Der Schock
„Felix! Du musst uns helfen", schrie mir eine Stimme am Telefon entgegen: „Jessy ist weg ... wir waren vorhin im Krankenhaus und dort ist sie einfach abgehauen einfach weggerannt nach dem der Arzt ihr die Ergebnisse gesagt hatte. Felix, wir machen uns Sorgen, hat sie sich bei dir gemeldet?" „Warte, sie ist einfach abgehauen? Das ist doch überhaupt nicht ihre Art? Sie ist doch stark und stellt sich allen Problemen? Oder?", ich klang selbstbewusst und überzeugt da ich Esther ihre Mutter beruhigen wollte. „Felix, hat sie dir nicht gesagt warum sie im Krankenhaus ist? Hat sie dir nicht gesagt was los ist?", ihre Mutter klang wie als ob die Welt untergehen würde. „Was ist passiert? Was hat der Arzt gesagt?", ich stand wie angewachsen auf dem Boden und Joseph sah mich an, mit einem Fragenden Blick, während ich versuchte aus Jessy's Mutter Informationen zu bekommen. „Jessy, Jessy hat eine Diagnose bekommen ... Lungenkrebs Endstadium, Heilung ausgeschlossen ... ich hab Angst um sie, Felix." „Warte, Jessy hat Lungenkrebs, im Endstadium? Sie hatte doch noch nie gesundheitliche Probleme. Sie war doch immer kerngesund?!", ich bin in diesem Moment vom glauben abgefallen. Ich hörte das meine Tanzpartnerin und auch gute Freundin weniger als 3 Monate von den Ärzten bekommen hat. Ich stand da, wusste nichts mehr, ich hatte das Gefühl die Welt geht an mir vorbei, vorbei ohne Zukunft für mich.
Nachdem ich Joseph gesagt hatte was passiert war, und fast eine halbe std geheult habe, kam die Polizei. Die Beamten durchbohrten mich mit fragen, sie wollten alles wissen ... alles über Orte an denen wir oft zusammen haben und Orte die von Bedeutung für sie haben. Ich konnte mich nach dem Gespräch nicht mehr bewegen ...
Ich saß auf einer Bank in dem endlos langen Gang mit den Schließfächern ... mit den Fächern die mich an alles in meinem Leben erinnern. An all das gute aber auch an all das schlechte in meinem Leben.Ich saß wohl ziemlich lange da ... der Tanzkurs hat mittlerweile begonnen, ohne mich und ohne Jessy, ich zerbrach mir den Kopf darüber; WO sie sein könnte und was sie MACHT was sie sich antut was sie denkt wie es weitergehen soll. Ich hab lange gesessen auf einer Bank und mir mit den Händen meine Tränenbedeckten Augen zugehalten. Ich konnte an nichts ehr denken an niemanden, an niemanden außer Jessy. Ich war am Boden was soll ich machen ohne sie, das ist wie wenn man Romeo und Julia ohne Julia gedreht hätte.
Nach ein paar Minuten der Stille hörte ich im Hintergrund das Geräusch, einer in die Angel fallenden Tür. Ich spürte das sich mir jemand nähert, ich war mir im unklaren ob ich sitzen bleiben soll oder aufspringen sollte und wegrennen. Ich entschied mich dafür auf der Holzbank sitzen zu bleiben und weiter zu weinen, mich interessierte es nicht wer zu mir gekommen war, da ich mir nicht vorstellen konnte das es Jessy war. Plötzlich setze sich eine Person neben mich, nahm meine Hände und legte sie weg. Ich sah das es ein Mädchen war da sie lange Haare hatte, aber meine Augen waren zu vertränt um etwas sehen zu können. Das Mädchen legte mir ihre Hände auf die Wangen und wischte die Tränen mit ihren Daumen ab, sie hatte weiche, warme Hände. Ich sah das es Anna war, unsere Neue. Ich wusste nicht was ich sagen sollte .. mein Mund öffnete sich und bevor ich auch nur einen Ton sagen konnte legte Sie ihren Zeigefinger auf meine Lippen und flüsterte: „Psscccchhhht. Beruhig dich du bist ja ganz aufgelöst." Sie nahm meinen Kopf und legte ihn in ihre Schulterkuhle und umarmte mich dann. Wir saßen auf dieser Bank gefühlte 10 Jahre, aber in Wirklichkeit waren es nur 10 Minuten. Als eine Stimme rufte: „Kommst du, Anna", sagte sie: „Ich bin gleich da Papa. Ich muss gehen, tut mir leid." Sie nahm meine Hand öffnete sie gefühlvoll und leicht, legte mir einen Zettel hinein und schloss sie wieder: „Bis bald, ich hab dich lieb großer", das waren die Worte mit denen sie aufstand und zum Ende des Ganges lief, an dem ihr Vater wartete. Ich saß da mit offenem Mund und war geschockt, völlig baff, wie eingefroren, wie in einer Totenstarre. Ich fragte mich ob das grade eine Einbildung war oder ob das Realität war, ich konnte es einfach nicht glauben. Ohne das sie irgendetwas wusste, ohne das sie mich kannte, ohne zu wissen das Jessy nicht mehr lange unter uns sein wird. All das wusste sie nicht und trotzdem hat sie so gehandelt, dieses Mädchen wurde mir immer sympathischer und ich fand sie immer bezaubernder, und vor allem fand ich sie extrem süß. Trotz all dem bekam ich dieses Gefühl nicht los, das ich sie irgendwoher kannte und das machte mich krank ich wusste nicht woher ich dieses Mädchen kannte. Mein Gefühl sagt mir das ich sie kenne, mein Geist sagt mir das ich mehr mit ihr machen soll, aber mein Kopf bestand heute aus Butter. Ich hatte das Gefühl er läuft mir links und rechts aus den Ohren.
Als ich wieder halbwegs bei Bewusstsein war, öffnete ich meine Hand, die sie vorher so Herzhaft verschlossen hatte. Ich nahm den Zettel und öffnete ihn, auf ihm war mit einer wunderschönen Bilderbuchschrift eine Telefonnummer und die Worte ‚Anna – call me if you want' ich war erstaunt was mir passiert war.
Als ich dann wieder vollständig bei Bewusstsein war, schaute ich auf mein Handy, da ich gemerkt habe das es grade brummte. Neue Nachricht: ‚Felix, wo bist du? Ich kann nicht mehr. Komm zu TP2. Jessy! Bitte schnell!' Ich habe keine Sekunde gezögert ... ich bin sofort zu ihr gefahren. Der TP2 war unser Notfalltreffpunkt im Wald. Natürlich kam es mir komisch vor, da es vom Krankenhaus bis zu diesem Ort gut 12km waren, aber nachdem was passierte war mir das egal.
„Felix", schrie plötzlich eine Stimme von der Seite , es war Jessy, sie stand vor mir mit Tränen in den Augen. Genauso wie ich vorhin in der Tanzschule, genauso. Sie fiel mir um den Hals, und erdrückte mich fast. Ich wusste nicht, ob ich ihr jetzt mein Beileid aussprechen sollte, oder ob ich sie einfach in den arm nehmen sollte und nichts sagen sollte.
„Warum ich? Warum trifft es immer die unschuldigen? Warum muss ich leiden? Warum trifft es die, die es am wenigsten verdient haben? WARUM?", Jessy schrie sich aus und mir das Ohr ab. Ich wusste nicht was genau ich sagen sollte, aber ich versuchte sie zu beruhigen! „Jessy, jetzt hör mir mal ganz genau zu", ich sagte diese Worte eiskalt und nicht zuletzt mit einer gewissen strenge im Ton. Es hat sie so getroffen, das sie verstummte, einfach da saß und total geschockt war; „es kann niemand etwas dafür, wirklich niemand, das du es abbekommen hast. Das einzige was du ab jetzt machen solltest, ist dich amüsieren, Spaß am Leben haben. Du solltest alles hinschmeißen und einfach das tun was du willst, einfach das tun, woran du grade denkst, einfach das tun was du grade für richtig hälst. Aber eins darfst du niemals tun, dich vor dem Tod fürchten, du musst ihm ins Auge schauen, aber du darfst dich nicht davor fürchten."
Wie ich mir schon gedacht hatte kam kurze Zeit später die Polizei zu uns, als wir auf der Bank saßen und Jessy lautstark heulte. Ich musste ihre Eltern informieren, das ich wusste wo sie ist, da ich mir selber große Sorgen machte, Sorgen um eine sehr gute Freundin.
„Jessy? Felix?", fragte einer der beiden Polizisten. „Ja, das sind wir.", antwortete ich, in diesem Moment klammerte sich Jessy krampfhaft an mir fest. „An alle Einheiten, Entwarnung, Jessy und Felix gefunden, außer Gefahr.", dieser Funkspruch den der andere Polizist durchgab, biss sich in meinem Kopf fest, so fest wie das Brandmal an einer Kuh. „Verstanden, 11/30, benötigt ihr einen RTW?", kam eine Stimme aus dem Funkgerät des Polizisten. „Ist bei euch alles in Ordnung? Oder braucht ihr Ärztliche Hilfe?" „Nein, uns geht es gut", antwortete ich dem Polizisten. „Negativ Zentrale, Habt ihr die Eltern informi..." „JESSY. JESSY mein Liebling ist alles ok?", ihre Mutter stürmte an den Polizisten vorbei und nahm Jessy in den Arm. „Tu so was nie wieder ok? Bitte tu uns so etwas nie wieder an. Wir haben uns solche Sorgen gemacht.", ihre Mutter, war aufgelöst, aufgelöst aber auch geschockt. Sie einfach baff, sie war froh das sie ihre Tochter in den Arm nehmen kann, kam aber wahrscheinlich, genauso wenig wie Jessy, einfach gar nicht damit klar wie die Diagnose ausfiel.
Ich muss übrigens auch sagen, das es mir sehr zu schaffen machte, mich fertig machte, einfach von alles was passierte.
Ich war geschockt von Jennys Diagnose ... aber ich war noch mehr geschockt, von Annas Handlung. Ich meine wir kannten uns doch kaum, na klar hab ich mich die ganze Zeit selbst gefragt woher ich sie kenne, weil ich es im Gefühl hatte, aber ich fand sie sooooo süß.
