⌛ Der Mann des Zeitreisenden ⌛

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Der junge Koreaner rieb sich die müden Augen, nachdem er den Pinsel weggelegt hatte. Er rückte von der Staffelei weg und ächzte gähnend, als er seine eingerosteten Knochen bewegte und sich ausgiebig streckte. Ein Blick auf die Wanduhr, welche sich gegenüber von ihm befand, ließ ihn wissen, dass er bereits seit 4 Stunden ohne Unterbrechung an dem neuen Werk für seine baldige Ausstellung saß. Die Zeit verging wirklich schnell, wenn man sich vertiefte und die leise Jazzmusik im Hintergrund tat noch ihr Übriges dazu, dass der Braunhaarige ganz in seiner Kreativität aufgehen konnte. Er liebte es, wenn er so im Flow war, aber jetzt benötigte er dringend eine Pause, um mal etwas anderes außer vibrierenden Farben zu sehen.

Sein Weg führte ihn in die angrenzende Küche, wo er sich einen Kakao anrührte und verträumt durch das Fenster, was über der Spüle platziert war, in den kleinen Garten hinaus schaute. Nach einem Schluck rieb er sich die schmerzende Nackenmuskulatur und schwor sich, dass er wieder mit dem Ausdauertraining beginnen würde. Er hatte aufgehört, mit seinem Mann mithalten zu wollen, der ein richtiger Bewegungsfanatiker war, es aus einem bestimmten Grund auch dringend brauchte, sich so auszupowern. Diese Leidenschaft hatte leider unfreiwillig dazu geführt, dass er sein eigenes Workout schnell ad acta gelegt hatte und seither auch nicht mehr dazu gekommen war, ein geeignetes für sich zusammen zu stellen.

Als er so seine Tasse mit dem warmen Milchgetränk umfasste, traf das tief stehende Sonnenlicht, welches an diesem Nachmittag eines milden Herbsttages herrschte, den Ring an seinem Finger, ließ diesen golden schimmern. Der schlanke Mann konnte nicht anders, als verliebt zu lächeln. Nach all den Jahren ihres Zusammenseins rief das sichtbare Symbol ihrer Liebe immer noch ein intensives Glücksgefühl in ihm hervor. Ihr 10-Jähriges lugte quasi um die Ecke, auch wenn sie gerade erst ihren 2. Hochzeitstag gefeiert hatten.

Er biss sich, in Erinnerungen schwelgend, auf die Unterlippe, als er daran zurückdachte, wie seine große Liebe und er zusammengekommen waren; sah die Hütte im Wald, die seinen Eltern nach wie vor gehörte, so lebhaft vor seinem geistigen Auge, als befände er sich gerade in ihr. Draußen hatte eine Eiseskälte geherrscht, aber innen war es angenehm gewesen, da ein Kaminfeuer ausreichend Wärme gespendet hatte. Er erinnerte sich an den Berg von weichen Decken auf dem knarzenden Dielenboden und an die innige Umarmung seines Schatzes, als sie an jenem Abend den letzten Schritt gegangen waren und ihre Unschuld aneinander verloren hatten.

Ein melodisches Klingeln riss ihn aus den Gedanken und kurz überlegte er, wer zu dieser Stunde vorbeikommen würde, da er niemanden erwartete. Für seinen Liebsten wäre es noch etwas zu früh. »Ja, bitte?«, wollte er durch die geschlossene Tür wissen und als keine Antwort kam, wandte er sich schon halb ab, als er ein zögerliches »Tae?« vernahm. Ein Blick durch den Spion ließ ihn erstaunt die Augen aufreißen. Die Hand am Türknauf hielt er einen Moment inne, versuchte zu verarbeiten, wen er dort in leicht verzerrter Optik sah. Immer noch ungläubig, öffnete er schließlich die grün gestrichene Tür.

»Jungkook?«, fragte er verwirrt, als sich ihm das Bild eines schmalen Jungen präsentierte, der in einer merkwürdigen Zusammenstellung aus viel zu großen Klamotten steckte. Er wusste natürlich, warum sein Besucher bunt zusammengewürfelte Kleidungsstücke trug, was niemals freiwillig geschah, und das war es auch nicht, was ihn überrascht hatte.

»Puh, ich hatte schon Angst, dass ich einen falschen Kim erwische«, lachte der offensichtlich um viele Jahre jüngere Gast, der sich aufgeregt am Kopf kratzte.

»Woher weißt du denn, wo ich wohne?«, erkundigte sich Taehyung.

»Glück, schätze ich? Ich hab' mich vor einem Laden wiedergefunden, über dem Kims Atelier stand. Da musste ich automatisch an dich denken, weil du momentan von nichts anderem redest, als davon, Kunst zu studieren« Taehyung schmunzelte bei der Erwähnung. Für ihn war das alles bereits lange her, aber für seinen Besucher nur einen Augenblick entfernt. »Die Tür war abgeschlossen, als ich reinwollte und eine alte Frau hat mich deshalb angesprochen, gefragt, ob ich zu Herrn Kim will. Sie hat wohl gedacht, ich bin dein Schüler oder so und hat mir diese Adresse gegeben. Ich dachte, dass es einen Versuch wert wäre«

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⏰ Letzte Aktualisierung: Mar 16 ⏰

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