Kapitel 10

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Die Frage von Andreis Freund hing für einen Moment in der Luft. Die anderen Männer sahen mich abwartend an, während ich mich in der Gruppe unbehaglich fühlte. Sie hatten mich kaum kennengelernt und nun luden sie mich schon ein, mit ihnen zu feiern. Könnte das eine Falle sein? Wollten sie mich nur von allen trennen und mich dann kaltblütig zu ermorden, weil ich versuchte, ihre wahren Absichten zu entlarven, sofern sie denn welche hatten? Ich war die Stille, die Fremde in ihrer Mitte. Die kleine, graue Maus, die in ihrem Leben noch nie zuvor feiern war. Selbstverständlich hatte mein Onkel vereinzelt Veranstaltungen ausgerichtet, auf welchen er mich als Kellnerin einsetze oder ich in der Küche helfen musste, doch noch nie war ich ein Gast. Wird das Feiern gehen genauso sein, wie die Stimmung auf seinen Veranstaltungen?

Ein schlanker, braunhaariger Mann mit einem verschmitzten Lächeln trat vor und streckte mir seine Hand entgegen. »Ich bin Jake«, stellte er sich vor, »und die anderen da sind Max und Ethan.« Jake hatte dunkle Augen, schwarze Haare und trug eine Lederjacke, die ihn noch cooler wirken ließ. Er war derjenige, der Andrei eben fragte, ob ich sie heute begleiten würde. Max war größer, mit einem dichten Bart und tiefen Grübchen in den Wangen. In diesem Moment wirkte er nachdenklich. Ethan hingegen hatte braune Haare, die ihm lässig in sein Gesicht hingen und ein breites Grinsen, das ihn fröhlich und unbeschwert erscheinen ließ.

Ich musterte sie und versuchte, ihre Charaktere anhand ihres Aussehens einzuschätzen. Jake schien der Draufgänger zu sein, Max der Denker und Ethan der Spaßvogel. Andrei hingegen, schien unter ihnen so etwas wie der Anführer zu sein. Sie waren alle auf ihre eigene Art faszinierend und ich konnte nicht anders, als mich zu fragen, wie sie in diese gefährliche Welt geraten waren. Ein zaghaftes Nicken meinerseits schien genug Zustimmung für Andrei zu sein. Er grinste und schlug mir gönnerhaft auf die Schulter. »Sehr gut, kleine Rose. Wir werden eine großartige Nacht haben.« Ein breites Grinsen hatte sich auf seinem Gesicht gebildet.

Jake trat vor und übernahm das Wort. »Wir treffen uns in zwei Stunden am Haupttor, um 19 Uhr«, sagte er und lächelte. »Bis dahin kannst du dich umziehen oder was ihr Frauen sonst so tut, wenn ihr auf Partys geht.« Ich nickte erneut und spürte, wie sich eine gewisse Aufregung in mir breitmachte. Ich würde also tatsächlich mit diesen Männern ausgehen und ich konnte nicht leugnen, dass die Vorstellung, in ihr Leben einzutauchen, mich reizte. Andrei schien meine Gedanken zu erraten, als er sich neben mich stellte. »Ich bringe dich zurück zu deinem Zimmer«, sagte er und führte mich durch die Gemeinschaftshalle zurück zu dem Ort, an dem wir gestartet waren. Wir gingen schweigend nebeneinander her und ich konnte nicht umhin, über die Einladung nachzudenken. Warum hatten sie mich eingeladen? War es nur Höflichkeit oder steckte mehr dahinter? Als wir vor meinem Zimmer ankamen, drehte sich Andrei zu mir um und lächelte. »Wir haben noch ein paar Dinge zu erledigen, bevor wir uns treffen.« Sein Lächeln wirkte freundlich, aber ich konnte dennoch eine undeutliche Dunkelheit in seinen Augen erkennen. Er schien mehr zu wissen, als er preisgab. 

Als ich in meinem Zimmer stand und auf das Treffen in zwei Stunden wartete, versuchte ich, meine Unsicherheit zu überwinden. Es war an der Zeit, aus meiner Komfortzone herauszutreten und diese neue Erfahrung zu machen. Trotz meiner Ängste und Zweifel konnte ich nicht leugnen, dass ich gespannt darauf war, herauszufinden, was diese Nacht für mich bereithielt.

Die Tür meines Zimmers öffnete sich und Dimitrij trat ein. Seine Anwesenheit überraschte mich, aber ich begrüßte ihn mit einem leichten Lächeln. Wir hatten in den vergangenen Tagen nicht gerade viel Zeit miteinander verbracht. Vielleicht half diese kurzzeitige Distanz zwischen uns mir auch, meinen Traum von vor ein paar Tagen zu verarbeiten. Wir würden uns doch niemals gegenseitig verletzen, zumindest nicht absichtlich. Meine Reaktionen auf ihn und Xavier am Morgen nach meinem Albtraum war also vollkommen unangebracht.

TimeaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt