Erdbeeren und andere Synonyme

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Wie wollen wir es denn nun nennen?

Erdbeerwoche?
Die rote Zora?
Tante Rosa?

Oder doch, ganz normal – Periode?

Es ist ein Thema, das wohl jede Frau beschäftigt.

Umso schrecklicher, dass man so drumherum reden muss.
Dass man komische Begriffe erfinden muss, um nicht zu sagen zu müssen, was man wirklich meint.

Die meisten Männer haben an dieser Stelle wahescheinlich schon abgeschaltet.
Dabei wissen viele wahrscheinlich nicht einmal, was da überhaupt passiert.

Hier in einfach:
Wenn ein Mädchen älter wird, bereitet sich ihr Körper darauf vor, ein Baby zu bekommen. Jeden Monat baut sich dann eine Schicht in ihrer Gebärmutter auf, um das Baby zu beherbergen. Wenn man dann nicht schwanger wird, stößt der Körper diese Schicht ab.
Und das ist die Periode.
Einfach, oder?

Und das wiederholt sich Monat, für Monat. Für Monat. ... Für Monat. ........... Für Monat.

Verstanden? Gut.

Aber es gibt Dinge, die ich nicht verstehe.

Warum man gleichzeitig Krämpfe, stechende Schmerzen, Übelkeit, Kopfschmerzen, Schwindel, Kreislaufprobleme, Hitzewallungen, Heißhunger, Stimmungsschwankungen, Durchfall, Verstopfung und teils Erbrechen erdulden muss und trotzdem von einem verlangt wird, dass man jeden Tag 100% gibt.

Dass erwartet wird, dass man normal arbeiten geht.
Sich nicht wie eine Furie verhält.
Dass man sich nicht beschwert.
Und bloß nicht darüber spricht!

Weil das "eklig" ist.

Ich versteh nicht, dass man als Frau die Wahl hat, ob man lieber Binden, Tampons, Mentruationstassen, Periodenunterwäsche oder sonst was alles nimmt und trotzdem für alles zahlen muss.
Besonders, wenn die Sachen pink oder besonders girly sind. Kotz.

Und das obwohl man gar nichts dafür kann. Weile es einfache und simple Biologie ist.

Ich versteh nicht, warum manche so einen Hass verspüren, wenn darüber geredet wird, Menstruationsprodukte kostenlos herauszugeben. Warum manche so einen Aufschrei machen und es mit verdammten Rasierern vergleichen, wenn es doch deine eigene Wahl ist, ob du dich rasierst oder nicht.

Was ist mit den Mädchen und Frauen, die aus einkommensschwachen Familien kommen, die sich Periodenprodukte nicht leisten können? Denkt keiner daran?

Ich will gar nicht darüber nachdenken, wie schwer es Mädchen und Frauen in Ländern haben, die weniger "fortgeschritten" sind als Deutschland.

Ich versteh nicht, warum wir Frauen und bis heute schämen müssen, wenn wir Binden oder Tampons brauchen. Warum wir gleich in einen Flüsterton verfallen, wenn wir uns bei der besten Freundin etwas leihen müssen.

Damit es ja keiner mitkriegt.

Ich versteh nicht, warum viele ihre Kinder nicht aufklären.
Warum Mädchen erst weinend zu ihrer Mutter rennen und sich fragen müssen, ob sie verbluten, weil da plötzlich etwas Rotes im Slip oder auf dem Klopapier ist, nur um dann mit all dem konfrontiert zu werden.

Ich versteh nicht, warum man sich darüber lustig macht.
Warum jedes Mädchen Angst hat ihre Tage in der Schule zu bekommen, weil man sie dafür zum Gespött der Schule machen könnte.

Ich versteh nicht, warum man sich über uns lustig macht. Warum man uns fragt, ob wir unsere Tage haben, wenn wir schlecht gelaunt sind, weil das ja so typisch Frau ist.

Ich versteh nicht wie solch eine Abneigung gegen etwas herrschen kann, was die Hälfte der Weltbevölkerung betrifft, betroffen hat oder noch betreffen wird.
Warum man sagt, wir seien eklig oder unrein und wir sollten uns für unseren Körper schämen.

Ich verstehe so viele Dinge nicht, was das angeht.

Und ich werde jeden Monat daran erinnert, wie verdammt ätzend das alles ist.

Warum musste ich erst durch fucking TikTok lernen, dass ein scharfer Schmerz im Po, depressive Schübe und Hautunreinheiten während der Periode völlig normal sind?

Dass es nicht normal ist wenn man vor Schmerzen heulend im Bett liegt und für drei Tage lang jeden Monat bewegungsunfähig ist, sondern dass das ein Zeichen für Endometriose sein kann?

Warum musste ich durch TikTok lernen, dass es Alternativen zu Binden und Tampons gibt und dass man Periodenprodukte nach sieben Stunden spätestens wechseln muss, um keinen toxischen Schock zu bekommen?

Warum fand diese Art Aufklärung nicht schon viel früher statt?
Dann als ich sie gebraucht hätte?

Warum lässt man uns Mädchen und Frauen so im Stich?

Statt uns aufzuklären, verschreibt man uns die Pille, pumpt uns mit Hormonen voll – und das schon in der Pubertät.
Man greift in unseren Hormonhaushalt ein ohne uns über Nebenwirkungen oder Konsequenzen zu informieren.

Man sagt uns:
Das hilft gegen Akne.
Es hilft bei den Krämpfen.
Die Pille verkürzt deine Periode.
Und du verhütest gleichzeitig. (Und du musst verhüten, weil Männer können keine Verantwortung tragen, Männer brauchen sich nicht darum zu kümmern, Verhütung ist allein deine Angelegenheit!)

Whoopdiedoo! ... ... ...

Wie falsch diese Welt doch ist.

Was man uns nämlich nicht sagt ist, dass wir dadurch zunehmen können.
Dass unser Herz-Kreislauf-System dadurch beeinträchtigt werden kann.
Dass es Depressionen hervorrufen oder verstärken kann.
Dass sich das Krebsrisiko erhöhen kann.

Und dass Männer sehrwohl die Verantwortung für Verhütung tragen können!

Nein, man erwartet, dass ein 11-jähriges Mädchen, das von ihrem Frauenarzt die Pille verschrieben bekommt, vorher einen ellenlangen Beipackzettel liest und dann eine Pro- und Kontra-Liste erstellt, um für sich abzuwägen, ob die Pille für einen geeignet ist oder nicht.

Sonst noch was?

In dem Alter ist man froh, wenn man eine Lösung für seine Akne bekommt.
Wenn man eine Lösung für seine Schmerzen bekommt und plötzlich Kontrolle über die eigene Periode hat.

Da hinterfragt man nicht.

... Aber ich hätte es tun sollen.

Mit 9 hatte ich meine erste Periode.
Mit 11 meine Zweite.

Mit 11 hat man mir die Pille verschrieben und ich habe sie genommen bis ich 17 war.
– 6 verfickte Jahre lang.

6 Jahre, in denen ich ständig mit Gewichtsschwankungen zu kämpfen hatte.
6 Jahre, in denen ich Herzrasen, Kreislaufprobleme und Ohnmachtsanfälle hatte.
6 Jahre, in denen ich chronisch depressiv war.

Mit 17 habe ich mit einer Freundin gesprochen.
Sie sagte mir, dass sie ohne die Pille viel glücklicher wäre und dass sie sich in ihren Körper viel wohler fühle.
Dass sie gesünder, vitaler und glücklicher wäre.

Ich habe damals auf sie gehört und die Pille abgesetzt.
Es war für mich die beste Entscheidung meines Lebens.
Ich konnte endlich wieder durchstarten.

Aber die Schäden sind leider geblieben.

— Scheiß Periode. Scheiß Pille. Scheiß Pubertät.

Ich wünschte, dass man meinem jüngeren Ich mehr den Weg geebnet hätte, dass man mich besser aufgeklärt hätte und man mir eine Welt geschaffen hätte, in der ich meinen Körper besser kenne und mich für etwas Natürliches nicht schäme.

Lasst zusammen daran arbeiten, dass es Generationen von Mädchen und Frauen nach uns besser geht.

Dass wir uns irgendwann nicht mehr für unsere Periode schämen und komische Synonyme wie "Erdbeerwoche" erfinden müssen.

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Danke, dass ihr meinen Duschgedanken gelauscht habt.
Peace, ich bin raus.

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