Kapitel 1: Es war einmal ein Sommerfest....

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Euphorisch hatte Sophie jede Seite des Familiengesetzes eingescannt. Zwar hatte sich jemand schon einmal die Mühe gemacht, alles in eine PDF- Datei umzuschreiben, aber das war nicht das Original. Sicher ist sicher, dachte sie sich. Doch dann kam die Ernüchterung. Sie fand und fand kein Schlupfloch. Selbst mit ihrer besten Freundin Annabell konnte sie keine Gesetzeslücke finden. Annabell, die Jura studiert hatte und sich nun in ihrem Referendariat befand, war sich so sicher gewesen, dass sie ihrer Freundin aus der Patsche helfen konnte; aber Pustekuchen das Ding war Bombenfest geschrieben.

Vor lauter Verzweiflung hatten sie mit dem Trinken angefangen. Bei jedem Frauenfeindlichen Absatz wurde der Vorrat des hiesigen Weinkellers kleiner. Sie tranken so viel, dass Sophie am Ende des Abends nach Las Vegas fliegen und den erstbesten Elvis zum Mann nehmen wollte.

Doch, als sie am nächsten Tag die Sache mit einem nüchternen Auge betrachteten, verwarfen sie die Idee schnell wieder. Denn obwohl es zur Zeit der Entstehung des Gesetzes noch nicht üblich war sich scheiden zu lassen, stand klar in dem Gesetz geschrieben, dass eine Frau nicht ohne Ehegatten an der Spitze der Familie stehen konnte. Nur Witwen durften weiterhin Oberhaupt der Familie bleiben und wenn man den Gedanken jetzt weiter spinnen würde, wäre es doch ein bisschen zu Makaber.

So kam es, dass Sophie in ihrem Zimmer stand und sich für den Tag aller Tage schön machte. Das Sommerfest stand an. In ihrem romantischen, beigen, knielangen Sommerkleid drehte, versuchte sie ihren losen Fischgrätenzopf zu perfektionieren. Den hatte sie locker über ihre rechte Schulter geflochten. Selbst Sophie war von sich überrascht wie gut sie heute aussah. Es spielte einfach nichts in ihre Karten. Theoretisch war es der perfekte Tag. Sie sah gut aus, die Sonne strahlte bei 26 Grad im Schatten und der Garten war mit den kleinen weißen Pavillons und den verschiedenen Bars, so schön hergerichtet, wie schon lange nicht mehr. Ihr Vater, dass hatte man gemerkt, hatte sich ganz besondere Mühe mit dieser Veranstaltung gegeben. Als wenn irgendwer sagen würde, schau mal, wie hübsch und schön das Sommerfest ist, da muss ich einfach die Prinzessin heiraten.

In ihren Gedanken vertieft, kam Sophie eine Idee. Wenn sie sich nun sehr schlecht benahm und niemand sie zur Frau haben wollte, dann musste ihr Vater noch länger erster Vorsitzender der Holding bleiben und sie könnte ein bisschen länger nach einem Ausweg suchen. Ja das war ein guter Plan, aber um sich nun umzuziehen, dafür war sie dann doch zu eitel.

Langsam verließ sie ihr Zimmer und schlenderte durch die Korridore. Der Weg durch das Haus zum Eingang des Gartens, wo sie zusammen mit ihrem Vater, die Gäste begrüßen würde, kam ihr vor, wie der letzte Gang zum Schafott. Nur, dass sie, im Gegensatz dazu diesen Tag überleben würde um mit einem total Fremden zu leben, quasi in der Hölle auf Erden. Als sie durch den Wintergarten auf die Sandsteinterrasse trat, wurde ihr das Ausmaß, der Feier erst bewusst. Der gesamte Garten war gesäumt von Tischen und Stehtischen in weißen Hussen gesäumt. Kellner in weißen Hemden und schwarzen Hosen standen mit diversen Getränken und Kanapees bereit. An drei verschiedenen Bars, die in Pavillons untergebracht waren konnte man sich die verschiedensten Getränke bestellen. Am Ende des Gartens spielte ein Jazzorchester vor der Tanzfläche unauffällig rhythmische Melodien. Zwar waren ihre Sommerfeste immer schon etwas Besonderes in ihrem Freundeskreis, aber dieses Jahr hatte ihr Vater den Bogen deutlich überspannt.

„Sophie, komm doch bitte zu mir", kam es von ihrem Vater, der am Ende der Terrasse, an der Verandatür stand, durch dem die Gäste durchkommen würden. Stolz stand er dort in einem schwarzen taillierten Flanellanzug mit einem weißen Hemd und einer passenden Krawatte. Das Outfit erinnerte eher an eine Beerdigung als an eine Gartenparty und Sophie fragte sich, warum ihr Vater nicht etwas Farbenfroheres trug. Als sie an der Seite ihres Vaters angekommen war, traten auch schon die ersten Gäste ins Freie. Zu einem Großteil bestanden sie aus Geschäftspartnern und Freunden der Familie. Sophie ließ gedankenverloren die Prozedur über sich ergehen. Wie aus dem nichts wurde ihre linke Hand nach vorne gezogen und ein feuchter ekeliger Kuss auf den Handrücken platziert. Angewidert zog Sophie blitzartig die Hand wieder zurück. Vor ihr Stand der Inbegriff eines Schleimscheißers. Die schwarzen Haare waren mit einer gefühlten Tonne Gel zurück gegelt. Mit einer großen hakenförmigen Nase und braunen Augen, die Aussahen, wie die eines Geiers.

König Drosselbart neu rasiertWo Geschichten leben. Entdecke jetzt