Kapitel 2

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"Frau Steiner, sie wissen bestimmt, um was es hier geht.", sagte Herr Kliebel mit seiner dunklen Stimme an Olivias Mutter gewandt. Diese runzelte die Stirn und warf Olivia einen schnellen Seitenblick zu. Olivia schaute auf den Boden, nicht in der Lage ihrer Mutter in die Augen zu schauen. Ihre Hände wurden schwitzig und sie wippte mit einem Beinunruhig auf und ab. "Ich nehme mal an, die guten Leistungen in ihren Arbeiten.", erklang die Stimme verunsicherte Stimme ihrer Mutter. Olivia verdrehte innerlich die Augen. Verwirrung spiegelte sich in dem Gesicht von Olivias Gesicht, aber auch in dem von Herrn Kliebel ab. "Nun ja, das mag  ja stimmen, doch im Unterricht sieht es ganz anders aus. Dort ist es wohl eher das Gegenteil von dem, was Olivia an Leistung zeigt, obwohl dies mal genauso war, wie ihre Arbeiten", erwiderte Herr Kliebel. "Olivia, möchtest du selber erzählen?" Stille breitete sich im Raum aus, die mit einer gewissen Kälte eine Gänsehaut auf Olivias Haut ausbreitete. Sie musste schlucken. Olivia kämpfte mit den Tränen. Nein. Sie konnte es definitiv nicht ihrer Mutter selbst erzählen. Nicht, ohne die Hälfte wegzulassen und ohne zu weinen. Stumm schüttelte sie ihren Kopf. "Nein", brachte sie hervor, bevor sie ihren Blick wieder auf den Boden lenkte und ihre Hände knetete. Herr Kliebel räusperte sich. "Nun gut. Frau Steiner, ihre Tochter war einst eine der besten Schülerinnen des Jahrgangs und in Arbeiten kann sie dies immer noch zeigen, doch im Unterricht ist nichts, nichts mehr davon über. Fast jeden Tag verspätet sich Ihre Tochter oder scheint gelegentlich nicht einmal. Die Verspätungen haben eine Grenze überschritten, die ich so nicht mehr akzeptieren kann. Darüber wurden Sie eigentlich auch schon in Kenntnis gesetzt, doch wie es scheint, sind die Mails und Briefe nicht bei Ihnen angekommen. Ein weiterer Punkt wären die Hausaufgaben. Die werden bei Olivia meist nicht angefertigt oder sind nicht vorzeigbar. Früher hat Olivia ihre Hausaufgaben stets zuverlässig angefertigt, doch das macht sie nicht mehr. Warum, kann ich Ihnen nicht sagen und deswegen sind wir hier, denn auch die mündliche Beteiligung am Unterrichtsgeschehen ist kaum noch vorhanden. Ebenso die Materialien, die meist nicht vorhanden sind oder nicht zum richtigen Fach passen. Also, Olivia, nach dem wir die Lage geklärt haben, warum ist dies so?" Olivia blickte auf und sah ihre Mutter an, die mit einem ausdruckslosen Gesichtsausdruck neben ihr saß. "Ich weiß es nicht.", wisperte sie. Und meinte es zum Teil auch so. "Mir ist aufgefallen, dass dies der Fall ist seit Madison die Schule verlassen hat richtig? Und auch eventuell, seit dieses tragische Ereignis mit deinem Vater passiert ist, nicht wahr, Olivia? Hat es etwas damit zu tun? Oder hast du Probleme mit anderen Mitschülern?", hakte Herr Kliebel nach, der nicht wusste wie schwer es für Olivia war, über dieses Thema zu sprechen. Die Tränen traten zurück in Olivias Augen. Sie spürte den Blick ihrer Mutter, der sich in sie bohrte. Schnell blinzelte sie die Tränen weg und sagte mit fester Stimme: "Das mag sein, doch ich sehe auch keinen Sinn, Aufgaben zu bearbeiten, die ich schon kann. Im Unterricht ist es dasselbe. Ich verstehe alles in der ersten Stunde, in der wir es behandeln." Ihre Stimme war zwar fest, doch so fremd, das jeder Mensch merkte, das dies nur eine bittere Ausrede war. Sie stimmte zwar, doch sie war nicht der Grund, denn früher hatte sie es ja auch geschafft. "Olivia, das mag stimmen, doch dann kannst du ja auf die Lehrkraft zu gehen und mit ihr sprechen.", meinte Herr Kliebel mit schiefgelegtem Kopf, der sich nun in Richtung Olivias Mutter drehte. "Frau Steiner, was sagen sie denn dazu?", fragt er sie und faltete seine Hände zusammen. Diese räusperte sich. "Ich bin etwas...überrumpelt, wenn ich ehrlich bin. Ich habe nichts davon mitbekommen und dachte in der Schule läuft alles gut, doch wie ich sehe, ist dies nicht so. Ich kenne diese Seite von Olivia nicht, deswegen bin ich überzeugt, das es einen bestimmten Grund gibt, den Sie vielleicht auch schon angesprochen haben." Herr Kliebel nickte und wandte sich wieder An Olivia, die nervös auf ihrer Lippe herumkaute. "Olivia, was können wir denn tun, dass sich diese Situation bessert oder vielleicht sogar wieder auflöst?" Olivia schluckte. "Ich weißt nicht", sagte sie ehrlich. Herr Kliebel kratzte sich am Kinn. "Okay, Olivia, ich gebe dir noch eine Chance. Wenn du die nicht nutzt, dann sehe ich keinen Grund, warum ich dich noch länger an dieser Schule sehen soll. Dies ist eine Schule, die besonders begabte Schüler und Schülerinnen, die etwas erreichen wollen, fordert. Und das sehe ich nicht mehr bei dir, Olivia." Olivias Augen wurden glasig. "Und was ist das für eine Chance?", fragte sie mit zittriger Stimme. Ihre Hände presste sie zusammen und wippte noch stärker und schneller mit ihrem Bein. "Das darf ich dir noch nicht sagen. Es ist ein Projekt, das alle Schüler und Schülerinnen deiner Jahrgangsstufe anfertigen müssen. Erreichst du mindestens eine 2+, Olivia, ist dir der Platz an dieser Schule gesichert. Weitere Infos erfährst du bald. Ich erwarte, dass du es schaffst, Olivia. Du hast Potenzial und das weißt du. Du musst es nur auch einsetzen. Alle zwei Wochen werde ich dich hierin meinem Büro erwarten, gleiche Zeit wie heute. Zusammen werden wir dann darüber sprechen, wie dein Projekt läuft und wie du dich im Unterricht gebessert hast. Alles klar soweit? Ja? Dann muss ich Sie jetzt leider bitten, mein Büro zu verlassen, ich hab noch einen Termin." Mit diesen Worten stand Herr Kliebel auf und ging voraus zur Tür. Olivia und ihre Mutter standen auf und folgten ihm zur Tür, die Herr Kliebel inzwischen aufhielt. "Vielen Dank für ihre Zeit", sagte Olivias Mutter, bevor sie den Raum verließ. "Danke", murmelte Olivia und ging an Herrn Kliebel vorbei. Die Tür wurde hinter ihr geschlossen. Es war still auf dem Gang, der Unterricht hatte bereits wieder begonnen. Sie sah sich um. Ihre Mutter war bereits weg. Einfach so, ohne ein Wort zu sagen. Ihr Handy pingte. Eine Nachricht von ihrer Mutter. Wir reden zuhause. Ich bin enttäuscht. Nicht mehr und nicht weniger. Olivia seufzte und schloss kurz die Augen. Dann setzte sie sich in Richtung Bibliothek, um ihre Freistunde zu nutzen und noch schnell ihre Deutschhausaufgaben zu machen. 


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⏰ Letzte Aktualisierung: Nov 07, 2023 ⏰

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