~ Das Licht der Liebe strahlt heller als der Schatten des Todes. Manchmal ist es nur schwerer zu sehen. ~
»Vielen Dank, dass Sie gekommen sind, Herr Zimmermann«, sagt die Dame, vermutlich die Sekretärin der Schule, und beobachtet mich interessiert über den Rand ihrer Brille. Ihr Tonfall klingt jedoch alles andere als erfreut.
Trotzdem bin ich freundlich. »Ja, natürlich.«
Ihr Blick fühlt sich an wie eine Anklagebank, obwohl ich nur hier bin, weil Lisa mit ihrem Freund eine Woche Urlaub macht. »Was ist denn passiert?«
»Das wird Ihnen gleich vom Direktor persönlich mitgeteilt«, antwortet sie und schiebt ihre Brille hoch, während sie auf der Tastatur tippt.
Offensichtlich ist es ihr egal, dass ihre Worte schlimme Szenarien in meinem Kopf heraufbeschwören. Plötzlich steht sie auf und klopft an die Tür nebenan, aus der seit einiger Zeit eine gedämpfte Stimme zu hören ist. Ohne auf ein Zeichen zu warten, tritt sie ein und verkündet: »Der Vater von Leo ist jetzt hier.«
Kaum hat sie das gesagt, höre ich meinen Neffen auch schon antworten: »Das ist mein Onkel. Tomaten auf den Augen oder was?«
Die kurze Stille danach bringt mich zum Schmunzeln. Einerseits finde ich es amüsant, dass der kleine Kerl mit seinen vierzehn Jahren so selbstbewusst auftritt. Andererseits sind seine Worte natürlich ziemlich respektlos.
»Leo Zimmermann!«, donnert die Stimme des Mannes, der anscheinend nebenan war. Die Sekretärin öffnet die Tür und wirft mir einen vernichtenden Blick zu – das scheint mein Stichwort zu sein. Ich trete ein und stehe einem kleinen Mann mit hochrotem Gesicht gegenüber.
Erst dann bemerke ich, dass Leos Lippe aufgeplatzt ist und ein Veilchen sein linkes Auge ziert.
»Was ist denn mit dir passiert?«, entfährt es mir schockiert. Ich eile auf ihn zu und knie mich vor ihm hin. Doch Leo sieht mich kaum an und weicht meinem Blick aus.
»Herr Zimmermann, Ihr Sohn hat diese Prügelei begonnen.«
»Neffe«, korrigieren Leo und ich gleichzeitig.
»Richtig, Neffe.« Der Rektor reibt sich nachdenklich über das Gesicht und sieht Leo mit einem strengen Blick an.
Dann wandert sein Blick zu mir, und ich richte mich auf, als er fortfährt: »Wir wissen nicht, was mit ihm los ist. Leo verhält sich seit einiger Zeit sehr aufbrausend und aggressiv.«
Für einen Moment betrachte ich meinen Neffen, der sich zu Hause ganz anders verhält. Ja, ich habe die Stimmungsschwankungen bemerkt, aber mal ehrlich ... »Er ist ein Teenager. Solches Verhalten kommt vor.«
»Ja, Herr Zimmermann, das ist uns durchaus bewusst. Dennoch sind wir der Meinung, dass eine etwas strengere Hand bei Ihrem Neffen angebracht wäre, um sicherzustellen, dass er nicht vom richtigen Weg abkommt.«
Unwillkürlich spüre ich Wut in mir aufsteigen. »Eine was?«, frage ich und bemühe mich um Ruhe. Ich habe eine ähnliche Aussage schon einmal gehört – damals ging es um mich.
»Nun, bisher haben wir nur Frau Zimmermann kennengelernt. Manchmal fehlt es einer alleinstehenden Frau jedoch an der nötigen Kompetenz, ihrem Sohn die angemessenen Konsequenzen aufzuzeigen.« Ich bin so schockiert, dass mir der Mund offensteht. »Wir möchten nur sicherstellen, dass Ihr Neffe nicht zum Sonderling wird.«
Jetzt reicht es! Vielleicht hat er mit diesem Begriff einen wunden Punkt bei mir getroffen, aber ich werde nicht zulassen, dass dieser Mann so über meine Schwester oder Leo spricht! »Und wie gehen Sie damit um, wenn Ihre Kinder aus der Reihe tanzen?«, frage ich ihn und kann meinen abfälligen Tonfall nicht verbergen. Bevor er antworten kann, setze ich bereits nach: »Sie sind sich als Pädagoge doch bewusst, dass Kinder Liebe und Fürsorge brauchen, oder? Gewalt ist das Letzte, was sie auf Kurs hält!«
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Am Ende deines Regenbogens
RandomEin plötzlicher Schicksalsschlag reißt Luca aus seinem gewohnten Leben und hinterlässt einen tiefen Abgrund aus Schmerz und Verzweiflung. Auf der Suche nach Halt durchlebt er die sieben Phasen der Trauer, wobei jede Phase neue Herausforderungen mit...