Die Gala

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Inmitten von New Yorks High Society fühle ich mich etwas fehl am Platz. Insgeheim frage ich mich, für welche Kanzlei Nicholas arbeitet, doch das zu fragen, wage ich mich nicht. Vielleicht schnappe ich es bei einem Gespräch mit seinem Kollegen auf, oder er erwähnt es selbst beiläufig. Irgendwie werde ich es schon erfahren. Als sei es selbstverständlich, legt er immer wieder seine Hand in meinen Rücken, wenn wir zu jemandem gehen, den er kennt, und er kennt verdammt viele Menschen.
"Nicholas, wie schön, Sie zu sehen!", sagt ein Mann, überschwänglich, als wir ihn erreichen. Er wirkt, als wäre er nur wenige Jahre älter als wir.
"Guten Abend, Mr Radin, erwidert er freundlich. "Darf ich Ihnen meine gute Freundin Valentina vorstellen?" Dabei schiebt er mich etwas vor.
Mr Radin richtet sein Augenmerk auf mich. "Guten Abend, Valentina." Er ergreift meine Hand, doch statt sie zu schütteln, haucht er einen Kuss auf meinen Handrücken. "Es freut mich, Sie kennenzulernen."
"Es freut mich auch, Mr Radin", erwidere ich perplex von seinem Handkuss.
"Was für eine überaus charmante Dame an Ihrer Seite, Nicholas."
Bemüht verkneife ich es mir, ihn skeptisch anzusehen.
"Wo haben Sie sich kennengelernt?", hakt Radin weiter nach.
"Valentina und ich besuchen dasselbe Fitnessstudio", antwortet Nicholas.
"Na, wenn man dort so hübsche Frauen trifft, sollte ich auch trainieren gehen", lacht er, dabei klopft er Nicholas auf die Schulter.
"Mr Radin ist mein Boss", sagt Nicholas leise in mein Ohr und ich nicke langsam.
Die beiden beginnen eine Unterhaltung über die Arbeit, bei der ich meine Ohren auf Durchzug schalte. Ich habe sowieso keine Ahnung von diesem ganzen juristischen Kram, also muss ich nicht zuhören.
"Wie dem auch sei, Sie machen das schon, Nicholas", sagt Mr Radin, woraufhin ich aufhorche. Sind sie etwa fertig? "Wir wollen Ihre Begleitung doch nicht länger mit der Arbeit langweilen."
Hat er gemerkt, dass ich mich umgesehen habe? "Ich bin nicht gelangweilt, Mr Radin, bloß kenne ich in Ihrer Branche nicht aus." Ein schwacher Versuch, ihn davon zu überzeugen, dass ich nicht gelangweilt, aber immerhin ist es ein Versuch. 
Er zeigt mir ein verständnisvolles Nicken. "Dann wollen wir das Thema wechseln, Valentina."
Daraufhin winke ich ab. "Das ist nicht nötig, ich werde mich einfach ein wenig umsehen."
"Möchtest du tanzen?", mischt Nicholas sich ein, dabei deutet er auf die Tanzfläche. 
Tanzen? Mit ihm? Jederzeit. "Unbedingt." Ich schenke ihm ein Lächeln, das andere Klienten immer als strahlend bezeichnen, als ich seine Hand ergreife.
"Entschuldigen Sie uns bitte, Mr Radin", wendet er sich an seinen Boss, dann führt er mich auf die Tanzfläche. Als wir sie erreicht haben, zieht er mich eng an sich heran. 
Sein betörender Duft raubt mir den Atem, vernebelt regelrecht meine Sinne und sein stahlharter Körper tut sein Übriges, damit meine Libido sich meldet. Bemüht verdränge ich die Bilder, die mich mit ihm in einem Bett zeigen. Sicher führt er mich bei unserem Tanz, dabei lässt er mich ebenso wenig aus den Augen wie ich ihn. O Gott, warum löst er plötzlich dieses Verlangen in mir aus? Ich habe mich noch nie so sehr zu einem Klienten hingezogen gefühlt! Seine grünen Augen lösen etwas in mir aus, das seit langer Zeit niemandem mehr gelungen ist. 
"Warum machst du diesen Job?", vernehme ich seine raue Stimme.
"Er macht Spaß."
"Ist das der einzige Grund?", bohrt er tiefer. 
"Nein, ich habe noch andere Gründe", weiche ich aus. Ich werde ihm nicht meine Beweggründe nennen, aber ihm muss doch klar sein, dass das Geld, das ich mit diesem Job verdiene, schon ein großer Antrieb ist.
"Welche?"
Seufzend senke ich meinen Blick auf seine Brust. "Ich verdiene gutes Geld und erlebe Dinge, an die ich sonst nicht mal im Traum denken würde." Ich seufze. "Würde ich irgendwo als Kassiererin arbeiten, würde ich niemals solche Galas besuchen oder andere Veranstaltungen, für die ich gebucht werde. Außerdem lernt man interessante Menschen kennen."
"Du begleitest in erster Linie und ..." Er bricht ab.
"Ich prostituiere mich nicht." Scheiße, denn genau das tue ich doch - bei Sympathie, aber es steht nicht von vornherein fest, dass ich mit meinen Klienten ins Bett gehe.
"Darauf wollte ich nicht hinaus." Seine Hand streichelt meinen Rücken. "Ich wollte sagen, dass du in erster Linie begleitest und kein typisches Escortgirl bist."
"Hm." Ich hebe meinen Blick und begegne dem seiner grünen Augen. "Es tut mir leid, dass ich sofort etwas Anderes angenommen habe."
"Kein Grund zur Entschuldigung", erwidert er, schenkt mir ein charmantes Lächeln und beendet den Tanz zeitgleich mit dem Lied, das gespielt wurde. "Wir sollten uns wieder an unseren Tisch setzen."
Nickend begleite ich ihn dorthin. Nicholas rückt mir den Stuhl zurecht, ich nehme Platz und bedanke mich leise.
"Hey, Nick, hab schon gedacht, dass du nicht kommst", sagt plötzlich jemand.
"Guten Abend, Jonathan", erwidert er.
Beide setzen sich und ich spüre den Blick seines Freundes oder Kollegen auf mir. "Wer ist denn die hübsche Lady an deiner Seite?"
"Jonathan, das ist Valentina. Valentina, das ist Jonathan, ein Kollege und Freund von mir."
"Nur meinetwegen hat's ihn nach New York verschlagen", schmunzelt Jonathan. "Und bitte sagen Sie John." Er streckt seine Hand aus, ich ergreife sie.
"Freut mich sehr, Sie kennenzulernen, John", heuchle ich, wie ich es immer tue.
Seine Aufmerksamkeit richtet sich wieder auf Nicholas. "Wo bist du so einer schönen Frau begegnet?"
Mühsam kämpfe ich die Hitze in meinen Wangen zurück, damit ich nicht erröte. 
"Im Row House, Valentina trainiert auch dort. Wir kamen ins Gespräch, weil ich ihr das letzte freie Rudergerät vor der Nase wegbesetzt habe, und haben uns ganz gut verstanden", erzählt Nicholas und ich für meinen Teil weiß definitiv, dass es sich um eine Lüge handelt. Er ist nett, hält sich an die Absprachen und outet mich wenigstens nicht wie mein letzter Klient als Nutte. Ja, es gibt eben solche und solche. Nach dem damaligen Vorfall habe ich mich erst mal für Wochen zurückgezogen und keine Aufträge angenommen, obwohl ich das Geld dringend brauche. 
"Ich hätte nicht gedacht, dass man dort solchen Frauen begegnet." John räuspert sich. "Sie sehen wirklich toll aus, Valentina."
"Danke", lächle ich. "
"Hier versteckt ihr euch also." Wieder setzt sich jemand zu uns und begrüßt Nicholas. "Wer ist denn deine Freundin, Nick?"
"Steve, das ist Valentina. Valentina, das ist Steve, ebenfalls ein Kollege von mir", stellt er uns einander vor. 
Ich nicke ihm zu, leiere die üblichen Floskeln herunter und lausche Nicholas, der wieder die Geschichte über unser fiktives Kennenlernen erzählt. Mit jedem Mal, die er sie erzählt, perfektioniert er sie ein bisschen mehr, weshalb ihm meine volle Aufmerksamkeit gilt. Falls er mich noch mal für eine Veranstaltung bucht, sollte ich es mir merken, damit es niemandem auffällt, dass Nicholas und ich uns überhaupt nicht kennen. Ihn würde es Verlegenheit bringen, mich würden sie als Nutte abstempeln. Sicher gehe ich richtig in der Annahme, dass weder er noch ich das wollen. Vor Gesprächen mit seinen Kollegen drücke ich mich, da ich bloß Staffage bin. Ich muss an seiner Seite gut aussehen, er sollte sich an meiner wohlfühlen und da er immer wieder meinen Oberschenkel streichelt, bin ich mir sicher, dass es ihm gut geht.

~ ~ ~

"Das war ja ein Abend", schmunzelt er, als wir das Trump SoHo verlassen.
"Es war mal etwas Anderes."
"Warst du schon mal bei so einer Gala?"
"Nein, bei Ausstellungen, aber nie bei etwas Derartigem", antworte ich, dabei lächle ich zu ihm hoch.
Nicholas begleitet mich zu einem Taxi, das er herangewunken hat. "Es war ein sehr schöner Abend, Valentina." Er stellt sich vor mich, dann nimmt er meine Hände in seine. "Ich würde ihn ungern schon enden lassen, weil ich ihn sehr genossen habe."
Nur für einen Wimpernschlag beiße ich die Zähne zusammen. Er muss mich nur bitten, ihn zu begleiten, ich würde es auf der Stelle tun, um noch ein wenig hinter die Fassade des Nicholas Jackson zu schauen. "Ich habe den Abend auch sehr genossen, Nicholas."
Seine Daumen streicheln meine Handrücken. "Kann ich dich noch zu einem letzten Drink überreden?"
"Es kommt ganz auf den Drink an."
Lächelnd öffnet er die Tür des Taxis. "Wir finden sicher einen, der dir zusagt."
Ich steige in den Wagen, rutsche hinter den Fahrer und er folgt mir. Dann nennt er dem Fahrer eine Adresse. Das Taxi setzt sich in Bewegung.
Nicholas legt seine Hand auf meinen Oberschenkel, streichelt mich dort und nur diese eine Berührung weckt mein Verlangen nach ihm. 

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⏰ Letzte Aktualisierung: Jun 19, 2015 ⏰

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