Kapitel 2

42 5 0
                                    

"Hallo Julika, wie geht es dir heute?" Kaum sitze ich in seinem Büro, fängt Doktor Konner an zu reden. Ich mag es nicht, wenn man mich Julika nennt. Mein Vater hatte bei meiner Geburt darauf bestanden mich so zu nennen, weil seine Großmutter oder Tante so hieß, keine Ahnung. Seitdem darf ich mich mit diesem komischen Name herumschlagen. Viel mehr mag ich Jule, deswegen nennen mich auch alle so. Bis auf Doktor Konner und mein Vater natürlich. "Julika, ich hab dich was gefragt." Er lässt mir einfach keine Ruhe. "Danke, mir gehts gut", sage ich und schaue auf meine Hände- Ich mag seinen intensiven Blick nicht und ich wil auch nicht mit ihm reden, aber meine Mutter schleppt mich zwei Mal die Woche in seine Praxis. Doktor Konner macht sich Notizen, wie immer wenn ich etwas sage. Dann fragt er mich: "Bist du dir da sicher? Wie sieht es aus mit deinen Schlafproblemen? Kannst du wiede schlafen?" Natürlich kann ich nicht schlafen und wenn dann ziemlich schlecht, aber das sage ich ihm nicht. Wer weiß, was er dann machen würde. "Ja ich bin mir sicher und ich kann wieder schlafen." "Das ist schön", erwiedert ert. Und wieder schreibt er etwas auf. Ich würde gerne mal wissen, was er ständig über mich aufschreibt. So viel sage ich doch gar nicht. "Wir waren letztes Mal dabei stehen geblieben, dass du mir etwas über Michelle erzählen wolltest, weißt du noch?" Wollte? Ich wollte ihm nie etwas über sie erzählen, er zwingt mich immer dazu und dreht es dann so, als wöllte ich darüber reden. Komischer Mann. "Du wolltest mir über euren letzten Sommerurlaub an der Nordsee erzählen. Wann war der noch? Vor sechs Monaten, ist das richtig?" Ja, vor sechs Monaten. Da war mein Leben noch schön.

Wir waren für zehn Tage mit Michelle's Eltern und ihren zwei kleinen Brüdern nach Sylt gefahren. Wir haben uns dort ein kleines Ferienhaus direkt am Strand gemietet. Ihre Familie war meist irgendwelche Sachen besichtigen, während Chelli und ich die Tage am Wasser oder in der Stadt verbrachten, wo wir nach Jungs Ausschau gehalten und über alles mögliche gequatscht haben. Es waren schöne Tage, entspannt und ruhig. Abends saßen wir noch lange am Wasser und haben geredet und geraucht oder auch nur in die Wellen geschaut, bis wir zu müde wurden und in unser Zimmer mit dem großen Himmelbett gegangen sind. An einen Abend erinnere ich mich noch genau... Es war der letzte Abend vor unserer Abreise und wir saßen schon seit Stunden in de Dünen. Es war warm und wir haben die Sterne über uns beobachtet. Auf einmal sagte Michelle: "Weißt du, das Meer ist wie wir Menschen. Mal ist es ruhig und klar und es scheint glücklich, manchmal ist es wild und dunkel. Dann ist es traurig oder wütend. Und manchmal, da scheint es ganz ruhig zu sein und alle finden es schön, aber unter der Oberfläche liegt ganz viel Trauer, aber das sieht niemand. Niemand sieht das brodeln, nur die perfekte Oberfläche. Manche Menschen sind genauso..." Dann hat sie wieder geschwiegen und die Wellen beobachtet, bis wir zurück in Haus gingen...

Ich dachte, sie hätte nur einen ihrer poetischen Momente gehabt, denn so ist sie. Aber wahrscheinlich war es eine Art Hilferuf von ihr. Vielleicht wollte sie mir damit sagen, dass sie traurig ist, dass es ihr nicht gut geht. Aber ich habe es nicht gemerkt. Ich habe generell nicht bemerkt, das mit Chelli etwas nicht in Ordnung war. Aber ernn ich es gemrkt hätte, wenn ich sie an diesem Abend auf Sylt in den Arm genommen hätte und ihr gesagt hätte, dass alles gut werden würde und wir das zusammen schaffen würden, wäre sie dann jetzt noch hier? Würde sie noch leben?

"Julika, die Zeit ist um. Wir sehen uns dann am Montag wieder. Auf wiedersehen."

Ich schaute auf. Ich war so in Gedanken versunken und die Zeit war wie im Flug vergangen. Ich stolperte aus seinem Büro und in das Auto von meiner Mutter. Erst, als sie mich sorgenvoll anschaute, merkte ich, dass ich weinte.

Wird das denn je aufhören?

My dead best friendWo Geschichten leben. Entdecke jetzt