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„Wo zur Hölle warst du? Ich hab' dir vorher schon extra nochmal geschrieben, damit du den Termin nicht vergisst und du schaffst es nicht, pünktlich oder überhaupt da aufzutauchen. Du bist doch kein Kind mehr! Kannst du nicht zu einem Termin einfach mal alleine pünktlich kommen? Und dann gehst du seit Ewigkeiten nicht an dein Handy. Wie oft hab' ich dir gesagt, dass du erreichbar sein sollst, wenn wir unterwegs sind?!" Michael war seit keiner Minute in Lenas Zimmer, da musste sie sich all das anhören. Er hörte auch gar nicht auf zu reden, während Lena in ihrem Stuhl nur immer kleiner wurde. Sie hatte die Augen geschlossen, versuchte sich auf ihre Atmung zu konzentrieren und Philipps Arbeit nicht sofort durch Tränen zu ruinieren. Was ihr Manager genau sagte, nahm sie dabei gar nicht richtig wahr. Philipp stand etwas überfordert daneben und sah den Älteren ungläubig an.





Schließlich stellte er sich zu Lena und versuchte den Anderen so aus seinem Redeschwall zu reißen. Ohne Erfolg. Es hagelte immer noch viel zu viele Worte aus seinem Mund und Lena hatte alle Mühe sich zusammenzureißen. „Ist doch gut jetzt", unterbrach Philipp Micha irgendwann, als er endlich eine seiner kurzen Redepausen erwischte. Ungläubig sah Michael den Make-Up-Artisten an. „Es hat doch jetzt keinen Sinn sich darüber aufzuregen. Wir haben auch gleich noch Termine", gab Philipp vorsichtig zu bedenken. Micha holte schon wieder Luft für die nächste Rede, da stand Lena plötzlich auf. „Müssen wir nicht los?", fragte sie leise. Alle sahen kurz auf die Uhr, schnappten dann ihre Sachen und verließen den Raum, um zum Auto zu gehen. Philipp dabei die ganze Zeit an Lenas Seite, Micha ein paar Schritte vorweg. Alle schwiegen.





Im Auto begann Micha dann, als wäre nichts gewesen, die Einleitung für den ersten Termin zu geben. Ein Interview für ein TV-Magazin. Die Fahrt über schaffte Lena es ganz gut, sich auf den Termin einzustellen und gedanklich vorzubereiten. Den Vormittag musste sie jetzt verdrängen. Etwas anderes blieb ihr nicht übrig. „Warum warst du heute Vormittag nicht da? Hast du verschlafen?!", wollte Micha dann aber doch noch wissen. Zu Lenas Glück, hielt der Wagen da aber grade an der Zieladresse und sie mussten zügig aussteigen. „Ich war da", murmelte sie nur leise und folgte ihrem Manager. Philipp war der Einzige, der ihre Worte gehört hatte. Verwirrt folgte er ihr. Wenn sie tatsächlich da gewesen war, wieso hatte Micha sie nicht gesehen und anscheinend auch von allen anderen Anwesenden niemand? Und wieso war sie dann wieder im Hotel gewesen? Philipp hatte jetzt zwar noch mehr Fragen als ohnehin schon, aber Zeit dafür war keine und so machten die Drei sich auf den Weg zum ersten Termin.





Den Tag über funktionierte es tatsächlich ganz gut, den Vormittag einfach zu verdrängen. Sie hatte keine Zeit darüber nachzudenken was passiert war und sie wollte auch gar nicht darüber nachdenken. Nur wenn jemand ihr irgendwie näherkam, um zum Beispiel für ein Foto zu posieren, dann konnte sie nicht kontrollieren, wie ihr Körper mit Anspannung reagierte. Sie suchte immer den schnellsten Weg wieder aus der Situation. Insgesamt schien aber niemandem aufzufallen, wie es ihr eigentlich ging. Zugegebenermaßen fiel es ihr aber auch selbst gar nicht so richtig auf. Erst als sie am späten Abend, nach einer Late Night Show, wieder auf ihrem Hotelzimmer war, fiel ihr wieder ein, wie sie sich gefühlt hatte, als sie diesen Raum das letzte Mal betreten hatte.





Mit einem Kopfschütteln versuchte sie ihre Gefühle wieder abzuschütteln und lief erstmal ins Bad. Ihr Blick ging kurz in den Spiegel. Nein, heute sah sie wirklich nicht gut aus. Dass sie in dieser Woche beinahe noch ein Shooting in Bikini und Unterwäsche gehabt hätte, wenn sie Micha nicht schnell genug dazwischengefunkt hätte, verstand sie grade wirklich nicht. Wie konnte jemand das sehen wollen? Sehen und fotografieren? Es dauerte einen Moment, bis sie ihren Blick von sich nehmen konnte, aber dann stieg sie erstmal in die Dusche. Leider kamen dann auch die Gedanken wieder. Ihr blaues Handgelenk erinnerte sie zu gut daran, wie der Mann sie festgehalten hatte und sofort blitzten alptraumartige Erinnerungen vor ihren Augen auf.





Sie versuchte wirklich, sich auf etwas anderes zu konzentrieren. Oder wenigstens die Bilder loszuwerden, aber durch das Rauschen des Wassers hörte sie seine Stimme und durch die heiße, neblige Luft sah sie sein Gesicht. Es ging nicht. Sie wurde das nicht mehr los. Und es fühlte sich an, als würde er sie wieder festhalten, ihr wieder näherkommen, sie wieder küssen. Hatte er das überhaupt, oder bildete sie sich seine trockenen Lippen auf ihren nur ein? Sie wusste es nicht mehr, aber die Panik kam wieder hoch und schließlich fiel sie beinahe weinend aus der Dusche. Sie schaltete das Wasser aus und atmete in der gewonnenen Stille mehrmals tief durch. Wieder sah sie in den Spiegel und versuchte sich zu beruhigen. Sie war allein. Hier war niemand der ihr etwas tun könnte. Sicher fühlte sie sich trotzdem nicht, aber irgendwie schaffte sie es wenigstens eine weitere Panikattacke zu verhindern.


Überraschungskapitel😅 Ich versuche jetzt mal 2x die Woche etwas hochzuladen, kann aber nichts versprechen. Über etwas mehr Rückmeldung würde ich mich auch freuen😉

Echo der BegegnungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt