot er zuvorkommend, aber mit einem irren Gesichtsausdruck an. Er war der Teufel in Person.

   Auriel spukte ein wenig Blut. »Sie ist nicht hier«, sagte er, davon überzeugt, dass Lumielle vor kurzem gestorben war. Und selbst, wenn sie hier gewesen wäre, hätte er nicht zugelassen, dass ausgerechnet Abaddon sie in ihrem verletzlichen Zustand fand. Er würde sie nur zu Dingen zwingen, die sich Auriel nicht einmal ausmalen konnte. Sie war als Mensch so leicht zu manipulieren und so verletzlich, dass es kein Wunder war, dass Abaddon seine Chance witterte.

   Der Dämon schnaubte, während er sich im Klaren war, dass er hier niemanden am Leben lassen würde. Das würde ihm der Highlord nicht so leicht verzeihen, aber dieses Risiko war es wert. Wenn nicht jetzt, wann dann? Jetzt war Lumielle noch verletzlich und leicht zu manipulieren. So wie diese Frau, die ihm geholfen hatte, seine Dämonen unbemerkt einzuschleusen. Macht war eben doch etwas, das viele anzog, auch wenn die meisten es wohl abstreiten würden.

   »Hast du dazu nichts mehr zu sagen?«, fragte er und hob sein Schwert.

   In dem Moment, in dem er es nach unten sausen ließ, erklang ein schriller Schrei. Der Schrei eines riesigen Feuervogels, der sich aus den Mauern des Schlosses erhob.

   Sein rotes Feuer schickte Hitze und Licht über den Hof, was die Dämonen erstarren ließen.

   Selbst Abaddon erstarrte für einen Moment. Ein kleiner Augenblick, der Auriel das Leben rettete, denn der Vogel schoss auf sie zu und setzte sich vor Auriel und zwischen dem Engel und Abaddon auf den Boden. Seine riesigen Krallen waren so groß wie der Engel selbst und das Feuer des Schweifs hüllte ihn ein.

   Statt ihn jedoch zu verbrennen, färbte sich das Feuer des Schweifs goldenen und angenehme Wärme floss durch Auriel, dessen Wunden sich wie von Geisterhand schlossen.

   »Lumielle«, hauchte er fasziniert und entsetzt von diesem Anblick.

   Der Phönix richtete seine goldenen Augen auf den Dämon. »Du hast kein Recht, hier zu sein«, erklang ihre hallende, knisternde Stimme, während sie Abaddon fixierte.

   Dieser ließ das Schwert fallen und machte mehrere, taumelnde Schritte zurück, während er den Vogel mit großen Augen ansah.

   »L-Lady«, stammelte er vor sich hin, erhielt aber nur ein Krächzen.

   »Schweig. Nimm deine Anhängsel und geh«, forderte sie, wobei sie ihre Flügel drohend ausbreitete.

   Die Dämonen lösten sich langsam aus ihrer Starre, während sie teilweise ohne Befehl flüchtete.

   Abaddon knurrte, während er mit sich rang. Sie war gerade erwacht und sollte noch geschwächt sein, doch in ihrer Phönixgestalt war sie nicht zu besiegen.

   Lumielle blickte auf ihn nieder, während sie spürte, dass die Kraft sie verließ. Sie pokerte hoch und hoffte, dass er sich ohne einen Kampf zurückziehen würde, denn sonst wären sie verloren.

   In dem Versuch, ihren Worten Nachdruck zu verleihen, ließ sie die Flügel zu Boden sausen und schickte einen Schwall Feuer in die Dämonen, die von diesem geräuschlos verzehrt wurden. »Ich möchte dem Highlord nur ungern erklären müssen, dass ich seine rechte Hand getötet habe«, sagte sie und senkte den Kopf in einer Geste, die darauf hindeutete, dass sie ihn gleich angreifen würde.

   Abaddon knurrte, bevor er die Hand hob. »Rückzug!«, rief er und mit seinen Worten zusammen erschienen kleinere Portale, durch welche die Dämonen flüchteten.

   Bei diesem Anblick musste Auriel fluchen. Sie hatten Abwehrsysteme für Portale, doch jemand musste sie ausgestellt oder anderweitig blockiert haben.

   Nur so waren die Dämonen überhaupt hineingekommen! Das hieß, es gab Verräter unter ihnen.

   Als sich Abaddon schließlich durch das Portal zurückgezogen hatte, erlosch das Feuer des Phönix so schnell, dass Auriel kaum nach Luft schnappen konnte.

   Er blickte auf die nackte Frau, in die sich die Flammen zurückzogen und die schwer vom Himmel fiel.

   Auriel hechtete vor, um sie aufzufangen. Sie war leicht, kalt und blass, doch Victoria war deutlich zu erkennen.

   Der Engel spürte, wie sein Herz einen Moment aussetzte. »Was hast du nur getan?«, fragte er keuchend, als er erkannte, dass ihr Körper teilweise verbrannt war und der Bauch wieder flach. Sie war für diese Macht noch nicht bereit gewesen und das Opfer, das diese gefordert hatte, war höher, als es hätte sein dürfen.

   Von Trauer erfüllt, zog er sie in eine feste Umarmung, während er sich schwankend erhob.

   Faye und Orion, die tapfer an seiner Seite gekämpft hatten, taten es ihnen gleich. Anders als er fingen sie sich wieder und riefen Befehle, während sie die Verwundeten versorgten und die Nachwehen versuchten, in den Griff zu bekommen.

   Niemand wusste so recht, was es mit dem Phönix auf sich gehabt hatte, doch sie alle waren erleichtert, dass der Kampf vorbei war.

Der Harem des EngelsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt