1. Kapitel
"Everything is far away, I just need your love to say.."
"Stopp!!" schrie Steve aus seiner kleinen dunklen Ecke unseres winzigen, muffigen und zugemüllten Proberaums, um die Aufmerksamkeit auf sich zu richten.
"Was ist denn jetzt schon wieder los? Wir haben gleich 'nen Gig und nichts läuft, weil du immer was auszusetzen hast!" sagte ich genervt, während ich meine Augen rollte.
Und dann kam er wieder! Ich wusste es! Steves Blick! Steves unglaublich nerviger Blick..
Und was wollte er mir damit sagen? Ich wusste es ganz genau. Er würde mir doch sowieso wieder eine Predigt halten, dass alles perfekt werden sollte.
"Sag ja gar nichts und trommel da auf deine Dinger" warf ich in den Raum, bevor er zu Wort kam.
Er schaute mich nur an und sagte nichts. Vielleicht war es auch besser so.
"Können wir den Song jetzt nochmal spielen" quengelte Justin "Wenn wir es jetzt nicht machen, dann können wir den Abend vergessen"
Alle waren genervt. Einfach alle! Wir haben uns wie vor fast jedem Auftritt mal wieder in die Haare bekommen. Und das aus immer wieder sinnlosen Gründen, die ich nach dem Auftritt sowieso nicht mehr verstehen würde. Mich regte es einfach auf. Immer wollen alle, dass es super läuft, aber machten selber so Stress. So konnte es einfach nicht gut laufen. Ich war schon echt gespannt, wie der heutige Abend wohl verläuft. Wir haben in der komischen Kneipe gespielt, in der sich Steve immer wieder besauft. Er hatte schon immer ein leichtes Alkoholproblem. Meint immer mit seinem Muskeln anzugeben, aber in echt ist er total der Egoist.
Wir wollten gerade anfangen den Song zu wiederholen, da schrie Steve schon wieder auf und meinte es würde ihm nicht passen, wie Justin an seinem Mikrofon steht.
"Ey Steve!" brüllte ich schon förmlich "jetzt halt deine ekelhafte Klappe und spiel deine Drums! Glaub mir, wenn das heute Abend nicht läuft, dann mache ich dich kaputt!"
Und das war eine Kampfansage! Jetzt bereue ich es, aber da war es einfach angebracht. Manchmal hasse ich diesen Kerl.
"Brandon! Sei du mal ganz ruhig! Drohen lasse ich mir nicht" wütete Steve.
"Dann mache deine Scheiße jetzt auch vernünftig!"
"Ja geht klar, man!"
Und so sollte die Diskussion hoffentlich ein Ende führen. Wir spielten den Song noch zweimal und dann lief das schon. Man sah es den Jungs an, dass es ihnen nicht gut ging. Entweder waren sie aufgeregt oder angepisst von dem Streit! Wahrscheinlich waren sie beides. Wir packten unsere Sachen in unseren kleinen Bus. Ich durfte nämlich schon fahren und musste dementsprechend total prahlen. Wer hätte das nicht getan? Die Jungs fanden das nicht so toll.
Und so saßen wir dann in dem Bus. Ich am Lenkrad, neben mir Justin, der sich die Texte nochmal ansah. Seine Augenlider hingen schon sehr weit runter. Wahrscheinlich hatte er länger nicht geschlafen. Hinter uns saßen die anderen beiden und waren total dabei sich gegenseitig zu ignorieren. Hinter mir war Steve, der sich seine Kopfhörer aufsetzte und in seine eigene kleine Welt verschwandt und neben ihm war Toby unser Liedgitarrist. Er redete nicht viel und hielt sich aus dem meisten Zeugs raus. Aber solange er geile Riffs brachte, war alles okay. So fuhren wir dann eine Weile. Mit einem kurzen Blick auf die Uhr merkte ich, dass wir schon zu spät sind. So drückte ich ordentlich aufs Gas, damit es nicht noch später wurde.
Aus dem Bus ausgestiegen, wollte immer noch keiner miteinander reden. Die Situation war sichtlich angespannt. Aber davon ließ ich mich nicht beeindrucken. Wir stürmten in die alte Kneipe und machten uns für den Auftritt bereit. Jetzt machten wir das, was wir immer machten. Steve ging an die Drums, Toby an die Gitarre, Justin ging an Mikro und ich wie immer am Bass. Ich lief einen Schritt nach vorne und sprach ins Mikrofon: "Hey, Leute. Tut uns leid, wegen der Verspätung. Als Entschädigung geben wir heute aber 200%!"
Das musste ich sagen. Die Jungs waren genervt und hätten sich sowieso nicht entschuldigt. Die Menge reagierte aber positiv auf unsere Verspätung. Ich hatte einfach Bock auf die Show. Und dann fing sie auch an. Ich hatte meinen Spaß und die Leute vor der Bühne ebenfalls. Dort waren viele in unserem Alter. Damit hatte ich nicht gerechnet, da hier sonst viele ältere Menschen abhängen, die doch wirklich keine Lust auf Rock hätten. Die junge Meute hingegen zeigte sich sehr offen. Immer mehr kamen nach Vorne an die Bühne und rockten mit uns. Ich war in meinem Element!
Ab und an musste ich auch singen. Immer wenn ich das tat, schloss ich meine Augen. So fühlt du richtig die Musik. Wie die Melodien das Herz berühren und zu einem großen Feuerwerk aus dir herausplatzen. Ein sehr tolles Gefühl. Als ich meine Augen wieder öffnete, sah ich ein Mädchen im Publikum stehen. Sie tanzte etwas mit und ihre Augen stachen mir einfach ins Gesicht und ließen mich nicht los. Es war ein Gefühl von Schwerelosigkeit!