Grillen zirpten. Wasser plätscherte leise über glatte Steinplatten in einen kleinen See. Der Mond stand hell erleuchtet oben am Himmel und hüllte die kleine versteckte Lichtung in eine ruhige fast schon magische Atmosphäre. Ein seichter Nebel überzog die Wasseroberfläche und den Boden des umliegenden Waldes. Die Nacht war sternklar. Es war nicht eine Wolke am Himmel. Glühwürmchen schwirrten gelassen um die Schilfhalme und über die Seerosen, welche sich in der sanften Wasserbewegung schwenkten. Leise aber bestimmte Schritte bahnten sich ihren Weg durch das hohe Gras.
Schon bald mischte sich das Rascheln mit dem Klappern von Metall. Es war ein mir sehr vertrautes Geräusch. Das Klappern kam von der Rüstung meines Leibwächters. Er hatte mich also doch gefunden. Seine Schritte verstummten ein paar Meter hinter mir, was mich neugierig zu ihm schielen ließ. Zwischen dem hohen Gras und den Bäumen verschmolz meine Leibwache mit den Schatten, seine Rüstung war im tiefem Dunkel der Nacht eingehüllt. Die Umrisse seiner Gestalten wirkten wie eine düstere, gar bedrohliche Silhouette. Er war schon lange im Dienst des Königs. Mehrere Orden zierten seinen Brustplatte und den daran hängenden Umhang. Sein Gesicht verbarg sich hinter einem maskenhaft wirkenden Helm, nur die Glanzlichter seiner Augen schimmerten zwischen dem Stahl hervor. Respektvoll hielt er seinen Blick von mir fern und sah tief in den Wald hinein als er das Wort ergriff. "Euer Vater sucht nach Euch." Amüsiert sah ich zurück auf die Wasseroberfläche und lies mich tiefer zwischen die Steine des Ufers sinken. "Nun ich kann meinen Vater aber nirgends erblicken. Er gibt sich wie immer nicht gerade viel Mühe bei der Suche." Ich konnte hören wie meine Leibwache belustigt ausatmete und beobachtete in der Spiegelung vom Wasser wie er seine Haltung lockerte. "Ich unterbreche Eure Ruhe wirklich ungern, aber es ist meine Aufgabe Euch zu finden und zurück in den Palast zu bringen." Die Augen verdrehend drehte ich mich zu ihm und legte meine Arme auf einen der großen Steine übereinander, während mir das Wasser ans Kinn schwappte. Durch meine Wimpern schielend sah ich tief in seine Augen, welche weiterhin fest auf die Ferne gerichtet waren. Er war wirklich unverbesserlich. Mit einem schelmischen Grinsen legte ich meinen Kopf etwas auf die Seite. "Darian du weißt wie sehr ich diese Förmlichkeit hasse. Also, runter mit dem Blech und entspann dich." Seine stählernen Augen wurden weich, bevor er sie schloss und sich nach einem tiefen durchatmen an den Helm griff.
Das klicken von zwei Schnallen ertönte, worauf er den Helm nach oben ziehen konnte und sein Gesicht zum Vorschein brachte. Das Licht des Mondes umspielte die Narben, die wie Geschichten vergangener Schlachten auf seiner Haut verweilten. Seine Augen waren von einer Mischung aus Entschlossenheit und Ermüdung gezeichnet und spiegelten die Last seiner Verantwortung wider. Dunkles Haar fiel ihm in wirren Strähnen über die Stirn und lies ihn weniger bedrohlich wirken. Und wieder hob er seinen Blick über mich hinweg in den Wald hinein. Machte er das etwa gerade mit Absicht? Fast schon empört hievte ich mich ein Stück nach oben, so das ich bis zur Taille im Wasser war. "Darian ich Befehle dir mich anzusehen. Es ist unhöflich mir nicht in die Augen zu sehen." Ein dezentes schmunzeln legte sich über seine Lippen. Er war in einer Zwickmühle. Meine Befehle zu missachten würde ihm Schwierigkeiten bereiten, aber den Schwur an unseren König zu brechen würde gar den Tot für ihn bedeuten. "Wenn Euer Vater mitbekommt, das..." "Mein Vater ist nicht hier." Ich unterbrach ihn flink in seinem Satz und grinste amüsiert. "Sieh mich an oder ich Befehle dir, mir hier drin Gesellschaft zu leisten mein Guter." Meinem Befehl nachgebend senkte er seine Augen auf meine und verschränkte dabei gelassen seine Arme. "Irgendwann werdet Ihr mir noch den Kopf kosten Viola." Kichernd drehte ich ihm entspannt den Rücken zu und lies mich wieder tiefer ins kühle Wasser sinken.
Darian bewegte sich hinter mir und ich konnte erneut das klicken von Schnallen vernehmen. Was hatte er denn nun gemacht? Meine Frage beantwortete sich schnell, als er neben mich trat und sich auf den großen Stein setzte um seine Füße ins Wasser zu halten. Schmunzelnd musterte ich ihn etwas aus dem Augenwinkel heraus. "Tut gut oder?" Nickend blickte er auf die schimmernde Wasseroberfläche. "Ich muss Euch immer noch in den Palast zurück bringen Viola." Neugierig sah ich hoch in seine Augen und lächelte etwas. "Was ist es denn dieses Mal?" Darian griff an seinen Rücken und zog einen Brief unter seinem Umhang hervor, welchen er mir reichte. "Das habt Ihr nicht von mir." Breit grinsend nahm ich ihm den Brief ab und musterte neugierig das Siegel. Es war das Siegel der vier Nachbarreiche. Um was es wohl diesmal ging? Wieder mangelnde Waren? Piraterie auf unseren Handelsrouten? Wissbegierig öffnete ich den Brief und überflog rasch den in fein leserlicher Schrift verfassten Text. ~Hoheit~, begann der Brief mit königlicher Autorität, ~Die Zeit ist gekommen, die Wege der Zukunft zu betreten. Vier Prinzen von mächtigen Nationen werben um die Hand Ihrer Tochter. Sie ist ausersehen, einen von ihnen zu wählen, um an dessen Seite zu stehen und ihn zum Gemahl zu nehmen.~ Ein unangenehmer Knoten formte sich in meinem Magen, während ich die Worte aufnahm. Die goldenen Fesseln der königlichen Pflichten schnürten sich enger um meine Seele, als ich erkannte, dass meine Freiheit, meine Liebe und meine Zukunft in diesem Brief gefangen waren. Zwischen den Zeilen verbarg sich die schmerzliche Realität, dass meine eigene Wahl in den Schatten der königlichen Entscheidung getreten war. Alle meine Träume und Hoffnungen waren zerplatzt. Ich konnte meine Enttäuschung nicht verbergen und lies frustriert meine Schultern sinken. Darian musterte mich aus dem Augenwinkel heraus und nahm mir den Brief ab, bevor ich ihn mit meine Hand ins Wasser riss. Er spürte die Schwere meiner Enttäuschung. "Vielleicht ist es nicht so schlimm, wie es scheint, Hoheit", versuchte er zu beschwichtigen. Doch der Brief, der mir aus den Händen glitt, hatte bereits meine Träume zerbrochen. Ich wandte mich ab, den Blick auf die Wasseroberfläche gerichtet. "Vier Prinzen, Vier Nationen, aber keine eigene Wahl..." murmelte ich leise, meine Gedanken im Strudel der Ungewissheit gefangen. Darian schwieg respektvoll, während die Wellen des Sees meine Gefühle spiegelten. Eine Prinzessin, gefangen zwischen königlicher Pflicht und dem Verlangen nach Freiheit. Wie sollte ich jetzt weiter machen? Darian legte seine Hand leicht auf meine Schulter, was mich überrascht aufsehen lies. "Viola, das klingt vielleicht nach einem ordentlichen Schlamassel, aber wer weiß, was das Schicksal für Euch bereithält. Vielleicht gibt es unter den Prinzen einen Kerl, der mehr taugt als nur königliche Pflichten." Seine Worte brachten ein Schmunzeln auf meine Lippen. Er wusste was er sagen musste um mich aufzumuntern. "Und hey, wer sagt, dass Ihr nicht doch eine Möglichkeit habt, euren Weg zu finden?" Sein Lächeln war aufmunternd, und ich spürte, wie sein Mitgefühl mich ein wenig aufbaute. "Manchmal sind Überraschungen die besten Dinge im Leben Viola." Sein unkompliziertes Verständnis war wie ein Lichtstrahl in der Dunkelheit meiner Sorgen. Ich lächelte leicht und spürte, wie der Druck auf meinen Schultern nachließ. "Danke, Darian. Es tut gut, jemanden an meiner Seite zu wissen, der nicht nur an königliche Pflichten denkt." Seine Augen leuchteten auf, und er nickte verständnisvoll. "Nun, meine Hoheit, wie wär's, wenn wir gemeinsam den Weg zurück zum Palast antreten?" Ich stand langsam auf und spürte, wie das Wasser von meinem Körper perlte. Ein schalkhaftes Funkeln lag in meinen Augen, als ich mich auf den Weg machte, um mich anzuziehen. Darian, bewusst seiner Rolle als Leibwächter, wandte sich verlegen ab, sein Blick fest auf den Wald gerichtet. Sein Schweigen verriet die innere Zwickmühle zwischen Eid und meinem Wunsch nach Ungezwungenheit. "Na, Darian, hast du nicht Lust, mir beim Anziehen Gesellschaft zu leisten?", rief ich mit einem verschmitzten Lächeln. Er räusperte sich und vermied beharrlich, mich anzusehen. "Eure Hoheit, das wäre gegen meine Pflichten und meinen Eid als Leibwächter. Euer Vater würde mich Hängen lassen." Ein leises Lachen entrang sich meiner Kehle. "Ach, sei nicht so steif, Darian. Hier gibt es keine königlichen Regeln und mein Vater würde es so oder so nicht erfahren." Seine Wangen röteten sich leicht, aber er konnte meinem frechen Blick nicht widerstehen. Nach meinem neckischen Kommentar spürte ich einen kurzen Moment der Unsicherheit in der Luft. Darian, sichtlich zögerlich, riskierte einen flüchtigen Blick auf meinen Körper, bevor er schnell wieder wegsah. Seine Wangen färbten sich tiefer rot, und ein Hauch von Verlegenheit lag in seinen Augen, während ich mich anzog. Seine Haltung verriet, dass die Versuchung, meinen Körper zu betrachten, seinen Eid kurzzeitig durchbrochen hatte. Als ich meine Kleidung wieder angelegt hatte, war er bereits dabei sich selbst Schuhe und Helm wieder anzuziehen. "Wir sollten uns beeilen, Hoheit", sagte er, seine Stimme klang etwas brüchig. Ein unausgesprochener Moment der Schwäche und Verwirrung lag zwischen uns, bevor er wieder in seine Rolle als Leibwächter zurückkehrte. Ich hatte ihn tatsächlich ins schwanken gebracht. Leicht amüsiert ging ich schließlich mit ihm zusammen zurück zum Palast.
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Entscheidung im Dämmerlicht
RomanceViola, die junge Prinzessin eines mächtigen Königreichs, steht vor einer herzzerreißenden Entscheidung. Im Schatten der Goldenen Fesseln königlicher Pflichten muss sie zwischen der Liebe ihres Herzens und den Verantwortungen gegenüber ihrem Reich wä...