Lavendeltee zum mitnehmen

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Die Ladentür öffnet sich und die Klingel die oben daran befestigt ist, kündigt klirrend einen weiteren Kunden an.

Schon am quietschen der Schuhe kann ich erkennen wem ich gleich ins Gesicht blicken werde. Es ist ein wenig wie wenn man bei seiner Familie erkennt wer gerade die Treppe herunter läuft oder so.

Nur eben das ich es mir bei meinen Stammkunden über die Zeit eingeprägt habe.

Lächelnd greife ich schon nach der passenden Tasse ehe ich mich umdrehe und wie erwartet den älteren Herrn von gegenüber vor mir stehen habe.

"Das übliche Herr Weissenbach?" frage ich eigentlich nur aus Höflichkeit, denn seit der Mann vor inzwischen fast anderthalb Jahren das erste Mal mein Cafe betreten hat, habe ich noch nie einen Tag erlebt an dem sich seine Bestellung änderte.

"Wie immer" lautet seine Antwort und ich kann es mir nicht verkneifen zu grinsen.

Es macht mich glücklich zu wissen was die Leute wollen und es ihnen bereitstellen zu können. Man könnte mich wohl einfach als People pleaser bezeichnen aber es macht mich froh und solange das der Fall ist habe ich kein Problem damit.

Nachdem ich die Bestellung, einen doppelten Espresso und eine große Zimtschnecke, fertig habe, bringe ich beides an den nächstgelegenen freien Tisch an dem es sich der ältere Mann schon bequem gemacht hat und stelle beides vor diesem ab.

Ich wünsche noch einen guten Appetit und verschwinde wieder hinter die Theke.

Da gerade nicht so viel los ist und ich sowieso bald den Laden für heute schließe, mache ich mich schon langsam daran die Theke und die schon leeren Tische abzuwischen. Viel war heute nicht los, aber das ist unter der Woche eher meistens der Fall.

Wieder hinter der Theke beginne ich die übrigen Backwaren in Tüten zu packen. Wenn viel übrig bleibt gebe ich es meistens an eine Hilfsorganisation weiter die hier ganz in der Nähe eine Stelle hat.

Wieder klingelt das Glöckchen an der Tür. Ich bin schon bereit zu sagen das ich leider gerade schließen möchte, doch ein Blick auf die Uhr verrät mir das es noch zehn Minuten vor meiner Schließzeit ist und so sage ich nichts und sehe erwartungsvoll zu dem großen Mann der mir nun entgegensteht.

Das erste was mir auffällt, sind seine Haare. Rotbraun fallen sie ihm über die Schultern, fast bis zur Hüfte. Erinnert mich fast ein bisschen an die ganzen Jesus Bilder, wären da nicht die ganzen eingeflochtenen Bänder und Perlenschnüre die die Haare des Mannes vor mir schmücken.

Er trägt einen beigen gestrickten Pullover und darüber eine schwarze Latzhose, die auch wenn es durch das schwarz nicht so auffällig ist, ziemlich dreckig zu sein scheint.

"Hallo, was darf es sein?" Begrüße ich ihn nach meiner kurzen Inspektion freundlich, da ich diesen Kunden vorher noch nie gesehen habe und so natürlich auch keine Ahnung habe was er bestellen möchte.
"Haben sie Lavendeltee?"

Was?
Ich verharre einen Moment. Natürlich ist es nicht komisch das jemand Lavendeltee bestellt aber irgendwie habe ich diese Bestellung bei diesem Mann nicht erwartet. Wow ich wusste gar nicht das ich mir so schnell voreilig eine Meinung bilde über jemanden den ich gar nicht kenne.

"Ja haben wir" sage ich deshalb nur. "Dann einen Lavendeltee zum mitnehmen bitte." Okay es wird noch ungewöhnlicher. "Tee haben wir nur zum hier trinken." Antworte ich woraufhin mein Gegenüber nickt und sagt "Dann für hier."

Während er aus seiner Tasche ein paar Münzen kramt habe ich mich schon umgedreht um den Tee zu machen. Währenddessen kann ich nicht aufhören über die Bestellung nachzudenken. Vielleicht hat er ja Schlafprobleme umd trinkt deshalb Lavendeltee. Soll ja glaub ich helfen.

Wieder blicke ich auf die Uhr über dem Tresen. Noch fünf Minuten. Ich seufze und stelle die heiße Teetasse auf eine Untertasse.
Da ich das Gebäck heute sowieso nicht mehr verkaufe, lege ich ihm einen der Kekse mit dazu ehe ich es ihm an den Tisch bringe.

Verwundert sieht er den Keks an und ich bringe halbwegs hörbar ein "geht aufs Haus" hervor bevor ich mich wieder umdrehe. Auf meinem kurzen Weg zu Theke sammle ich das Geschirr von zwei anderen Tischen ein dessen Kunden ich noch verabschiede da diese gerade gehen.

Aus dem Augenwinkel sehe ich wie auch der unbekannte wieder aufsteht und ohne ein Wort wie die anderen aus dem Laden verschwindet.
Ungläubig gehe ich zu seinem Tisch um zu sehen das er den gerade erst gebrühten Tee tatsächlich in dieser kurzen Zeit ausgetrunken haben muss, denn die Tasse ist leer und auch der Keks ist weg.

"Der muss sich doch absolut die Zunge verbrannt haben" spreche ich laut vor mich hin da ich inzwischen alleine im leeren Cafe stehe.

LavendelteeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt