Männer, Frauen und Ich

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⚠️ Trigger-Warnung: Grooming, Missbrauch, sexuelle Themen⚠️
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Das Thema Sexualität ist etwas, worüber ich mir als Kind kaum Gedanken gemacht habe.
Besser gesagt – gar keine.

Ich bin damit aufgewachsen, dass das Wort "schwul" eine Beleidigung ist, dass eine Frau einen Mann heiraten muss und alles, was darüber hinaus geht, eklig ist.

Nicht, dass meine Eltern homophob waren. Keineswegs.
Es war einfach die Welt, in der ich gelebt habe.

Aber fangen wir am Anfang an.
Ich bin eine Cis-Frau, 22 Jahre alt und pansexuell.

Als ich klein war, hatte ich immer den Traum einer Märchenhochzeit mit meinem Märchenprinzen und ein oder zwei Kindern.
Bilderbuchmäßig eben.

Mein erster Crush war ein Junge aus meinem Kindergarten – ein süßer Kerl mit blonden Haaren und super lustig.
Meine Eltern fanden das unfassbar niedlich und haben ihn zu meinen Geburtstagen eingeladen. Ich wurde dann wiederum auch zu seinen eingeladen.
Es war alles so unschuldig.

Am Ende wurde nie was draus, aber es war süß.

Zu dem Zeitpunkt konnte ich noch nicht ahnen, dass das für lange Zeit meine letzte positive Erfahrung mit dem männlichen Geschlecht sein würde.

Meine erste "BeZiEhUnG" hatte ich in der zweiten Klasse.
Sie hielt zwei Tage.

Ich habe es beendet, nachdem er mir einen Heiratsantrag mitten im Unterricht gemacht hat.
Ich hätte es da schon wissen können, dass ich Bindungsängste habe.

Danach wurde alles etwas schwieriger. Und es ist wirklich nicht leicht darüber zu reden.

Es ist das erste Mal, dass ich das erzähle und ich gehe hier einen wichtigen Schritt für mich.
Einen, den ich aber gehen muss, um mich und meine Geschichte zu akzeptieren. Um zu erkennen, warum ich so bin wie ich bin.
Vielleicht auch, um Frieden zu finden.

— Ich wurde als Kind von einem erwachsenen Mann missbraucht.

Es ist egal, wer das war oder wie es passiert ist. Vielleicht spreche ich darüber in einem anderen Kapitel.

Was wichtig ist und warum ich es erwähne, ist weil es meinen Zugang zu Sexualität und Sex allgemein verändert hat.
Es hat meinen Zugang zu Männern und auch zu Frauen verändert.

Ich war etwa neun Jahre alt zu dem Zeitpunkt.
Ich wusste in etwa, was Sex war, aber ich wusste nicht, dass ich so schnell damit konfrontiert werden würde.
Ich habe Jahre gebraucht, um zu verstehen, was da überhaupt mit mir passiert ist.

Als ich es dann verstanden habe, habe ich mich geschämt. Ich dachte lange, ich wäre schuld und ich denke es auch heute manchmal noch.
Ich weiß, dass das nicht der Fall ist, aber ich kann bis heute nicht anders als meinen eigenen Körper dafür zu hassen, wie er damals reagiert hat und meinen Verstand dafür zu hassen, dass ich es nicht eher begriffen habe.

Ich wurde Männern ängstlicher und vorsichtiger gegenüber.
Wenn ich außer Haus bin, huschen meine Augen immer umher, halten Ausschau nach potenzieller Gefahr.
Ich sehe jeden Mann als eine Bedrohung und ich vertraue niemandem.
Nicht meiner Familie, nicht meinen Freunden, niemanden.
Manchmal traue ich nicht einmal mir selbst.

Ich kann die Berührung von Männern seitdem nicht mehr richtig genießen.
Ich bin den Worten von Männern gegenüber misstrauisch, ihrer Zuneigung gegenüber ablehnend und den wenigen guten Männern gegenüber blind.

Ich habe meinen Missbrauch jahrelang versucht zu ignorieren, es zu verheimlichen. Es weiß keiner davon und ich will auch nicht, dass es jemand weiß.
Ich habe Angst, dass wenn ich jetzt - Jahre später - damit herausrücke, mir keiner Glauben schenken wird. Dass man behaupten wird, ich würde das nur für die Aufmerksamkeit erzählen.

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