Mit einem leisen Klicken öffnete sich meine Wohnungstür. Bevor ich hinein trat, streifte ich noch meine Schuhe ab und schloss danach die Tür hinter mir. Erst jetzt setzte ich die Atemschutzmaske ab, die mir das gewohnte Gefühl von Sicherheit gab. Ich atmete tief durch und schmiss das Stück Stoff in den Müll.
Die Einkaufstüte, die neben mir stand, brachte ich in die Küche. Mit einem kleinen Desinfektionstuch wischte ich alle Lebensmittel ab, bevor ich sie nacheinander in den Kühlschrank stellte.
Mein Handy vibrierte in meiner Hosentasche. Ich zog mit geübten Zügen meine Handschuhe aus und holte das kleine Gerät heraus.
Hinata.
»Bist du heute hier?«
Schmunzelnd verdrehte ich die Augen. Heute war das erste Zusammentreffen der Volleyball Nationalmannschaft. Ich arbeitete im Management der Japanischen Volleyball Vereinigung und war somit quasi verpflichtet bei der Eröffnung dabei zu sein.
Ich schrieb Hinata jedoch, dass ich es mir noch überlegte, er sich aber keine allzu großen Hoffnungen machen sollte. Wer wusste schon, was alles bis dahin noch passierte? Doch innerlich wusste ich, dass ich sowieso hinfahre würde. Ich konnte mir jetzt schon das Schreien von der kleinen Orange vorstellen, wenn ich nachher tatsächlich vor ihm stand. Alleine diese Vorstellung brachte mich zum Lachen. Hinata hatte einfach viel zu viel Energie für die Größe seines Körpers.
Kaum hatte ich die Nachricht abgeschickt, vibrierte mein Handy erneut. Dieses Mal kam sie jedoch nicht von dem Orangehaarigen. Stattdessen blinkte eine App auf, auf der man mit irgendwelchen Fremden auf der ganzen Welt schreiben konnte. Die Nachricht, die ich bekam, kam jedoch nicht von einem Fremden. Zumindest war Hajime kein völlig Fremder. Schließlich kannten wir uns online schon einige Jahre.
Ich tippte auf den Pop-Up. Wie jeden Tag wünschte er mir einen guten Morgen. Dabei war es bei ihm erst 17 Uhr am Vortag. Hajime war zwar gebürtiger Japaner, lebte aber seit wir uns kannten in Kalifornien. Bei mir war es immer 16 Stunden später als bei ihm, was die Kommunikation etwas schwerer gestaltete. Oft schrieben wir einfach Nachts, wenn ich wieder aufgewacht war und nicht mehr einschlafen konnte. Zu Uhrzeiten, an denen die Gedanken am lautesten waren.
Im Gegensatz zu ihm wünschte ich ihm einen guten Abend und steckte anschließend das Handy wieder weg. Die letzten Einkaufe räumte ich an ihren Platz, bevor ich meine Hände geründlich wusch. Im Badezimmer tauschte ich meine Kleidung gegen frische, die ich bereits heute Morgen mit rausgesucht hatte. Die dreckige Wäsche stopfte ich gemeinsam mit ein paar anderen Sachen in die Waschmaschine.
Nachdem ich meine übliche Routine abgearbeitet hatte, lief ich ins Arbeitszimmer und fuhr den PC hoch.
Mein Kalender zeigte mir ebenfalls an, dass heute das erste Treffen war. Seufzend atmete ich durch. Wenn ich könnte, würde ich es wie immer machen. Einfach jemand anders vor schicken und alles aus sicherer Entfernung anschauen. Aber das ging nicht. Nicht dieses Mal. Heute hatte jeder Einzelne seine eigenen Aufgaben. Meine war es das Protokoll zu schreiben – eines der wichtigsten, aber auch anstrengendsten Aufgaben. Und da ich der Einzige war, der zu jedem Gesicht den Namen kannte und zudem eine sehr hohe Auffassungsgabe hatte, kam auch nur ich für diese Rolle in Frage.
Da das Event aber erst in ein paar Stunden los ging, öffnete ich den Chat mit Hajime auf meine PC, um meine Zeit etwas zu vertreiben.
»Hast du gerade Zeit?«, fragte ich deshalb. Ich wartete ein paar Sekunden, dann ein paar Minuten. Mit den Händen stützte ich meinen Kopf und starrte auf das "offline", in der Hoffnung, es würde sich so schneller in ein "online" verwandeln. Nachdem zehn Minuten später immer noch kein Lebenszeichen vom ihm kam, schloss ich den Messenger wieder und startete stattdessen wehmütig mein E-Mail-Postfach.
Ich klickte mich durch die neuen Mails, las sie aufmerksam und beantwortete die eine oder andere Frage. Einige Mails kamen von meinen Kollegen, die noch die letzten Klärungen für heute Nachmittag benötigten. Ich war zwar erst seit einem Jahr bei dieser Firma, trotzdem hatte ich das Gefühl, dass alle anderen dachten, ich wüsste über alles und jeden Bescheid. Doch da ich die meiste Zeit im Homeoffice saß, war dem nicht so. Ich konnte mir lediglich leicht Dinge merken.
Mit Blick auf die Uhr sah ich, dass ich in etwa einer halben Stunde losmusste. Ein Lächeln bildete sich auf meinen Lippen. Diese Zeit reichte locker, um die neuste Folge meines Anime zu schauen, die gestern Abend rauskam. Mit flinken Fingern klickte ich auf meiner Tastatur herum, bis die Stimme der Protagonistin aus dem Lautsprecher ertönte.
Kurz gesagt, ging es in der Serie um ein Kaiserreich im alten Asien, in dem eine versklavte Apothekerin lebte, die durch einen Zufall von der Situation im inneren Kreis Wind bekam. Es war zwar ein gefühlter Harem, aber man lernte viel über Medizin und solche Anime liebte ich.
Nachdem die Folge zu Ende war, fuhr ich widerwillig den PC runter. Ich wollte nicht wieder raus gehen. Alles in mir sträubte sich dagegen. Wenn ich nur daran dachte, wurde mir speiübel. Mein Herz schien unaufhörlich immer schneller zu schlagen, drohte mir aus der Brust zu springen. Doch es nützte nichts, mir blieb keine andere Wahl.
Mit Bauchschmerzen zog ich meine Handschuhe über, anschließend meine Straßenschuhe, die im Hausflur standen. Bevor ich die Haustür schloss, hielt ich inne und atmete tief durch. Du packst das schon, Naoto.
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Let me be your Hero - Iwaizumi x male OC
FanfictionDer zurückgezogene Naoto litt seit seiner Kindheit an einer Mysophobie - einer Keimphobie. Um seinen inneren Dämonen gegenüber zu treten, versucht er sich immer mehr an sozialen Interaktionen, was mal besser und mal deutlich schlechter läuft. Iwaizu...