Headset oder Kopfhörer?

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Die Vorbereitungen für den Transport nach Malta sorgten bei den Menschen für viel Wirbel, Stress und jede Menge aufgebrachte Kommunikation. Evelyn hörte wie Männchen und Weibchen sich in der Nähe des Geheges laute wütende Worte aneinander richteten....irgendwo in der Ferne war der laute Ton des großen Autos zu hören.

Sie kannte diesen Ton, es war ein lang gezogener, sich ständig wiederholender Ton, der meistens damit verbunden war, wenn dieses große lange Auto, dass Evie an einen komisch geformten Baumstamm erinnerte, rückwärts in die Nähe der Transportboxen fuhr. Dennoch konnte selbst dieser Ton nicht das Geschimpfe der Menschen übertonen. Manchmal verstand Evelyn nur Wortfetzen oder erkannte die angespannte Körperhaltung der Menschen. Vermutlich ging es mit dem Ausflug nach Malta einher. Das Rudel hatte diese Nachricht relativ gut aufgenommen - die Aussicht in die Transportboxen zu gehen weniger.

Panthera hatte seine gefährlichen Zähne vor Frustration in die Gitterstäbe des Geheges gebissen und anschließend grummelnd den Kopf gegen die Schulter von Tiger gestoßen....aber der Anführer des Rudels hatte sein Zusichern gegeben, dass sie Soya helfen würden. Dann hatte Panthera nur so zum Spaß Evelyn mit dem Kopf in den Dreck gestoßen und sie am Zipfel des Oberteils wieder auf die Beine zu ziehen und wohlwollend zu Schnattern.
Es hatte auch lange gedauert bis Evelyn und Panthera sich so verstanden, wie es im Moment der Fall war. Doch das Alpha Tier konnte sich auf die Entscheidungen des Menschenmädchens verlassen, dass doch so ähnlich wie er selbst kommunizierte, dachte und handelte. Und dennoch war die erste Reaktion untypisch gewesen für den Raptor. Vielleicht hatte er sich auch Gedanken um die Sicherheit von Soya gemacht, er wollte Evelyn nicht genau den Grund verraten....aber das war vollkommen in Ordnung für Evelyn.

Tiger hatte nur ihren Körper geschüttelt auf die Reaktion des Alpha Tiers und hatte den Ausführungen wie es am Abreisetag ablaufen würde gelauscht. Red hatte sich faul auf den Boden gelegt und war kurz davor einzuschlafen. Doch auch Red hatte eine zustimmenden Laut gegeben, auch wenn jeder im Rudel wusste, dass der 'Farbklecks' der Gruppe schnell von Reiseübelkeit heimgesucht werden konnte, wenn sie einen schlechten Tag hatte.

Volle Begeisterung für diesen Ausflug hatte das letzte Mitglied der Atrociraptoren gezeigt. Das Ghost es kaum erwarten konnte wo anders zu jagen und eingesetzt zu werden. Sie scharrte voller Vorfreude über der Fußkralle über den Boden, bereit zu zeigen was sie drauf hatte und dass sie ihre 'Mutter' unter keinen Umständen enttäuschen sollten. Die Raptoren waren seit der Geburt auf Soyona geprägt und hatten die Loyalität gewonnen, was auf Gegenseitigkeit beruht. Niemand wollte Soyona enttäuschen bei dem anstehenden Ausflug.

"Aufgewühlte naive Menschen......Eve?", ein fragender Laut zu ihrer rechten Seite lies Evelyn über ihre Schulter blicken. Dort stand Panthera und beobachtete, wie einige Menschen in komischen Tarnfarben gefährlich nahe am Gitter entlang gingen.
"Soyona Auftrag....Menschen unruhig....zuviel", konterte Evelyn in einem einem zwitschernden Geräusch. Sie brauchte nicht die Worte zu verstehen, die gesprochen wurden, die Mimik und der Stress der Menschen war wie aus einem Moment....einer Zeichnung abzulesen.

Panthera trat drei Schritte rückwärts und griff dann innerhalb weniger Sekunden die Zaunstelle an, von der er genau wusste dass sie nicht ohne Go von dem Menschen der für sie verantwortlich war, am Ende einfach nur ein Stück kaltes Metall war....und erschreckte damit einen der vorbei gehenden Menschen so sehr, dass dieser etwas fallen lies und die Beine in die Hand nahm.

Abwertende Laute von den anderen Raptoren ertönte aus den Ecken und Geheimverstecken des Geheges.....Menschen hätten es bestimmt als 'Auslachen' beschrieben. In der Rangordnung war es wie....eine unterstützende Geste dem Versager der Gruppe deutlich zu machen, wie unerwünscht er war.

Evelyn fragte sich, wie schnell der Mann rennen würde, wäre kein Gitter zwischen ihm und Panthera gewesen. Sie würde es wohl nie erfahren und als Panthera sich auf den Weg machte, seine Geschwister im Gehege aufzuspüren, entdeckte Evelyn den Gegenstand, den der davon gelaufene Mann verloren hatte. Ein anderer Mensch wollte sich gerade danach bücken, doch Evelyn griff nach einem kleinen Kieselstein und warf ihn drohend in die Richtung des Menschen, der Kieselstein streifte den Mann an der Hand und als sein Blick den des Raptorenmädchens kreuzte, suchte er auch schnell das Weite.

Evelyn kniete sich vor der Stelle des Gitters, die Panthera eben angegriffen hatte hin und nutzte die Lücken der Stäbe, um nach dem Gegenstand zu greifen, welcher der Mensch verloren hatte. Sie zog ihre Hand durch die Lücken zurück und lehnte sich mit dem Rücken nun sitzend gegen das Metall des Gitters.
Ihre grünen Augen richteten sich neugierig auf dass, was sie da gefunden hatte.

Es war ein technisches Dings.....ihre Freundin Soyona benutzte es zur Kommunikation über die Ferne und es steckte wie Schmuck im Ohr. Es war klein hatte eine schwarze Farbe und Evie konnte es mit der Hand spielend leicht umschließen.

Neugierig hielt sie....wie hatte Soyona es genannt? Hamburger? Hafen? Hai?....Headset? Ja letzeres war es! Sie hielt das Headset....beziehungsweise einen kleinen Teil davon näher an ihr Ohr und hörte ganz viele Menschliche Stimmen daraus...es war so ein Durcheinander und Gewusel, dass sie ihre Hand schnell wieder sinken ließ und nachdenklich ausatmete. Irgendwas......irgendwas an dieser Sequenz erinnerte sie doch an.....

......Ihre schmale Hand glitt durch die Gitterstäbe, griffen rasch nach den Kopfhörern und sie rammte die Zähne in einen der großen runde Kreise nur um angewidert das Gesicht zu verziehen.....sie umfasste dieses Dings....mit beiden Händen und schüttelte es, in der Hoffnung eine Reaktion zu bekommen....wie ein Schmerzenslaut oder wie das Schnattern der Compys wenn sie um Verstärkung bitten....doch was immer das für ein Ding war....es schmeckte nicht, hatte kein schlangendes Herz und war....eigenartig.

"Okay genug geklaut für heute mein Raptorenmädchen, na los gib her" - die Stimme des Alphas ihrer neuen Familie klang belustigt, aber als Evie die Hand des Mannes näher kommen sah, trat sie zurück und zischte Owen drohend an. Sie hatte dieses Ding geklaut und würde es nicht einfach so zurück geben....auch wenn es nicht schmeckte.

"Evie, du weist nicht mal was Kopfhörer sind, vielleicht tauscht Owen ja mit dir hm?", lachte nun auch der persönliche Alpha von Delta....Barry oder Berry war sein Name, war für die Blondine aber auch egal, sie wollte dieses...Dings....diese Kopfhörer behalten.

Und um ihren Standpunkt noch deutlicher zu machen, trat sie einige Schritte rückwärts in Richtung des Übergangs von der Pferdebox zum Paddock hin, warf die Kopfhörer mit voller Wucht auf den Boden und gab einen angreifenden Laut von sich, ehe sie sich auf das leblose schwarze Ding stürzen wollte....Evelyn landete im Stroh der Box und die Kopfhörer neben ihr gaben nach wie vor keinen Laut von sich....

Sie fühlte das dort noch mehr war, doch etwas fehlte. Sie hatte in all den Jahren so viel erlebt....überlebt und für ihr Überleben gekämpft....manche Erinnerungen waren verschwommen und andere so klar wie noch nie. Das Wort Kopfhörer klang dennoch vertraut.....aber am Ende wäre es bestimmt nicht so wertvoll wie dieses Headset.....Evelyn verwarf den Gedanken schnell, sich der Erinnerung weiter zu widmen und stand auf, um gemeinsam mit ihrem Rudel die letzten Stunden im großen Gehege mit Versteckspielen, rennen, springen und laufen zu verbringen....denn morgen um diese Zeit würden sie bereits auf dem Weg nach Malta sein.

Und dort sollte ein großes Abenteuer auf die Blondine und die Raptoren warten. Deshalb wollte sie für den Moment das Gewohnte, die Routine und die Gewissheit haben, dass sie hier sicher war und dass es bald Abendessen gegeben würde.

Evelyn hoffte auch Hühnchen.

Es widerte die 'Tierpfleger' immer so an, wenn sie absichtlich laut vor ihnen das noch lebende Tier köpfte....es war für die junge Frau aber höchst unterhaltsam den unwohlen Gesichtausdruck auf den Gesichtern den Menschen zu beobachten.

Adoptiert IV  - DominionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt