Die ersten Töne von Bad Blood erklangen, also Olivia die Augen aufschlug. Stöhnend richtete sie sich in ihrem Bett auf, knipste die kleine Nachtischlampe an und sah sich um. Wie jedes Mal, wenn sie das tat, bemerkte sie, dass dieses Zimmer nicht zu ihr passte. Alles wirkte gestellt, zu perfekt. Es war ordentlich, obwohl in ihrem Kopf und ihren Gedanken reinstes Chaos herrschte. Eine Wand war in einem Gelb gestrichen, dass sie nicht mochte. An ihrer Tür hing noch ein Pferdeposter, obwohl sie schon seit Jahren nicht mehr ritt. Auf ihrem Schreibtisch stand ein Foto mit ihrer Mutter, ihrem Bruder und Olivia. Sie sahen glücklich aus, wie eine perfekte Familie, doch auch das waren sie nicht. Nicht mehr. Olivia schloss die Augen und seufzte. Dann schlug sie die Decke zurück, schwang die Beine aus dem Bett und tapste zu ihrem Kleiderschrank. Schnell zog sie sich eine Hose an und schlüpfte in einen Pullover. Olivia schnappte sich ihr Handy und ihren Schulrucksack, öffnete die Tür und ging nach unten in die Küche. Im Flur stellte sie ihren Rucksack ab, bevor sie dann in die Küche trat. "Guten Morgen, Schatz!", begrüßte sie ihre Mutter. "Morgen", nuschelte Olivia und setzte sich mit ihrem Handy in der Hand an den Esstisch. "Vergiss das Gespräch heute nicht, Olivia." Von einem Moment auf den anderen lief es Olivia eiskalt über den Rücken und ihr wurde schlecht. "Jaja", würgte sie hervor. Betont unauffällig stand sie wieder vom Esstisch auf und wendete sich an ihre Mutter. "Ich hab keinen Hunger. Ich nehm mir was für die Schule mit.", sagte sie, schon auf dem Weg zur Treppe. "Ist gut.", antwortete diese. Olivia atmete tief durch, während sie die Treppe hinauf stieg. Sie musste schlucken. Das Gespräch. In der ersten Pause. Sie versuchte den Gedanken aus ihrem Kopf zu schieben und stieß die Tür zum Badezimmer auf. Als sie das Licht einschaltete, brauchte sie einen kleinen Moment, um sich an das Licht zu gewöhnen.
Nachdem sie sich fertig gemacht hatte, ging sie zurück in ihr Zimmer, setzte sich auf ihren Schreibtischstuhl und öffnete Instagram. Ihr sprangen, wie immer, zwei bekannte Gesichter entgegen. Madison und ihre neue beste Freundin. Arm in Arm in einem Park. Olivia schloss die Augen und das, was sie in diesem Moment spürte, war ein anderes Gefühl als sonst in diesen Momenten. Die Trauer, die sonst ihren ganzen Körper erfüllte, war nicht da. Nein, sie verspürte Wut. Auf Madison. Madison, die nicht ein einziges Mal gefragt hat, wie es ihr ging. Madison, die wusste, dass es ohne sie so schwer sein würde. Madison, der es vollkommen gleich war, wie ihre alte beste Freundin nun zurecht kommt. Und dabei wusste sie genau, wie es war. Olivia blinzelte die Tränen zurück und öffnete den Chat mit Madison, der inzwischen veraltet war. Erneut las sie sich die Worte von Madison durch, die diese eine Woche nach dem Umzug an Olivia geschickt hatte.
Hey Livi,
es tut mir leid, dass ich nicht auf deine Nachrichten geantwortet habe. Ich wollte dir sagen, dass ich das in der Zukunft auch nicht tun werde. Ich muss abschließen, es hinter mir lassen, damit ich hier neu anfangen kann, neue Freunde finden kann. Und das solltest du auch tun. Abschließen und neue Freunde finden, Liv. Viel Glück in deinem Leben, vor allem in der Schule. Ich wünsche dir ein schönes Leben.
Maddi
Und wie immer nachdem Olivia sich das durchlas, liefen ihr die Tränen über die Augen. Denn jetzt war es in der Schule und auch außerhalb so, wie es war, bevor Madison an die Schule kam. Einsam. Kalt. Und das Schlimmste war, dass sie nicht neue Freunde finden konnte. Sie wollte ja, doch sie kann kein Vertrauen in Menschen mehr fassen, nicht nach dem ihr der wichtigste Mensch in ihrem Leben das Herz gebrochen hatte und einen Scherbenhaufen hinterlassen hatte. Und das, aus dem der Scherbenhaufen entstanden ist, war nie ein ganzes Stück. Das Stück war eingerissen, bröckelte und instabil. Doch bei wem ist schon alles vollkommen? Bei wem gibt es keinen Riss? Keinen einzigen? Olivia holte ihr Notizbuch aus der untersten Schublade, schlug es auf und schrieb genau diese Worte hinein.
Die Schulglocke läutete und alle stürmten aus dem Klassenraum. Olivia lies sich Zeit. Als sie den Klassenraum verlies, blieb kurz stehen und beobachtete die Menschen, die hektisch im Flur herumliefen. Sie schluckte und setzte sich in Bewegung - in Richtung Schulbüro. Vor dem Büro vom Schulleiter, traf sie auf ihre Mutter. "Hallo Schatz! Na, bereit? Es wird sicher nichts Schlimmes sein.", empfing sie diese. Olivia versuchte sich an einem Lächeln, lies dies jedoch schnell wieder sein. Als ihre Mutter an der Tür klopfen wollte, wurde die mit Schwung bereits geöffnet und Herr Kliebel, der Schulleiter des Gymnasiums Eichenwald, lächelte ihnen entgegen. "Guten Morgen, meine Damen. Kommen Sie gerne herein.", sagte er und stolzierte zu seinem Schreibtisch zurück. "Setzen Sie sich doch" Er deutete auf zwei Stühle, die fein säuberlich vor dem Schreibtisch standen. Olivia und ihre Mutter nahmen Platz. "Dann lasst uns mal keine Zeit verschwenden."
... Wie das Gespräch verläuft, erfahrt ihr im nächsten Kapitel...
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Speak Now
Teen FictionOlivia ist eine Einzelgängerin. Sie zieht sich lieber in eine Ecke zurück und hört Taylor Swift, ihr Zufluchtsort. Doch in der Schule sollen sie nun zu zweit ein Projekt starten. Zu zweit. Also muss Olivia aus sich rauskommen und jemanden finden mit...