Vor dem Drehkreuz scanne ich meinen Paddock Pass ab und drücke das kalte Metall vor mir weg. Der Paddock fühlt sich wie eine andere Welt an. Überall laufen Mitarbeiter von den verschiedenen Rennställen rum. Fernsehkameras verfolgen Reporter und Fotografen laufen hinter vermeintlichen Fahrern her. Jemand stößt mich von hinten an und ich stolpere nach vorne. Eine starke Hand umfasst mein Handgelenk und zieht mich ruckartig zurück. Mit Schwung stoße ich gegen eine harte Brust und ein starker Arm umfasst meine Hüfte. Ein würziger Duft von Zitrone und Sandelholz vernebelt meine Sinne. Mein Blick schweift langsam nach oben um in das Gesicht zusehen, welches mich bestimmend an sich drückt. Meine Augen wandern über meine Hände, welche sich in ein rotes T-Shirt krallen, dann über einen definierten Kiefer, welcher mit einem leichten Drei-Tage-Bart geschmückt ist. Seine Wangen zieren leichte Grübchen und an seinen, von der Sonne, goldbraun leuchtenden Augen bilden sich kleine Fältchen. „Langsam", grinsend blickt der Unbekannt auf mich runter. Er ist knapp zwei Köpfe größer als ich und selbst mit High Heels müsste ich mich auf Zehenspitzen stellen um ihn zu küssen. Erschrocken von meinen eigenen Gedanken schüttle ich unmerklich meinen Kopf und entferne mich einige Zentimeter von ihm. „Ich..eh..eh.. Sorry", stammle ich vor mich hin. Seine Fältchen an den Augen werden durch sein heranwachsendes Grinsen immer intensiver. „Es war nicht deine Schuld. Ich hab es nur eilig. Schön dich kennenzulernen". Damit trat er an mir vorbei und lief weiter. Ich blickte ihm verwirrt hinterher und beobachtete ihn, wie er sich zwischen den vielen Leuten seinen Weg suchte. Zwischen einer Traube von Menschen dreht sich der Unbekannte plötzlich um, zwinkert mir zu und winkt in einer kurzen Handbewegung.
Ich stehe immer noch erstarrt an der Stelle wo mich der Fremde zurückgelassen hat, als Max seine Hand auf meine Schulter legt. „So sprachlos habe ich dich ja schon lange nicht mehr gesehen. Wer hat dich denn so aus der Fassung gebracht?". Seine Stimme kommt nur langsam in meinem Kopf an, zu sehr vernebelt der, langsam weniger werdende Duft des Fremden meinen Kopf. Ich sehe zu Max hoch. Erst jetzt fällt mir auf, dass auch Max etwa zwei Köpfe größer ist als ich. Meine Gedanken schwirren durch meinen Kopf und ich versuche sie so schnell wie möglich zu ordnen. Doch bevor ich das schaffe, zieht mich Max am Handgelenk mit.
Im Schnelldurchlauf zeigt mir Max die wichtigsten Gebäude im Paddock. Zuletzt kommen wir am Motorhome von RedBull an. „Hier wären wir." Eine blonde Frau mittleren Alters öffnet uns mit einem freundlichen Lächeln die Tür. Wir treten in einen Raum, wo es köstlich nach Kaffee riecht und in diesem Moment bemerke ich, dass ich kaum etwas gegessen habe. Mein Magen macht sich direkt mit einem lauten Grummeln bemerkbar. „Da scheint jemand Hunger zu haben", lachend kommt Kelly uns entgegen und umarmt mich feste. Sie küsst Max sanft auf die Lippen und umarmt ihn danach.
„Was haltet ihr davon, wenn ihr zwei was Essen geht und ich mich an die Arbeit mache?". fragt Max. „Sehr gut Idee. Ich führe dich rum!". Begeistert hakt Kelly sich bei mir ein und geht mit mir aus dem Motorhome. Während sie mir viel über die Formel Eins erzählt, führte sie mich bis zum Paddock Club. „Ich hoffe es ist in Ordnung, wenn wir eine Freundin von mir treffen". Ich nickte und gemeinsam gehen wir die Stufen zu einem Restaurant hoch. In einem großen Überdachten Bereich stehen viele gedeckte Tische mit weißen Stühlen. Auf jedem der Tische stehen durchsichtige Vasen mit verschiedenen weißen Blumen. An den Decken hängen weiße Leinen Tücher, welche die gräuliche Zeltplane verdecken sollen. In der Mitte des Raumes steht ein großes weißes Sofa, welches mit beigefarbenen Kissen dekoriert ist. Zu meiner linken ist eine Theke aufgebaut, welche sich über die Länge des Raumes erstreckt. An ihr stehen Kellner, welche darauf warten, dass ihre Getränkebestellungen gemacht werden. Zwischen den Tischen laufen Kellner in grauen Hemden und schwarzen Hosen. In ihren Händen halten sie Tabletts mit Champagner Gläsern.
Kelly geht auf einen Kellner zu und reicht mir ein Glas. Sie geht zwischen den Tischen vorbei in Richtung einer Sitzlounge, auf welcher bereits eine Frau sitzt.
Kelly geht auf die Frau zu und begrüßt sie mit einer Umarmung. „Darf ich dir die beste Freundin von Max vorstellen? Das ist Ana. Ana das ist Kika". Kika reicht mir die Hand und begrüßt mich mit einem liebevollen „Hi". Die beiden setzten sich und unterhalten sich direkt. Ich setze mich zu ihnen und schaue mich im Paddock Club um. Es sind die unterschiedlichsten Menschen vertreten. In der einen Ecke stehen Fans, welche von oben bis unten in Mercedes Merch gekleidet sind. An den Tischen sitzen Frauen und Männer, die nur so vor Geld strotzen. An einer Videowand wird gerade Max in einem Interview gezeigt. Da die Lautstärke so laut ist, kann ich kaum verstehen worüber sie reden.
„Ana warst du schon einmal bei einem Rennen?". Kika's Stimme reißt mich aus meinen Gedanken. Ich schüttle den Kopf, „Nein. Das ist mein erstes Rennen". Kika nickt. Ein Kellner tritt zu uns und stellt uns einige Snacks auf den Tisch. Ich greife direkt zu und schiebe mir eine Art Törtchen in den Mund. Es schmeckt köstlich und mein Magen dankt mir. Nachdem wir die Snacks gegessen haben, erklären Kika und Kelly mir alles wichtige für das kommende freie Training. Wir verstehen uns sehr gut.
Bevor das Training anfängt, setzten sich die beiden neben mich um besser auf die große Leinwand gucken zu können. Eine Reporterin läuft gerade durch die Boxengasse und interviewt ein paar Fahrer. „Du hast keinen Freund oder?", fragt mich Kelly. „Nein", antworte ich kurz, weil ich dem Geschehen auf der Leinwand folge.
„Dann suchen wir dir einen", kichert Kika neben mir.
Die Kamera zeigt gerade die Augen eines Fahrers, welcher bereits in seinem Auto sitzt. Er scheint sich selber im Bildschirm vor ihm zu sehen und lächelt in die Kamera. Um seine Augen bilden sich die selben Lachfältchen wie bei dem Fremden vorhin am Eingang. Durch den Helm, kann man jedoch nicht mehr als seine Augenpartie erkennen. Ich beuge mich zu Kelly. „Wer ist das?" frage ich sie. „Das ist Charles, er fährt für Ferrari. Max und Er kennen sich seit dem Kart fahren. Kennst du ihn?". „Nein". Kelly grinst mich an. „Er ist ein ganz Lieber. Er ist nur im falschen Team."
Sie zwinkert mir zu und richtet ihren Blick wieder auf die Leinwand.
Das freie Training geht los. Nach einiger Zeit bemerke ich, wie mir jede Runde mehr und mehr Herzklopfen vor Aufregung beschert.