Frozen Cherry Blossoms

First Snow-Inui

"Koko! Koko!", rufe ich. Koko dreht sich langsam zu mir um und strahlt mich an. "Jetzt komm schon, du Idiot. Wir wollen doch nicht etwa alles verpassen! Beeil dich!", ruft er und wartet, bis ich ihn eingeholt habe. Seit Jahren machen Koko und ich alles zusammen. Wir waren beide Teil von Black Dragon und sind beide zu Takemichi Hanagaki in die erste Division der Manji-Gang gewechselt, nachdem die neunte Generation von Black Dragon vernichtet wurde. "Koko, schau mal!", rufe ich und zeige nach oben in den Himmel.

"Es schneit", murmelt Koko und auf seinen Lippen liegt ein schwaches Grinsen. "Jetzt komm schon! Wir haben keine Zeit, die anderen haben bestimmt schon ohne uns angefangen!", drängt er mich nach wenigen Sekunden aber weiter. "Schon gut", lache ich und laufe ihm hinterher. Es hat so lange nicht mehr geschneit. Weisse Flocken taumeln durch die Luft. Es ist eiskalt. Endlich wird wieder Winter. Koko hat mir einmal gesagt, dass er den Sommer nicht mag, weil die Gang-Uniformen viel zu warm sind, um bei 30 Grad Celsius durch die Gegend zu rennen. Mir ist das nie aufgefallen, ich schwitze fast nie. Schneeflocken landen auf Kokos Haaren. "Jetzt träum nicht die ganze Zeit herum, beeil dich!", ruft Koko und packt meinen Arm.

"Weisst du wie lange es nicht mehr geschneit hat?", rufe ich und strecke die Zunge aus, um die Schneeflocken einzufangen. Koko grinst. Er pustet seinen in der Luft kondensierenden Atem vor sich her. "Du Kleinkind, werd endlich einmal erwachsen!", lacht er und zieht mich am Arm weiter.

Die anderen von der ersten Division sind alle bereits da. "Wo wart ihr?", zischt Akkun und Koko schenkt ihm einen feindseligen Blick. Akkun hat früher mal seine eigene Gruppe gehabt und denkt wie ein Anführer. Zu blöd, dass Koko genau so tickt. "Haltet beide die Klappe", zische ich und stelle mich dazwischen, bevor die ganze Sache in einem Streit ausarten kann. "Wo stecken Chifuyu und Takemichi?", fragt Koko und dreht sich zu mir um. Ich zucke mit den Schultern und gebe zurück: "Keine Ahnung. Takemichi ist der Kommandat, er kann tun und lassen, was er will." Koko seufzt genervt auf. "Früher haben wir nur aufeinander gehört, aber jetzt hörst du nur noch auf Takemichi", murmelt er eifersüchtig. "Hm?", frage ich und tue so, als ob ich ihn nicht verstanden hätte. Koko ignoriert mich. Warum ist er immer so schnell gereizt? Ich verstehe ihn nicht genau, aber wir sind schon so lange befreundet, dass ich das wohl auch nicht muss. Wenn mit Koko etwas nicht stimmt, dann schreit er mich entweder an, oder sagt mir ganz gelassen, was los ist. Da nichts von beidem gerade der Fall ist, sollte alles in Ordnung sein.

"Du...Inui?", fragt Koko nach einer Weile und dreht sich zu mir um. "Warum bist du nicht für mich dagewesen, als ich dich gebraucht habe? Ich hätte dich so sehr gebraucht und du...bist einfach nicht dagewesen." Verwirrt gucke ich ihn an, dann merke ich, das alle anderen um uns herum verschwunden sind. Was passiert hier gerade? Es schneit immer noch, aber der Schnee hat nichts mehr schönes, sanftes an sich wie zuvor. Es ist eiskalt. "Koko, was meinst du?", frage ich verwirrt. Kokos Lippen verziehen sich zu einem gequälten Grinsen. "Du weisst genau, was ich meine. Du hast mich verdammt nochmal einfach im Stich gelassen!", presst er hervor. Er macht ein paar Schritte auf mich zu und ich weiche zurück. "Du kümmerst dich doch gar nicht mehr darum, wie es mir geht! Seit wir von Black Dragon weg sind, geht's mir einfach nur noch beschissen und du hörst mir nicht mal mehr zu!", wirft er mir sauer vor. "Das stimmt doch gar nicht", stammle ich und weiche nochmehr zurück. Ich pralle mit dem Rücken auf eine Mauer. Scheisse, ich sitze in der Falle.

"Ich hätte dich gebraucht. Du hast mir nicht zugehört, alles was dich interessiert ist diese verdammte Gang. Du kümmerst dich nur noch um dich selbst, ich bin dir völlig egal! Ich hatte gar keine andere Wahl, als zu gehen!", zischt er sauer. "Aber Koko...ich...", flüstere ich und meine Augen weiten sich. Koko wischt sich mit dem Handrücken über die Augen. Er weint. Tränen rollen über seine Wangen. Ich hebe langsam die Hände, um ihn zu trösten, aber er schlägt sie weg. "Tu nicht so, als würdest du dich auch nur im Mindesten für mich interessieren. Hau ab. HAU AB!", schreit er mich an. Ich gucke schockiert. "Aber Koko, ich...", stottere ich, aber meine Stimme versagt und ich breche mitten im Satz ab. Koko kommt nochmals einen Schritt auf mich zu, sein Gesicht schwebt nur noch wenige Zentimeter vor meinem. Er beugt sich vor und flüstert mir zu: "Ich hätte dich wirklich gebraucht, Inui. Nur ein einziges Mal." Plötzlich fühle ich mich schuldig. "Koko, es tut mir Leid", sage ich und will meine Arme um ihn legen, ihn festhalten und trösten, so wie früher. Doch Koko stösst mich von sich weg. Eigentlich hätte ich eben gegen die Mauer fallen sollen, aber da ist nichts. Ich falle hinab in eine endlose Leere, das einzige was ich sehe ist Kokos enttäuschtes Gesicht und die glitzernden Schneeflocken auf seinem Haar. Ich komme nicht mehr dazu, nach ihm zu rufen.

Schweissgebadet fahre ich aus meinem Traum hoch. Mein Atem rast. Oh Gott. Ich kralle die Finger in die Bettdecke und atme tief durch. "Scheisse", flüstere ich und vergrabe das Gesicht in den Händen. Koko ist weg. Er hat uns alle verraten. Er hat mich verraten, ohne sich auch nur nach mir umzusehen. Ich hätte nie gedacht, dass ihm das alles so einfach fällt. Warum ist er nur so? Wir haben uns geschworen, alles immer zusammen zu machen. Und er hintergeht mich und wird Teil von Tenjiku. Er stellt sich auf die andere Seite, ohne mir zu erklären, warum. Koko gehört zu den Feinden. Ich sollte ihm nicht nachtrauern, so werde ich nie gegen ihn ankämpfen können. Ich kann immer noch nicht begreifen, dass dieser Koko, den ich kenne, derselbe sein soll, der jetzt gerade auf der Seite von Tenjiku gegen die Tokyo Manji-Gang kämpft. Ich schlucke mühsam die Tränen herunter. Koko ist es nicht wert für ihn zu weinen.