ℕ𝕖𝕠𝕟𝕝𝕚𝕔𝕙𝕥

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Sie knipst verschlafen die Nachttischlampe an und blickt auf ihre Armbanduhr. Halb zwei morgens...Wer veranstaltet denn um diese Uhrzeit solch einen Lärm? Hat denn niemand mehr Anstand?!
Im Zimmer über ihr rumpelt es immer wieder laut und Schritte gehen auf und ab. Der Kater neben ihr streckt sich gähnend und blickt sie aus seinen strahlend grünen Augen an, die einen großen Kontrast zu dem weißen Kragen um seinen Hals bilden. Wie hätte sie es verkraften können, wenn ihren beiden Katzen bei dem Brand vergangene Nacht etwas passiert wäre? Ihr gesamtes Herzblut hängt an den beiden Tieren, die sie als Kitten abgemagert und verdreckt aus einem Müllcontainer gerettet hat.
Im Obergeschoss klappt eine Tür und es wird ruhig, doch kurze Zeit später springt die Katze, die friedlich auf der Fensterbank geschlafen hatte, auf und sträubt fauchend das Nackenfell. Ihr Blick ist starr und drohend auf die Zimmertür gerichtet.
Auf dem Hotelflur hallen leise Schritte.
Sie hasst es, wenn ihre Nachtruhe gestört wird. Leise schimpfend wühlt sie sich aus dem Bett, um diesem Delinquenten einmal gründlich die Meinung zu sagen. Sie öffnet die Tür, doch die Person ist bereits an ihrem Zimmer vorbeigegangen. Der Kegel einer Taschenlampe streift die Wände links und rechts. Als die Person eines der vom Mond hell erleuchteten Fenster passiert, kann sie kurz die dunkle Verhüllung erkennen, mit der die Person sich geschickt tarnt. Die Kapuze ist tief ins Gesicht gezogen und der Mund von einem Tuch verdeckt. Rasch verschwindet die Gestalt im Treppenhaus und tritt den Weg nach unten an.
Ihr Herz beginnt zu rasen. Ob es sich bei dieser Person um den Verbrecher der Vorkommnisse der vergangenen Tage handelt? Ihre müden Glieder ziehen sie zurück in Richtung Bett, doch ihr jahrzehntelang trainierter, polizeilicher Spürsinn hat bereits Alarm geschlagen. Da stimmt etwas nicht! Geh dem Typen hinterher! schreit alles in ihr.
Kurz entschlossen schlüpft sie in ihre Pantoffeln und wirft den weißen Hotelbademantel über. Leise schlappt sie über den Flur und folgt der Person durch das Treppenhaus.

Es ist stockfinster. Nur ganz unten ist noch der Schein der Taschenlampe wahrzunehmen. Was will der Jemand im Keller des Hotels? Die Luft wird immer kälter und sie beginnt zu frösteln. Sie folgt dem Licht, immer tiefer hinein in das weitläufige Kellergewölbe. Je näher sie dem Lichtkegel kommt, desto schneller rast das Herz in ihrer Brust.
Im Vorübergehen greift sie ein Holzscheit von einem großen, bis unter die Decke gestapelten Haufen an Feuermaterial. Nur so zur Sicherheit, denkt sie und tastet sich langsam in der Dunkelheit voran.
Sie nähert sich dem großen Kühlraum, in dem die Lebensmittel und Getränke aufbewahrt werden, und stutzt. Die Tür steht einen Spalt offen und drinnen brennt helles Neonlicht. Als sie vorsichtig um die Ecke schaut, sieht sie, wie die Person sich an der Nahrung zu schaffen macht. Sie kann das kleine Fläschchen in den Händen der Gestalt erkennen, wie sie es aufschraubt und etwas davon auf ein Lebensmittel träufelt.
Sie ist nun felsenfest davon überzeugt, dass es sich nicht um einen hungrigen Hotelgast handelt, der zur nachtschlafenden Stunde heimlich etwas naschen will.
„HÄNDE HOCH!", ruft sie laut und richtet ihr Stück Holz auf den Eindringling. Erschrocken wendet die Person sich ihr zu und lässt die Phiole hastig in der Jackentasche verschwinden. Dabei rutscht ihr die Kapuze vom Kopf.
HÄNDE HOCH!", donnert sie erneut und geht ein paar Schritte vor, „Sie haben eine Straftat begangen und ich werde alles vor der Polizei aussagen. Ich kann sie jederzeit identifizieren!"
Plötzlich streckt sich ihr ein blitzender Dolch entgegen. Sie lässt überrascht das Holz fallen. Mit einer solcher Situation war sie in ihrer gesamten Laufbahn als Kriminalkommissarin noch nie konfrontiert worden. Intuitiv versucht sie den Arm wegzuschlagen, doch sie muss einsehen, dass ihr Gegenüber stärker ist. Die Person packt mit festem Griff ihr Handgelenk. Sie weiß sich nicht mehr anders zu helfen und rammt in ihrer Panik dem Angreifer das Knie in den Bauch. Stöhnend krümmt er sich. Sie nutzt die Chance und rennt so schnell wie ihre alten Knochen sie noch tragen können, davon.
Keuchend hastet sie die Treppe ins Erdgeschoss hinauf. Bloß weg aus diesem Keller! Plötzlich bleibt sie an einer der unebenen Stufen hängen und stürzt. Ein rasender Schmerz schießt wie brodelnde Lava durch ihre Glieder und lässt ihr den Atem stocken. Schnell versucht sie sich wieder aufzurichten und davon zu humpeln, doch da hört sie bereits die Schritte hinter sich. Im nächsten Moment, als sie gerade panisch herumfahren will, geht sie auch schon unter der Wucht des Schlages auf ihren Hinterkopf zu Boden. Heiß breitet sich das Blut in ihren Haaren aus und sie schreit erstickt auf. Ein letztes Mal schiebt sich die Gestalt in ihr Blickfeld und sie kann das ekelerregende Grinsen in ihrem Gesicht erkennen, bevor alles um sie herum schwarz wird.

Neonlicht - KrimikurzgeschichteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt