(Neu) 40 - Letzte Sekunde

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Und da waren sie, mitten in den Tiefen des Waldes von Metraville, der eigentlich ach so ruhigen und doch gerne mal an Wochenenden und Ferien überfüllten Kleinstadt.
Die Vögel über ihnen sangen friedlich ihre morgendlichen Melodien, saßen entspannt in den Baumkronen. Eichhörnchen und andere Lebewesen des Waldes kamen aus ihren Unterschlupfen, bereit um auf Nahrungssuche zu gehen. 
Und dann waren da Kyu und Bomby, umwickelt von einer violetten Würgeschlange, die langsam den eigentlich unzerstörbaren Panzer aufknackte, langsam und genussvoll. 
Eigentlich hoffte der Junge, dass es zumindest schnell vergehen würde, wenn er doch schon wüsste, dass es ein qualvoller Tod werden würde. 
Natürlich kam es nicht so. Natürlich musste er warten, bis es endlich soweit war...

"Hör doch bitte nicht auf, dich jetzt zu wehren, Kyu!", flehte Bomby seinen Freund an, mit dem er verschmolzen war, während Panik in ihm heraufströmte. Mehr fühlte er nicht. Er spürte, dass Kyu aufgegeben hatte und keinen Ausweg mehr sah. 
"Was soll ich noch tun?", fragte er seinen Freund, während es noch einmal knackte und Bomby wieder einen Schmerzensschrei ausstieß. 
"I-ich weiß es nicht!", schluchzte er und versuchte mit aller Kraft, den Körper zu übernehmen. Tatsächlich schaffte er es, den Körper in Bewegung zu bringen. Mit aller Kraft  versuchte er die Schultern hochzudrücken und somit irgendwie die Arme zu befreien, doch es half nichts. Sie wurden eher noch ein ganzes Stück mehr eingeengt. "Aber... wir müssen hier raus..!"
"Lass es gut sein", über Kyus Wange lief eine Träne. "Es bringt uns doch nichts..."
"Du wirst jetzt nicht einfach aufgeben!", befahl Bomby ihm und machte weiter damit, gegen Vandros Schlinge anzukämpfen. 
Nicht aufgeben... Das sagt sich so leicht. Woher hatte Bomby nur diesen eisernen Willen, weiterzukämpfen? Es floss ja richtig durch seine Adern! Wenn er doch nur eine Idee hätte... 
Nein... Ich lasse es...
Dann schloss Kyu die Augen und lauschte den Vögeln. Und anderen Geräuschen. Schwere Schritte... Und einer ihm vertrauten Stimme. Die eines Mädchens.

Zisch!
Als Kyu die Augen wieder öffnete um sich umzuschauen, sauste eine glühend heiße Klinge haarscharf an seinem Gesicht vorbei, köpfte die Schlange. Reflexartig neigte der Junge sich nach hinten und kniff die Augen zusammen, während sich der Artemier zu violettem Glibber auf dem Boden und auf ihm verwandelte. Vor ihm stand ein maskierter Junge, schaute ihm auf Augenhöhe ins Gesicht, seine Kleidung komplett in Schwarz und grau.
"Heilige Scheiße, willst du mir den Kopf abschlagen?!", Kyu musste kurz schlucken vor Schock. Dennoch war er froh, Steven zu sehen. Und Amika neben ihm. Und Drahk und Eclaire, die ebenfalls mit von der Partie waren. Und dem Helm konnte er sich das Grinsen einfach nicht verkneifen. Steven war seine letzte Hoffnung, und diese Hoffnung rette ihn. Zwar im letzten Moment, aber das war egal. 
"Nope, aber dir den Arsch retten", meinte Steven und ließ sein Schwert verschwinden. Dann breitete er die Arme aus, was jedoch nicht allzu leicht war mit dem Gips. "Komm her, Bro!"
Bomby ließ den Helm wieder verschwinden, ebenfalls froh, die Bande zu sehen. 
"Ich bin so froh, euch zu sehen!", meinte Bomby überglücklich während Kyu auf seinen Bruder losging, um ihn so feste zu drücken, wie er konnte. 

Ehe er Steven erreichte, kam auch schon Amika dazwischen, noch immer voller Farbe, und warf ihre Arme um ihn und gab ihm im gleichen Moment einen schnellen Kuss auf die Wange, wodurch er rot wurde. Was ist denn hier los?!
"Bist du denn wahnsinnig?!", murmelte sie in seine Schulter, trocknete ihre Freudentränen an seinem Stoff. "Was hast du dir eigentlich dabei gedacht, hier alleine hinzugehen?!"
Weshalb wohl... Kyu spürte eine gewisse Wut in sich. Sie hätte wenigstens etwas von deren Angelegenheit erzählen können, anstatt alles geheim zu halten! Andererseits hatte er ihr selbst nicht alles erzählt am Anfang. Sie waren quitt.
"Ich war ja nicht alleine", meinte er, trat von ihr zurück und zog sein Mundtuch herunter. Mit den Fingerknöcheln klopfte er gegen seine stählerne Brustplatte. "Ich habe Bomby dabei."
"Moment... Wo ist er denn?!", fragte Eclaire verwirrt und ah sich in der Umgebung um. Stimmt ja. Sie kannte den Trick der beiden ja noch nicht. 
"Zeigen wir's ihr, Kyu?", fragte Bomby. 
"Klar."
Die beiden trennten sich voneinander und hinterließen große Augen bei Eclaire.
"Warte, ihr beide könnt-", vollkommen fasziniert stellte Eclaire sich vor Bomby, an dessen Wange ein wenig gelbschimmernder Sand herunterfiel. "Du... bist verletzt?"
"Ein wenig", sagte Bomby und zuckte mit den Schultern. "Da kommt ein Pflaster drauf, dann ist wieder alles in Ordnung. Nicht wahr?"
"Bestimmt", Eclaire schenkte ihm ein lächeln mit ihren kleinen Lippen und legte ihre Hand auf Bombys Verletzung.
Huh?, Eclaires Lächeln schenkte Bomby diese gewisse, angenehme wärme. Eine wärme, durch die seine Wangen rot anliefen. Er mochte es ehrlich gesagt. Und Eclaire war verdammt hübsch. Zumindest in seinen Augen. Klar, sie hatte ein wenig Rost an sich. Doch es interessierte ihn nicht. Er fühlte sich mit ihr verbunden, in ihrer Nähe ebenso wohl. Er traf definitiv die richtige Entscheidung, als er sie gerettet hatte.

World of Living Art (German Version)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt