Verzweifelt suche ich nach meinem Lippenstift. Der zusätzliche Zeitdruck macht
es nicht leichter. Ich habe den Absprung im Café nicht schnell genug
geschafft, weshalb ich nun in Eile bin. Ich hoffe, dass der Klient,
den ich nachher treffen soll, geduldig ist, da ich mit Sicherheit zu
spät sein werde.
„Ha! Habe ich dich!", rufe ich triumphierend aus, öffne den Lippenstift
und husche vor den Spiegel. Geübt trage ich die dunkelrote Farbe auf
und mustere mich. Ich bin mit meinem Aussehen zufrieden. Die
schwarzen Locken habe ich hochgesteckt, meine eigentlich blauen Augen
werden durch braune Kontaktlinsen verborgen, die Wimpern sind
angeklebt – nichts erinnert mehr an Marley, die Bedienung in einem
Café. Jetzt bin ich Valentina Sanchez, Escortdame bei Bras de Vénus.
Heute soll ich einen Mr Jackson treffen, der Herr ist neu in der
Stadt und braucht eine Begleitung. Ich hoffe bloß, dass ich nicht
auf alte Bekannte oder Stammkunden treffe. Es könnte peinlich
werden, aber nicht für mich, denn die Herren müssten erklären,
woher sie mich kennen, dabei sind einige von ihnen verheiratet. Ich
würde mich als Mann nicht outen, mich zu kennen, wenn ich meine
Ehefrau im Schlepptau hätte, aber es gibt eben solche und solche.
Auf einmal klingelt mein Handy, es ist kein Anruf, sondern der Ton
des Timers, der verkündet, dass ich mich auf den Weg machen muss.
Noch einmal betrachte ich mich. Das schwarze Cocktailkleid sitzt,
meine Brüste ebenfalls und mein Make-up sowieso. Schnell schlüpfe
ich in meine schwarzen High Heels, schnappe mir meinen Mantel und
meine Handtasche, in die ich mein Make-up, das Handy und meine
Geldbörse stecke, und verlasse die Wohnung.
~ ~ ~
Als ich aus dem Taxi schaue, sehe ich mich nach Mr Jackson um. Ich habe
kein Foto von ihm gesehen – wie auch? - lediglich wurde von meiner
Chefin ein Erkennungszeichen vereinbart. Ich schaue auf mein Handy,
um den Auftrag, den ich per SMS erhalten habe, einzusehen. >Er
trägt den Anstecker am Reverse seines Mantels.< Ich halte nach
jemandem Ausschau, der eine Anstecknadel mit einer Muschel am Kragen
hat. Leider sind die so klein, dass ich sie auf diese Entfernung
nicht erkennen kann.
Hinter mir räuspert sich jemand. „Sind Sie Ms Sanchez?" Die rauchige
Stimme löst eine Gänsehaut auf meinem Körper aus.
Langsam drehe ich mich um, suche den Reverse ab und erkenne die kleine
silberne Muschel. „Ja, die bin ich." Dann erst schaue ich zu ihm
hoch. >Oh wow!<, schreit meine innere Stimme, als ich das
makellose Gesicht mit dem Kinngrübchen sehe. So einen Klienten hatte
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The eyes of the night
RomanceMarley Harding hat ein dunkles Geheimnis. Tagsüber arbeitet sie als Bedienung in einem kleinen Café, doch abends und nachts schlüpft sie in die Rolle der Valentina Sanchez, die für eine renommierte Escort Agentur arbeitet. Alles läuft gut, bis sie...