1. Kapitel

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POV: Julie Moreau

"It's time for a new adventure"

Funkelnde Sterne und wolkenloses Himmelblau. Genau dies ersehnte sich das junge Mädchen wieder. Doch stattdessen drückte nun die viel zu starke Sonne durch die Fensterscheiben und hinterliess ein warmes Prickeln auf den Wangen zurück. Träge und unmotiviert wälzte sich Julie im Bett herum. Ihre noch verschlafenen Augen huschten müde in ihrem Zimmer umher, bis diese den Kalender erblickten.

ROT. Die rot umkreiste Zahl ging dem jungen Mädchen nicht mehr aus dem Kopf und auch ihre Augen konnte sie nicht abwenden, bis ihr Kopf realisierte, dass heute wirklich der heutige Tag war. Das war natürlich wieder eine sehr schlaue Überlegung. Die Augen verdrehen, landete die Decke innerhalb weniger Millisekunden an der Wand und ein paar kurze Momente später stand Julie auch schon bei ihrem Schreibtisch. Der Tag, auf den sie, seit sie klein war, wartete und sich beinahe ersehnte.

Die graue Latzhose mit dem rötlichen Oberteil kombiniert, die das Mädchen am vorherigen Abend ordentlich bereit gelegt hatte, zog sie schnell über und nach einem kurzen Besuch im Badezimmer wo sie auch gleich die Haare gebürstet hatte hüpfte sie mit einer ausserordentlich fröhlichen Laune die Treppe zur Küche runter.

«Julie! Na, hast du gut geschlafen?» Tante Leonore grinste ihr über die Küchentheke zu und war gerade dabei Toasts zu verteilen. Eifrig nickte das Mädchen zur Antwort und gesellte sich zu ihrem Bruder, der sehr wahrscheinlich schon wieder vor dem Frühstück diese Muggelfreundin getroffen hatte, bevor überhaupt jemand anderes aufgestanden war. Julie gehörte ja eigentlich auch zu Frühaufsteher, jedoch war Matteo da nochmal in einer ganz anderen Liga. Kopfschüttelnd griff die Elfjährige zu einem Stück Toast und grinste ihren Cousin verschmitzt an. Julie war sich jetzt schon sicher, dass es nicht mehr lange dauern würde bis sie Clara kennenlernen durfte. Würde das Mädchen ablehnend auf Magie reagieren? Würde sie die Freundschaft zu Matteo beenden aus Angst? Fragen über Fragen schwirrten mal wieder durch den kleinen Kopf. Wäre da nicht die bevorstehende Reise würde sie bestimmt auch noch länger in ihren Gedanken über Muggel und ihre Reaktionen gegenüber Magie hinterher hängen.

Heute war es nämlich soweit. In wenigen Stunden fährt der Hogwarts-Express in King's Cross los und ein Abenteuer würde beginnen. Ein Abenteuer aufgeteilt in sieben Jahren. Schon viele Geschichten durfte sie von ihrer Familie über deren Schulzeiten hören und jedes Mal hatten die Kinder - allen voran Julie - gespannt die Ohren gespitzt. Natürlich waren ihre Eltern nicht in Hogwarts, sondern in Beauxbatons zur Schule gegangen, da die beiden in Frankreich aufgewachsen waren. Aber Julie würde eine genauso spannende und aufregende Zeit in diesem noch ganz unbekannten Schloss verbringen! Das war ihr jetzt auch schon klar.

Julies anderen beiden Brüder - Louis und Victor - musste man noch etwa dreimal zum Frühstück rufen, bis die beiden Jungs sich dann auch noch an den Tisch gesellten. Größere Langschläfer würde man wohl nicht antreffen können. Es war ein Wunder, dass die beiden bereits am vorherigen Tag packen konnten, denn nebst Langschläfer waren beide auch als Faulpelze bekannt.

Das Frühstück dauerte nicht lange, denn sobald jeder am Tisch gesessen hatte, war das Essen auch schon bald verschlungen. Jeder verzog sich noch ein letztes Mal in die eigenen Zimmer, um die letzten Habseligkeiten zusammen zu sammeln.

Julie mochte keine Verabschiedungen. Sie musste sich schon tausende Male verabschieden, aber noch nie für eine längere Zeit. So langsam fühlte sich die Brünette etwas merkwürdig. Bis zu den Herbstferien würde sie ihre Eltern und ihre Tante einfach nicht mehr sehen! Sie würde mit ihnen nur noch per Eule Kontakt halten.

Nervös auf den Lippen herumbeißend, wuchs die Nervosität und die Aufregung in dem noch so jungen Gemüt. Zuerst würde sie in ein Haus eingeteilt werden und sie würde die nächste Nacht in einem Schlafsaal mit anderen gleichaltrigen Hexen verbringen. Zwei Tatsachen, die sich im Bauch des Mädchens spürbar zu machen schienen.

Sie fragte sich allmählich, ob sie überreagierte, denn ihre Brüder - die genauso zum ersten Mal dahin gehen, schienen die Ruhe in Person zu sein. Bis auf das Gerede von Matteo. Non-stop erzählte er von seiner noch neuen Bekanntschaft. In den zwei Stunden, in denen sie von Canterbury nach London fuhren, sprach der Junge über Clara. Wie gut sich die Beiden nach so kurzer Zeit verstanden, wie sehr er sie doch vermissen würde. Dass sie diejenige wäre, die am besten weiss, wie man sich amüsieren kann.

Clara war ein gleichaltriges Mädchen, das vor wenigen Wochen nach Canterbury gezogen war. Noch hatte Julie keine Chance gekriegt, sich wirklich mit dem Mädchen zu unterhalten. Doch Matteo hatte wohl eine neue beste Freundin in ihr gefunden. Die einzige Erleichterung an der ganzen Sache war, dass Clara nach den Sommerferien auf ein Internat gehen würde. Als junge Hexen und Zauberer ist es auch sonst schon immer schwer genug erklären zu müssen, warum man nicht in eine gewöhnliche Schule geht - dies fiel hier schön aus.

Matteo plauderte und plauderte, während Julie nur mit einem Ohr zuhörte und guckte nebenbei auf die unbekannte englische Wiesenlandschaft. Sie stellte sich bereits ganz viele verschiedenste Erlebnisse vor, die sie in Hogwarts erwarten würden. Louis schrieb etwas in sein Notizbuch, das er kaum aus den Händen legte. Oft könnte man meinen, er nähme es sogar mit unter die Dusche. Das Notizheft - oder eher Buch - war ein schon langsam etwas schmuddeliges Buch, dass die voll geschriebenen und gezeichneten Blätter nur noch mit aller Mühe zusammenhielt.

Bald würde Louis wieder ein neues benötigen, denn lange würde das Buch nicht mehr standhalten. Vielleicht würde Julie ihrem Bruder eines zu Weihnachten schenken - sofern sie ein neues schönes findet. Manon - die Mutter und Pierre - der Vater des Quartetts hatten mit den Kinder bereits abgemacht, dass sie in den Herbstferien nach Hause fahren und in diesen bestimmt auch noch einmal in die Winkelgasse gehen würden. Ihr letzter Besuch - als die vier Kinder ihr Schulzeug kauften, musste alles schnell gehen. Arbeitstermine verhinderten längere Aufenthalte, dementsprechend mussten sie die Besichtigungen auf ein anderes Mal verschieben. Nun eine wundervolle Gelegenheit, um an tolle Geschenke zu kommen.

Victor war total in seinem Element. Las bestimmt schon zum dritten Mal im Lehrbuch der Zaubersprüche von Miranda Habicht. Natürlich hatte auch Julie bereits einmal einen Blick ins Buch geworfen, doch Vic - den hat es wohl wirklich erwischt. Total fasziniert blätterte dieser durch die Seiten und hinterließ immer größer werdende Augen.

Die Fahrt dauerte eine Weile und auch das Finden von einem Parkplatz war alles andere als einfach. Schließlich wieder auf den Beinen mussten sich alle erst einmal gut durch gähnen und strecken. Victor und Louis nahmen ihre Koffer und Taschen selber, während Manon und Pierre eine Tasche von Julie und Matteo trugen und damit zu sechst mit schnellen Schritten den riesigen Bahnhof überquerten.

Natürlich war die Suche nach dem magischen Gleis nicht halb so spannend, wie es wohl für Muggelstämmige war - denn die Moreaus waren eine reinblütige französische Zaubererfamilie - doch trotzdem war da wieder diese Aufregung. Es war bekannt, dass man durch eine Wand laufen muss, doch war es eine eher seltene Tätigkeit - auch für Hexen und Zauberer.

Manchmal fragte sich Julie auch, ob es für Muggelstämmige nicht ein riesiger Schock sein würde, wenn man plötzlich erfährt, dass man Dinge kann, die Muggel halt nicht konnten. Zaubern eben.

Entschlossen einen muggelstämmigen Mitschüler genau danach zu fragen sobald sie einen trifft schritt das Mädchen mit ihrer Familie durch die Mauer zum Gleis 9 ¾.


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