Kapitel Zwei

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„Ich habe auf Euch gewartet.", platzt es aus mir heraus noch bevor er etwas sagen kann.

Das Buch, dass ich soeben gestohlen habe, drückt mir verräterisch in die Seite. Hastig hatte ich es mir unter meinem Kimono, unter meinen Obi gesteckt, ich bete zu den Göttern, dass es nicht rausrutscht.

„In meinem Arbeitszimmer?" Er hebt eine Augenbraue, die Hand im Türrahmen abgestützt.

„Ja.", sage ich, das Herz schlägt mir bis zum Hals. Kurz denke ich darüber nach, durch das Nebenzimmer zu verschwinden, aber er würde mich sowieso kriegen. Zumal ich zuerst über die Geschenke stolpern würde, bevor ich abhauen könnte. So schnell komme ich hier nicht raus...

„Sind das meine Pralinen?", fragt er, mit einem skeptischen Blick Richtung Schreibtisch.

„Ja..."

„Sind sie wenigstens gut?"

Unsicher, was ich ihm sagen soll, schüttele ich mit dem Kopf. „Nicht wirklich, wenn ich ehrlich bin."

Er lässt den Türrahmen los und macht ein paar Schritte auf mich zu. Er schwankt dabei überhaupt nicht, ich hingegen bin froh den Schreibtisch im Rücken zu haben. Unauffällig schiebe ich die angebrochene Flasche hinter mich.

„Und dann hast du die halbe Schachtel gegessen?"

Ich zucke mit den Schultern und halte ihm dann seine eigene Schachtel hin. Meine Hand zittert dabei ein wenig.

„Ich hatte Hoffnung, sie werden besser.", gebe ich zu.

Tatsächlich nimmt er eines von den mit Schokolade überzogenen Dreiecken und verzieht dabei nicht einmal das Gesicht. Kurz habe ich Sorge, es könnte an mir liegen, dass sie so schmecken, dann sagt er: „Stimmt. Sind zu trocken."

„Und irgendwie pappig.", finde ich. Ist mir wichtig, meine Meinung kundzutun. Beinahe füge ich auch noch „Ich könnte das besser.", hinzu.

Er stellt sie zurück auf den Tisch, an dem ich quasi klebe, dann schließt er das Fenster hinter mir. Sein beigefarbener Kimono spannt sich dabei über seinen Schultern.

"Und... was macht Ihr hier?", will ich die angespannte Stimmung überbrücken, aber schon im halben Satz fällt mir auf, wie dämlich ich mich anhöre.

"In meinem eigenen Arbeitszimmer?" Ich wünschte, ich könnte die Frage zurücknehmen.

"Naja... Solltet Ihr nicht auf Eurem Geburtstag sein? Bei den anderen?", rette ich mich. Und irgendwie interessiert es mich auch.

Jetzt ist er es, der mit den Schultern zuckt. Und dann einen Schluck aus der Flasche nimmt, die ich hinter mir versteckt hatte. "Sicher. Gleich."

Kurz schauen wir uns an, Seite an Seite am Tisch, ich warte darauf, dass er noch was sagt. Er räuspert sich.

"Die anderen warten sicher auf dich."

Bis eben konnte ich wirklich nicht einschätzen, was genau er eigentlich denkt, aber jetzt spüre sogar ich, dass er mich loswerden will. Nicht, dass ich was dagegen hätte, immerhin habe ich was zu schmuggeln.

"Ja, natürlich, Verzeihung.", sage ich sofort und schätze unauffällig den Weg zwischen Schreibtisch und Tür ab. Das sind vier Schritte, vielleicht fünf für mich, das sollte ich überzeugend hinbekommen. Ich muss ohnehin üben, für den Heimweg später.

Zuversichtlich stoße ich mich also ab, will mich gleichzeitig leicht vor ihm verbeugen und gehen und verliere dabei das Gleichgewicht, dass ich von Anfang an nicht hatte. Kurz wird mir schwindelig, dann lehne ich wieder am Tisch. Tobirama Senju hält mich am Arm fest, in der anderen Hand die Flasche.

"Ups.", sage ich, weil ich irgendwas sagen muss. "Mit dem müsst Ihr aufpassen, der ist ganz schön stark." Nervös kichernd tippe ich gegen seine Flasche.

"Hmm, klar."

Er stellt sie ab, um mich auch noch am anderen Arm festzuhalten, weil ich beim Kichern gefährlich schwanke.

"Tut mir ehrlich leid.", murmle ich, doch irgendwie peinlich berührt, und zupfe dabei an mir herum. 

"Schon gut.", seufzt er nach einer Weile, dann zieht er mir meinen Kimono wieder über die Schulter, der anscheinend runtergerutscht war. Ich will gar nicht wissen, wie lange schon.

"Danke.", sage ich ihm, ohne ihn anzuschauen. "Und auch fürs Auffangen... Ich sollte wirklich gehen, mein Vater sucht sicher nach mir."

"Unwahrscheinlich."

Wieder schauen wir uns an, als wäre er selbst davon überrascht, nicht einfach zugestimmt zu haben.

"Er war noch im Gespräch.", erklärt er sich.

Seine Hand ruht mittlerweile knapp unter meinen Schulterblättern und auch wenn sie eiskalt ist, fühlt es sich so an als würde meine Haut unter der Berührung brennen.

„Hmm.", mache dieses Mal ich. Natürlich sucht er nicht nach mir, das war nur eine Ausrede. Ganz sicher ist immer noch keinem aufgefallen, dass ich überhaupt fehle. Gedankenverloren schiebe ich mir eines der Pralinendreiecke in den Mund. Ach ja richtig, die waren eklig...

„Habt Ihr Spaß?", will ich auf einmal wissen. Immerhin steht der Hokage neben mir und schaut mir beim Essen zu, während er aufpasst, dass ich nicht umfalle, anstatt auf seiner eigenen Geburtstagsfeier zu sein. Die zugegeben ziemlich langweilig ist. War. Bis jetzt.

„Wie jedes Jahr.", sagt er knapp und bewegt mich dazu, mich endlich wie er selbst auf den Tisch zu setzen. Wahrscheinlich ist er es leid, mich festzuhalten.

„Ihr habt auch letztes Jahr nicht so ausgesehen, als hättet Ihr Spaß.", erinnere ich mich.

„Und du?"

„Ich auch nicht."

Fast etwas müde schaut er auf die Uhr. Dann wieder zu mir. Ich kann schon wieder nicht sagen, was er denkt.

„Ihr solltet an Eurem Geburtstag etwas tun, was Ihr mögt.", teile ich also, was ich denke.

„Ich bin der Hokage."

„Klar, weiß ich, aber trotzdem, sowas kann man an jedem anderem Tag machen.", weiß ich aus meiner nicht vorhandenen Erfahrung als Oberhaupt. Darüber kann der Senju auch nur mit dem Kopf schütteln.

„Was würdet Ihr denn-„

„Hinari?", hören wir beide meine Schwester rufen. Dann Schritte über den Flur. Es ist, als würde ich aus einem langen, zähen Traum aufwachen, als ich aufspringe um durch die Tür zu spähen. Mir ist immer noch ein wenig schwummrig, aber ich kann sowohl aufrecht als auch sicher gehen.

„Hinari, wo steckst du?"

Fast schon flehend werfe ich Tobirama Senju einen Blick zu.

„Du hast das Bad gesucht.", seufzt er und fährt sich halbherzig durch seine weißen Haare.

„Oh, klar.", kichere ich. Dann winke ich dazu auch noch so peinlich. Fast bin ich aus der Tür. „Ach, Tobiramasan?"

„Ja?"

„Alles Gute zum Geburtstag."

Wie ich aus Versehen viel zu früh einen Mann für mich fandWo Geschichten leben. Entdecke jetzt