Ein nervtötendes Klingeln riss mich aus dem Schlaf. Verschlafen schreckte ich hoch und tastete nach dem immer lauter werden Klingeln. Wer meinte, er müsse mich so früh anrufen und wer hat dieses verdammte Telefon so laut gestellt! Während meine Hand blind nach meinem Telefon tastete räumte ich noch schnell mein Buch, welches ich gerade las, vom Nachttisch. Als mich das helle Display blendete kniff ich die Augen zusammen und ärgerte mich über mich selber, da ich es am Abend zu vor nicht dunkler gemacht hatte. Diese verdammte Technik.
Mehrfach tippte mein Daumen auf den kleinen grünen Hörer, doch es passierte rein gar nichts.
Der Anruf wurde beendet und leise fluchend lag ich wieder im Dunkeln.
Mit dem Handy in der Hand setzte ich mich auf, strich meine zerzausten Haare aus dem Gesicht und schaltete mein Handy ein. Der erste Blick ging zu der digitalen Uhr auf dem Startbildschirm. 6.27 Uhr. Der zweite Blick viel auf den verpassten Anruf von meinem besten Freund. Schnell ging ich in Gedanken durch, ob ich irgendetwas wichtiges vergessen hatte. Er war selber ein Langschläfer, weswegen diese Uhrzeit sehr unpassend für ihn war. Doch bevor ich weiter nachdenken konnten oder mir Sorgen machen konnte, klingelte mein Handy erneut. Bevor ich den Anruf annahm machte ich mir im Kopf eine kleine Erinnerung, nach dem Gespräch die Lautstärke leiser zu stellen.
Diesmal klappte das Annehmen, des Anrufes beim ersten Mal. „Ja?" sagte ich verschlafen in den Hörer. „Jaaa? Hast du was vergessen?" sagte Max so laut, dass ich an den Knöpfen an meinen Telefon rumdrückte, um ihn leiser zu bekommen. „Nicht das ich wüsste. Wieso?". Ich konnte sein herzhaftes Lachen hören. „Warum stehe ich wohl um..." er machte eine kurze Pause, vermutlich weil er auf die Uhr sah „6.30 vor deiner Wohnungstür? Die immer noch verschlossen ist. Schnell schlug ich die Bettdecke beiseite, schlüpfte in meine Pantoffeln und schlurfte zur Wohnungstür. „Weil du nicht schlafen kannst?"
Mit einem lauten Knacken drehte ich den Schlüssel im Schloss um und drückte die Türklinke runter. Vor mir stand Max in einer tief sitzenden schwarzen Jogginghose, einem dunkel blauen Shirt und seiner RedBull Kappe auf dem Kopf. Er grinste mich breit an, legte auf und lies das Handy in seine linke Hosentasche gleiten. „Ich kann immer schlafen. Das solltest du nach fast 23 Jahren wissen" lachte er. Immer noch verwirrt sah ich ihn an. „Bist du fertig?" sein Blick wanderte über meinen Körper. Die zerzausten Haare, der zerknitterte Schlafanzug und die Hausschuhe ließen ihn wohl eins und eins zusammen zählen. „Sieht nicht so aus." lachend drehte er mich an den Schultern um und schob mich in meine Wohnung. Mit dem Fuß schloss er die Tür. „Wofür denn fertig?" verwirrt sah ich ihn an. Lachend warf er den Kopf in den Nacken. „Du wolltest mit nach Bahrain. Also los, zieh dich an und pack deine Sachen."
Plötzlich fiel mir alles wieder ein. Ein paar zu viele Drinks, eine Wette und ich war mitten im Formel Eins Leben angekommen. Vor etwa zwei Wochen verbrachten Max und ich einen Samstag Abend in einer Strandbar in Monaco, seiner neuen Heimat. Durch seine Trainingseinheiten mit seinem Rennstall hatten wir uns lange nicht gesehen. Nach zu vielen Tequilas und ein paar Cocktails, war Max auf die glorreiche Idee gekommen, dass ich nach meinem letzten Semester mit ihm um die Welt reisen könnte. Blöd war nur, dass ich ihn dafür an den Wochenenden zu den Rennstrecken begleiten musste. Er meinte immer wieder, das ich dort mit meinem, grade angeschlossenen, Journalismus Studium viel lernen könnte und er mir die Welt der Formel 1 noch schmackhaft machen würde.
Wie in Trance packte ich die wichtigsten Sachen für meine erste Reise zusammen. Als alles im Koffer war, band ich mir schnell einen Zopf und schlüpfte in bequeme Sachen.
Keine Stunde später, saßen wir bereits im Flieger.
Max saß in einem weißen Ledersitz vor mir und sah mich durch seine dichten dunklen Wimpern an. „Du brauchst nicht nervös zu sein." sagte er. „Bin ich nicht", murmelte ich vor mich hin und sah aus dem Fenster. Unbewusst spielte ich an meinem zarten goldenen Ring, welchen meinen linken Ringfinger schmückte. Ich hatte ihn vor etwa zwei Jahren von meinen Eltern zum Geburtstag bekommen. Kurz bevor sie bei einem schweren Autounfall ums Leben gekommen sind. Seit diesem Tag hatte ich ihn nie wieder ausgezogen, um wenigstens einen kleinen Teil meiner Familie bei mir zu haben. Ich blickte auf den kleinen eingelassene Stein im Metall und strich mit meinem Daumen vorsichtig drüber.
Eine große Hand legte sich auf meine. Mein Blick glitt in Max's Augen. „Was soll schon passieren? Du wirst es lieben glaub mir." Ich nickte vorsichtig.
Nach meinem Studium, welches ich vor etwa 7 Monaten beendet hatte, hatte ich keine wirkliche Chance bekommen, mein Talent unter Beweis zu stellen. Jedes Bewerbungsgespräch verlief gleich, man wurde eingeladen, legte einen Seelenstripteas hin und wurde am Ende nur mit den Worten Wir melden uns bei Ihnen vertröstet. Nach dem fünften Bewerbungsgespräch, welches ähnlich lief entschied ich mich dazu eine Pause einzulegen. Von meinem Ersparten konnte ich wenigstens etwas leben und den Rest erarbeitete ich mir in einem kleinen Café, in welchem ich zwei Mal die Woche aushalf.Nach etwa drei weitern Stunden im Flieger kamen wir endlich in Bahrain an.
Max und ich stiegen gemeinsam aus dem Flieger und wurden direkt durch einen Chauffeur in Empfang gekommen. Er nahm uns unsere Koffer ab, verfrachtete sie im Kofferraum und hielt sowohl mir als auch Max die Wagentür auf.
„Fahren wir direkt zur Rennstrecke?" fragte ich Max und schnallte mich an. Max tat es mir gleich und antwortet „Ich muss direkt zu ein paar Interviews. Du kannst gerne mitkommen oder der Fahrer fährt dich gleich ins Hotel." Ich überlegte kurz, jedoch stand die Antwort für mich schnell fest. Wenn ich schon dabei bin, wollte ich auch direkt das volle Programm mitmachen. Ich teilte Max meine Entscheidung fest und schon ging es los für uns in Richtung Rennstrecke.
Auf der Autofahrt konnte man bereits die ersten Fans sehen. Die meisten waren passend zu ihren favorisierten Rennställen angezogen.
Der Fahrer bog um eine Kurve. Durch die Frontscheibe konnte ich den großen Schriftzug F1 Paddock erkennen. Es waren bereits einige Menschen unterwegs, die an den Drehkreuzen ihren Pass vorzeigten und so durch den Eingang kamen.
Max drückte mir ebenfalls einen Pass in die Hand. Als der Wagen hielt, stiegen wir beiden aus. Einige Fans hatten sich am Eingang des Paddock's aufgestellt und begrüßten uns mit lauten Geschrei. Sie riefen Max's Namen wild durcheinander. Mein Blick wanderte zu Max, welcher bereits bei einigen Fans stand und Fotos machte oder Autogramme gab.
„Miss?" die Stimme des Fahrer's riss mich aus meinem Staunen. Er hielt mir meine Handtasche entgegen, welche ich dankend annahm. Auch Max kam zum Auto und nahm seinen Rucksack.
„Bereit?" Max wandte sich an mich. Ich nickte und setzte mich hinter ihm in Bewegung.