Kapitel 12

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"Ich würde nicht gerne in deiner Haut stecken", prustete meine beste Freundin und schlug sich keuchend auf die Oberschenkel. Es war mittlerweile schon Freitag und das bedeutete, dass ich jetzt nach der Schule noch meine Nachhilfestunde absitzen musste, während alle anderen schon nach Hause gehen und ins Wochenende reinfeiern konnten. Ich wartete gerade darauf, dass sie mir mein Biologiebuch zurückgab, welches ich ihr geliehen hatte.

"Lach nicht so hässlich", beleidigt versuchte ich ihr ein Bein zu stellen, aber sie stieg lässig drüber. Ich hob erstaunt meine Augenbrauen, beeindruckt von ihrem Talent. Eigentlich flog sie früher immer ständig drüber.

"Sag nichts gegen meine wunderschöne Freundin!", kam es hinter uns und ein Arm schlang sich um die Schulter von Bonny.

"Jackson!", rief diese überrascht in dem Moment, als ich begeistert "Chris!", sagte.

Ich wollte schon richtig cool mit ihm einschlagen, aber er hatte anderes zu tun, als die obercoole beste Freundin von seiner festen Freundin zu begrüßen. Stattdessen wirbelte er Bonny herum, sodass sie dicht an ihn gepresst stand und ließ sie nach hinten fallen, um ihr einen fetten Kuss zu geben, bei dem ich angeekelt das Gesicht verzog und leidend wegsah, damit ich den Speichelfaden nicht sah, der wahrscheinlich gerade herabhing.

"Hilfe", formte ich tonlos mit den Lippen in Richtung Nikolas, der gerade an uns vorbeimarschierte und legte theatralisch meine Hand an die Stirn, um so zu tun, als würde ich ohnmächtig werden. 

"Nichts zu machen", formte er schadenfroh zurück. 

"Du Arschloch! Falls du Hilfe brauchst, dann helfe ich dir auch nicht", schrie ich ihm nach, als er seine Tasche schulterte und Anstalten machte, weiterzugehen. Und dann noch: "Idiot", weil es so gut tat ihn zu beleidigen. Sauer blickte ich ihm hinterher und drehe mich zu den beiden Turteltauben herum, die sich mittlerweile schon gelöst hatten und uns amüsant zugesehen hatten.

"Ihr wart ja erstaunlich schnell", sagte ich und kramte selber in Bonnys Tasche um das Buch rauszuholen. 

"Und tschüss, ich verdünnisiere mich mal, bevor ich noch zu spät komme!", ich rannte los in Richtung des Raumes, in dem wir Nachsitzen hatten. Ich wusste wo es war, denn ich war schon ein paar Mal hier gewesen. 

Da Nikolas ganz weit hinten saß, setzte ich mich in die zweite Reihe. Nach und nach kamen noch ein paar Schüler rein und zum Schluss der Lehrer, der seinen Bücherstapel auf den Tisch knallte und alle Schüler sich erschrocken aufsetzten. 

"Hier ist ein Blätterstapel. Ihr macht bitte die Aufgaben bis zum Ende der Stunde. In der Zwischenzeit korrigiere ich noch ein paar Klausuren", er teilte vier Blätter an jeden aus und setzte sich dann an den Lehrerpult, wo er seine Brille aufsetzte und begann etwas durchzustreichen. 

Ich seufzte leise und holte einen Stift raus. Dann begann ich zu lesen, gab innerlich direkt bei der ersten Aufgabe auf. Mathe. War klar. Das Fach, mit dem man jeden Schüler quälen konnte. Verzweifelt stützte ich mein Kopf in die Hände und versuchte zu rechnen. 

Plötzlich spürte ich etwas an meinem Hinterkopf. Ich ignorierte es, weil ich dachte, dass ich es vielleicht eingebildet hätte, aber als ich nach kurzer Zeit noch mal etwas spürte, griff ich in mein Haar und pflückte eine kleine Papierkugel heraus, die sich dort verfangen hatte. 

Genervt drehte ich mich nach hinten, wo Nikolas mir entgegengrinste, der schon das nächste Stück Papier von seinem Zettel abriss und warf ihm einen bösen Blick zu, bevor ich mich wieder nachvorne drehte. Ich setzte gerade meinen Bleistift an, um irgendwas auf das Blatt zu kritzeln, als eine größere Papierkugel auf meinem Tisch landete. Ich atmete tief durch und wirbelte herum. 

Nikolas deutete auf die Papierkugel und tat so, als würde er sie auffalten. Genervt verdrehte ich die Augen und griff nach dem Zettel.

Du siehst verzweifelt aus. So als bräuchtest du Hilfe von einem Mathegenie.

Ich drehte es um, schrieb: Aber leider kein Mathegenie weit und breit, deshalb lässt du mich jetzt am besten in Ruhe, damit wenigstens jemand von uns die Blätter macht. 

Dann zerknüllte ich es und schmiss es zurück. 

Ich kann dir helfen. Kam die Antwort. 

Skeptisch wandte ich mich zu ihm um und er winkte mich mit zwei Fingern zu sich. Vielleicht konnte er mir wirklich helfen. Ich packte in Schneckentempo meine Sachen und stand leise auf. Der Lehrer bemerkte es nicht, weshalb ich nachhinten schlich und mich neben Nikolas fallen ließ.

"Okay, wie macht man das jetzt?", fragte ich ihn. Er zuckte mit den Schultern.

"Keine Ahnung, mir war nur langweilig. Außerdem brauche ich ein ganzes Blatt. Meines hängt nämlich gerade in deinen Haaren."

Nur schwerfällig hielt ich meine Hand davon ab, ihm eine ins Gesicht zu klatschen. 

"Wieso hast du mich dann hierher gewinkt?", presste ich angestrengt durch meine zusammengebissenen Zähne und unterdrückte nur knapp den Wutausbruch. 

"Wie gesagt: Mir war langweilig und ich brauchte eine Gesellschaft, deren Blätter nicht kaputt sind."

Langsam schloss sich meine Hand um mein Blatt und drückte fest zu.








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