2: Home sweet home

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Julias POV:

Es gab nicht wirklich einen Moment, in dem ich feststellte, dass ich aufgewacht war. Das Aufwachen war heute ein langer Prozess. Mein Schlaf wurde immer leichter, bis ich schließlich alles um mich herum so stark roch, spürte und hörte, dass es mir einfach nicht nötig erschien, die Augen zu öffnen. Denn würde ich die Augen öffnen, wäre ich ganz offiziell aufgewacht und das würde wiederum bedeuten, dass ich aufstehen, und einer Menge ignoranter Sturköpfe eine Erklärung liefern müsste. Also blieb ich liegen, presste mein Gesicht so tief in mein Kissen, dass ich förmlich das Lattenrost unter der Matratze spüren konnte und lauschte den knarzenden Dielen und Wänden des alten Schlosses, dass so viele Geheimnisse versteckte. Ich sog den Duft meines lang vermissten Kopfkissens tief ein, um mich für immer an ihn erinnern zu können, falls mich jemals wieder etwas von ihm trennen sollte. Staub, Holz, Zigaretten. Auch wenn dies vermutlich nicht sonderlich appetitlich klingt, hätte ich mir in diesem Augenblick keinen schöneren Geruch vorstellen können. Nach ein paar herrlich langen Minuten, in denen ich keinen Millimeter meines Körpers bewegt hatte, rollte ich mich schließlich auf den Rücken und hob meine schweren Augenlieder ein wenig an. Warmes Sonnenlicht viel unten zwischen den geschlossenen Vorhängen hindurch. Zum Glück stand mein Bett weiter hinten im Raum, wo die Lichtstrahlen es nicht erreichen konnten. Ich bin wirklich eine Menge... aber ein Morgenmensch? Um Gotteswillen nein. Da es, dem Tageslicht nach zu urteilen, Morgen war und ich morgens ins Bett gegangen bin, habe ich erfolgreich 24 Stunden geschlafen. Zunächst freute ich mich, weil dies bedeuten würde, dass ich, da es Tag war, Barnabas nicht sehen müsste... Allerdings brauchte ich keine 5 Sekunden, um enttäuscht festzustellen, dass dieser elende Blutsauger ja seinen Schlafrythmus auf den eines Menschen umgestellt hatte. Ächzend erhob ich mich schließlich aus meinem Bett und streckte mich. Schritt für Schritt schlurfte ich zum Fenster und öffnete die Gardinen- gerade so viel, dass mich die direkten Sonnenstrahlen nicht berührten. Sie fielen stattdessen auf einen kleinen Holztisch, der in der Nähe meines Bettes stand. Auf ihm standen sorgfältig platziert einige Flaschen Alkohol. Ein verschlafenes Lächeln schlich sich auf meine Lippen. Normalerweise hatte ich den Tag immer mit einem Glas Whisky gestartet. Auch wenn ich meistens noch einem Kater vom letzten Abend gehabt hatte... Also näherte ich mich dem Tischchen und öffnete vorfreudig eine der Flaschen. Doch als mir allein der stechende Geruch in die Nase stieg, schloss ich sie kurzerhand wieder und stellte sie zurück zu den anderen. Irgendetwas hielt mich davon ab... ich spürte nicht das übliche Verlangen danach... ich hatte sogar keine Lust. Kein Interesse. Ich betrachtete die Flaschen schon beinahe abgeneigt. Richtig! Vampire trinken ja ausschließlich Blut. Die Erkenntnis ließ mich bitter schlucken. Gegen etwas Anderes als Unsterblichkeit hätte ich Alkohol wohl niemals eingetauscht.

Missmutig ging ich duschen. Ich beeilte mich, genoss nicht das warme Wasser auf meiner kühlen Haut oder dergleichen. Wenn ich von einer Sache erstmal genug hatte, dann war es Wasser. Ich tauschte mein blaues Kleid und die Bluse gegen ein braungemustertes Kleid mit langen Ärmeln. Die lange Zeit im Schrank hatte ihm einen muffigen Geruch nach Mottenkugeln verpasst, aber damit musste ich wohl leben. Wie ich das getrocknete Blut aus dem blauen Kleid rausbekommen sollte, überlegte ich ein anderes Mal.

Ich atmete tief ein, ließ den Rauch meine Lunge durchströmen. Nur weil ich dem Alkohol wohl oder übel "Lebe wohl!" sagen musste, hieß das noch lange nicht, dass ich auch meine Nikotinsucht aufgab. Nein. Meine Zigaretten behielten meine Treue.
Als der Rauch, meine Lunge verließ, verließ ich mein Zimmer. Gemächlich spazierte ich den langen (und vor Allem engen) Flur entlang, auf dem Weg zum Esszimmer. Und als wäre nichts passiert ging ich einfach hinein, grummelte ein halbwegs verständliches "Morgen." und setzte mich an den hintersten Platz am Tischende.
Ich hörte seine Stimme bevor ich ihn sah. "Sie-... sie sind hier." Das war's. Mehr sagte Barnabas nicht. Als mein Blick endlich seinen traf, hätte ich mir schon fast ein Grinsen verkneifen müssen, wenn ich nicht ohnehin zu müde zum Grinsen gewesen wäre. In seinen fast schwarzen Augen lag etwas Entgeistertes, etwas Rätselndes. Man konnte förmlich dabei zusehen, wie sich die kleinen Zahnräder in seinem Kopf drehten. Er überlegte. Überlegte, was er falsch gemacht hatte, als er mich umbringen wollte.
Mehr als ein knappes "Ja." und ein bestätigendes Kopfnicken bekam er nicht zur Antwort.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Aug 02 ⏰

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Drunk Doctor (Julia Hoffman x female reader) (german/deutsch)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt