Kapitel 4

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Klimpernde Ketten und klingelnde Glöckchen ertönten auf dem Deck, was meinen Blick von den Karten die ich studierte weg zog. Ich kannte diese Klänge. Es war lange her, das ich sie gehört hatte, aber ich erkannte sie wieder. Neugierig trat ich vom Kartentisch vor um zur Treppe zu sehen, wo sich meine Vermutung bestätigte. "Marlowe..." Ein junger Mann mit schulterlangen, weißen Haaren, die an den Spitzen und im Unterhaar mit einem roten Farbton gefärbt waren, wirkte in der Sonne beinahe wie ein lebendiges Gemälde. Sein schmales Gesicht zierte ein breites, unnatürliches Lächeln, das über seine vollen Lippen zog. Sein Körper war dünn, aber kräftig, und von Kopf bis Fuß mit kunstvollen Tattoos bedeckt, die bei jeder Bewegung auf seiner Haut zum Leben zu erwachen schienen. Barfuß und locker in einer luftigen Stoffhose und einer einfachen Lederweste gekleidet, strahlte er eine gewisse Leichtigkeit aus, die ihn von anderen abhob. Jeder seiner Schritte war von einer gewissen Grazie begleitet, und sein Blick war stets neugierig und voller Leben. Marlowe war nicht nur ein Mann, sondern ein lebendiges Kunstwerk, das mit jedem Wimpernschlag eine neue Geschichte zu erzählen schien.
Mit einem breiten Grinsen kam er auf mich zu und umarmte mich herzlich. "Serilda, du altes Schlitzohr! Schön, dich wiederzusehen!", sprach er fröhlich aus. Seine Stimme war voller Leben und Energie, und sein herzliches Lachen erfüllte den Raum. Es fühlte sich an, als wäre es eine Ewigkeit her, seit wir uns das letzte Mal begegnet waren. Sein Auftauchen unter Deck brachte eine unerwartete Wärme in den kalten Raum, und ich konnte mir ein Lächeln nicht verkneifen. In seinen Armen erfüllte mich eine Welle der Erinnerungen. Er war nicht nur ein alter Freund, sondern auch der Cousin meines verstorbenen Mannes Percival. Wir hatten zusammen viele Abenteuer erlebt, bevor das Schicksal uns auf unterschiedliche Wege führte. Marlowe war immer ein treuer Begleiter, und seine Anwesenheit brachte mir Trost und Freude, besonders in den schweren Zeiten nach Percivals Tod. Es war beruhigend zu wissen, dass ich immer auf ihn zählen konnte, genau wie er immer auf mich zählen konnte. "Es ist so gut, dich zu sehen. Wie geht es dir?" Meine Worte enthielten einen Hauch von Erleichterung und Wärme. Es war eine Wohltat, seinen vertrauten Gesichtszügen und seinem freundlichen Wesen zu begegnen, besonders in dieser ungewissen Zeit auf See. Er drückte mich noch einmal fest und lies mich dann los. "Es könnte mir nicht besser gehen. Die Frage ist eher wie es dir geht Schätzchen." Ein leichtes Lächeln spielte um meine Lippen, doch in meinen Augen lag noch immer ein Schatten der Vergangenheit. "Es ist kompliziert", gestand ich leise. "Die Schatten der Vergangenheit lassen mich nicht so leicht los." Es war schwer, meine inneren Kämpfe vor ihm zu verbergen, er kannte mich einfach viel zu gut. Sachte griff er nach meinem Kompass, der um meinen Hals hing, und hielt ihn in seiner Hand. Ein amüsiertes Schmunzeln huschte über sein Gesicht, während er den Kompass betrachtete. "Immer noch dieser alte Kompass, hm?", bemerkte er, seine Augen auf das vertraute Instrument gerichtet. "Er hat dich durch so viele Stürme geführt." Seine Worte brachten Erinnerungen an vergangene Abenteuer und Herausforderungen zurück, und für einen Moment fühlte ich mich von der Last der Gegenwart befreit. Ich nickte zustimmend und lächelte leicht. "Ja, er hat mir schon durch viele schwierige Zeiten geholfen." Mein Blick wanderte zu Marlowes Füßen, die wie üblich barfuß waren, und ich konnte mir ein neckendes Lächeln nicht verkneifen. "Und du hast immer noch keine Schuhe, Marlowe. Hast du nicht langsam genug von den Muscheln und dem Holz auf dem du läufst?" Er lachte amüsiert und hob einen seiner Füße leicht an, um unter seine Fußsohle zu schauen. "Ich merke schon gar nicht mehr, dass ich keine Schuhe trage", bemerkte er mit einem breiten Grinsen. Seine Fußsohlen waren Pechschwarz vom ganzen Dreck von den vielen Jahren des Barfußlaufens, doch für ihn schien es nichts Ungewöhnliches zu sein. Ich schüttelte den Kopf und konnte mir ein amüsiertes Kichern nicht verkneifen. "Du bist wirklich unverbesserlich, Marlowe", sagte ich und lächelte ihn an. "Komm, lass uns in meine Kajüte gehen und etwas trinken. Ich habe ein paar Flaschen Rum, die darauf warten, geöffnet zu werden." Ein breites Grinsen huschte über sein Gesicht, als er mir folgte. "Ich dachte schon, du würdest nie fragen", bemerkte er schelmisch und schüttelte leicht den Kopf.
Wir betraten meine Kajüte, und ich ließ ihn sich auf einem Stuhl niederlassen, während ich den Rum holte. Marlowe lehnte sich spielerisch halb über die Lehne und warf mir einen neckischen Blick zu. "Also, hast du inzwischen neue Bekanntschaften geschlossen?", fragte er, während er sich bequem zurücklehnte und mich mit einem amüsierten Funkeln in den Augen ansah. Seine lockere Art brachte eine wohlige Atmosphäre in meine Kajüte, und ich konnte nicht anders, als ebenfalls zu lächeln. Es fühlte sich gut an, einen vertrauten Freund an meiner Seite zu haben, der sich um mein Wohlergehen sorgte. Ich lächelte leicht und schüttelte den Kopf. "Nein. Du weißt doch, dass ich niemanden neuen suche." Meine Stimme war sanft, aber bestimmt. Ich konnte in seinen Augen sehen, dass er meine Worte verstand, auch wenn er immer wieder versuchte, mich zum Lachen zu bringen und mich abzulenken. Es war schwer für mich, jemanden neuen in mein Leben zu lassen, nach allem, was passiert war. Mein Mann war alles für mich gewesen, und ich konnte mir nicht vorstellen, jemals jemand anderen an seine Stelle treten zu lassen. Mit einer Rumflasche in der Hand kam ich zu ihm rüber und steuerte auf meinen Sessel zu. Marlowe hielt mich jedoch sanft am Arm fest, als ich an ihm vorbeigehen wollte. Sein Blick war ernst, aber mit einem Hauch von Sorge darin. Bevor ich protestieren konnte, nahm er mir schon den Rum aus der Hand und legte ihn beiseite. Dann griff er geschickt nach meinem Mantel und zog ihn mir in einer fließenden Bewegung ab. Ich zögerte einen Moment, überrascht von seiner plötzlichen Handlung, aber ließ es schließlich geschehen. Was hatte er nur schon wieder vor? Sein Lächeln war warm, als er den Mantel über den Stuhl legte und mich mitfühlend ansah. Er stand auf und trat einen Schritt näher, während er sanft sprach. "Du musst aufhören, dich so sehr zu verstecken", sagte er mit ruhiger Stimme. Seine Hände zupften leicht an meinem Hemd, um es etwas zurechtzurücken. Skeptisch zog ich eine Augenbraue hoch und drückte ihn ein Stück von mir weg. "Erstens, bin ich keine deiner Weiber und zweitens... Wir haben noch nicht mal angefangen zu trinken und du willst mich schon ausziehen? Frecher Junge..." Er ließ sich von mir zurückdrängen, aber sein Blick blieb ruhig auf mir haften, während er leicht lächelte. "Keine Sorge, Seri", sagte er schmunzelnd, "ich habe keine schmutzigen Absichten. Ich wollte dir nur helfen, dich ein wenig zu öffnen und das Leben wieder zu genießen." Ich musterte Marlowe etwas genauer mit einem komischen Gefühl im Magen. Manchmal war es schwer zu deuten, welche Absichten er hatte. Sein Lächeln wirkte immer so freundlich und seine Worte waren stets aufmunternd, aber ich konnte nicht umhin, mich zu fragen, was hinter dieser Fassade wirklich steckte. Ihn neckend fragte ich schließlich den ersten Gedanken der mir durch den Kopf ging: "Erwartest du jetzt, dass ich auch halbnackt herumlaufe, nur weil du es tust?" Marlowe lachte auf und hob beschwichtigend die Hände. "Keine Sorge, Seri, ich fordere dich zu nichts heraus. Jeder soll so rumlaufen, wie er sich am wohlsten fühlt." Und wieder mal änderte er seine Meinung im Handumdrehen. Das war typisch für ihn, aber wenn er glaubt, das ich das nicht könne, irrt er sich.
Ein klein wenig herausfordernd griff ich ihn an der Weste und schubste ihn nach hinten. Seine Augen wurden größer, als er durch den leichten Ruck etwas zurück stolperte. Schmunzelnd legte ich meine Hand gegen seine Brust und drückte ihn sachte weiter zurück. Marlowe ließ sich in meinen Sessel schieben und sah mich etwas perplex an, während ich mich seitlich auf sein Knie setzte. Sein Gesichtsausdruck verriet jedoch ein amüsiertes Lächeln, während er mich ansah. Mit leichter Verwunderung räusperte er sich und griff zu der Rumflasche. "Also... so war das von mir nicht angedacht, das ist voll und ganz deine Schuld, wenn irgendwer fragen sollte." Seine Worte brachten mich zum Schmunzeln. "Oh, das war auch nicht geplant", gab ich grinsend zurück und lehnte mich bequem an ihn, wobei ich ihm den Rum aus der Hand nahm. Mit einem amüsierten Lächeln zog ich den Korken der Flasche mit meinen Zähnen heraus und pustete ihn dann spielerisch in eine Ecke. Nachdem ich einen Schluck genommen hatte, reichte ich die Flasche spielerisch an Marlowe weiter, der sie mit einem breiten Grinsen entgegennahm. Ein blumiger Geruch löste sich langsam von ihm und stieg mir in die Nase. Kam er etwa gerade aus einem Bordell? Neugierig stupste ich ihn etwas mit meinem Ellenbogen: "Was führt dich in diesen Hafen? Musst du nicht bei deinen Leuten sein?" Marlowe lehnte sich zurück und ließ seinen Blick über die raue Decke der Kajüte gleiten, während er über meine Frage nachdachte. Sein Gesichtsausdruck wurde nachdenklich, und er strich sich gedankenverloren über seinen dicht tätowierten Arm. "Nun, du weißt ja, dass ich alles aufs Spiel gesetzt hatte... es waren keine leichten Jahre", begann er schließlich und grinste verschmitzt. "Und dieser Hafen schien mir nach einem Ort, an dem ich vielleicht das ein oder andere interessante Geschäft abschließen könnte." Seine Antwort überraschte mich nicht wirklich. Marlowe war schon immer ein Freigeist gewesen, der sich nie lange an einem Ort aufhielt und stets nach neuen Herausforderungen suchte. Doch trotz seiner unkonventionellen Lebensweise konnte ich nicht leugnen, dass seine Anwesenheit mir ein gewisses Maß an Trost und Vertrautheit bot. Er mochte zwar hinterlistig und für manche etwas pervers sein, aber für mich bedeutete seine Anwesenheit ein Zuhause. Als Marlowe seine Hand auf mein Knie legte und seinen Blick fest in meine Augen richtete, spürte ich eine unerwartete Wärme, die sich in meinem Inneren ausbreitete. Ich kannte diese sanfte Geste nur Percival und hatte schon fast vergessen wie sehr sie mich zurück auf den Boden brachte. In Marlowes Augen spiegelten sich die meines Mannes wieder. Sie waren zum verwechseln ähnlich, auch wenn ein leichter roter Schimmer in Marlowes Iris lag. Seine Berührung war vertraut und tröstlich, und ich konnte nicht leugnen, dass sein plötzliches Auftauchen meine Stimmung gehoben hatte. "Du bist eine angenehme Überraschung, Serilda", sagte er mit einem neckischen Grinsen, während er mich herausfordernd ansah. "Ich hatte nicht damit gerechnet, dich hier zu treffen, aber ich bin froh, dass ich es habe." Seine Worte ließen mein Herz schneller schlagen, und ich spürte eine Mischung aus Freude und Verwirrung in mir aufsteigen. Er war schon immer ein Meister darin gewesen, meine Gefühle durcheinanderzubringen, und auch jetzt konnte ich nicht anders, als mich von seiner charmanten Art verzaubern zu lassen. Ich zwang mich zu einem Lächeln und legte meine Hand sanft auf seine, die immer noch auf meinem Knie ruhte. "Es freut mich auch, dich zu sehen", erwiderte ich leise, bevor ich seinen Blick nicht länger standhalten konnte und meinen Kopf senkte. Im Augenwinkel konnte ich erkennen, wie sich seine weißen Wimpern senkten und er seinen Blick ebenfalls abwand. Er seufzte leise, und seine Worte trafen mich wie ein Stich ins Herz. "Es ist wirklich schade, dass du dein Herz für Perci verschrieben hast", sagte er leise, und sein Blick wurde traurig. "Aber ich kann es verstehen. Er war ein guter Mann, und er hat dich geliebt." Ein Kloß bildete sich in meinem Hals, als die Erinnerungen an Percival wieder hochkamen. Die Liebe, die wir geteilt hatten, war so stark gewesen, dass sie sogar seinen Tod überdauert hatte. Und obwohl ich wusste, dass Marlowe Recht hatte und ich Perci für immer verfallen war. Ich zwang mich zu einem Nicken, unfähig, Worte zu finden, die meinen eigenen Schmerz ausdrücken konnten. Stattdessen ließ ich meinen Blick zu Boden sinken, während ich versuchte, meine Emotionen unter Kontrolle zu halten.
Marlowe reichte mir die Flasche, und ich griff automatisch danach, meine Finger um den kühlen Glasflaschenhals geschlossen. Ohne zu zögern, hob ich sie an meine Lippen und nahm einige große Schlucke, die das Brennen des Rum in meinem Hals milderten und meine Emotionen vorübergehend betäubten. Ein Hauch von Erleichterung durchströmte mich, als ich spürte, wie die Wirkung des Alkohols langsam einsetzte und meine Gedanken ein wenig trüber wurden. Es war einfacher, den Schmerz zu ertragen, wenn er von einem Schleier aus Trunkenheit umhüllt war. Ich reichte die Flasche zurück an Marlowe und zwang mich zu einem schwachen Lächeln. "Danke", murmelte ich, meine Stimme kaum mehr als ein Flüstern. "Das war... nötig." Er nickte verständnisvoll und setzte die Flasche beiseite. Sein Blick ruhte auf mir, und ich spürte, dass er meine Gefühle genau erkannte, auch wenn ich versuchte, sie zu verbergen. Es war seltsam, wie gut er mich zu kennen schien, auch nach all den Jahren der Trennung. "Du musst nicht alleine kämpfen, Serilda", sagte er sanft und legte eine Hand auf meinen Unterarm. "Ich bin hier für dich, genau wie damals." Ich schluckte schwer, bevor ich die Worte herausbekam. "Marlowe, wie kannst du den Tod von Perci so... leicht hinnehmen?" Meine Stimme zitterte leicht, und ich vermied es, ihn anzusehen, während ich sprach. "Ihr wart doch auch eng miteinander verbunden. Wie schaffst du es, einfach weiterzumachen?" Marlowe seufzte leise und senkte den Blick. Für einen Moment herrschte Stille zwischen uns, nur das leise Knistern der Flammen im Kamin war zu hören. Dann hob er den Kopf und sah mir fest in die Augen. "Es ist nicht so, Serilda", antwortete er ruhig. "Ich trage Percis Verlust genauso schwer wie du. Aber ich habe gelernt, dass das Leben weitergeht, egal wie viel Schmerz wir empfinden. Ich versuche, seinen Tod nicht als ein Ende zu sehen, sondern als einen neuen Anfang, eine Erinnerung daran, dass wir jeden Moment schätzen sollten, den wir haben." Seine Worte durchdrangen meinen Schutzpanzer aus Schmerz und Verlust, und ich konnte die Tränen in meinen Augen spüren. Doch ich kämpfte dagegen an, nicht bereit, mich in meiner Verletzlichkeit zu zeigen. "Du bist stark, Marlowe", murmelte ich schließlich und zwang mich, ihn anzusehen. "Vielleicht sogar stärker als ich." Er schüttelte den Kopf, als wollte er meine Worte abwehren. "Serilda, glaub mir, ich bin nicht stärker als du. Jeder von uns geht auf seine eigene Weise mit dem Verlust um." Seine Antwort traf mich unerwartet, und ich spürte einen Kloß in meinem Hals. Ich wollte protestieren, wollte ihm sagen, dass er sich selbst unterschätzte, aber seine Worte ließen mich verstummen. "Und wenn ich in deiner Lage gewesen wäre", fuhr Marlowe fort, "ich weiß nicht, ob ich die Kraft gehabt hätte, weiterzuleben. Der Gedanke, Perci zu verlieren, und dann auch noch das Kind..." Seine Stimme brach ab, und er senkte den Blick, als könnte er den Schmerz in seinen Augen verbergen. Ich sah ihn eine Weile schweigend an, während meine Gedanken um Percival kreisten, um das Leben, das wir hätten haben können. "Ich vermisse ihn jeden Tag", flüsterte ich schließlich, meine Stimme kaum mehr als ein Hauch. "Und ich vermisse unser Kind. Es ist schwer, weiterzumachen, wenn man so viel verloren hat." Marlowe nickte verständnisvoll, und für einen Moment herrschte zwischen uns eine stille Verbundenheit, die Worte überflüssig machte.
Marlowe legte seine warme Hand sanft auf meine Wange und strich behutsam über meine Wangenknochen. Er wischte eine Träne weg, die ich nicht einmal bemerkt hatte, und sein beruhigender Blick traf meinen. "Du musst stark sein, Serilda", flüsterte er leise. "Aber du musst deine Trauer nicht allein tragen. Ich bin hier für dich, immer." Seine Worte durchdrangen den Schmerz in meinem Herzen und ließen mich für einen Moment die Last meiner Trauer vergessen. Ich fühlte mich von seiner Nähe getröstet und geborgen, als könnte er mit einem einzigen Blick alle meine Sorgen vertreiben. "Danke, Marlowe", sagte ich schließlich, meine Stimme brüchig. "Danke, dass du hier bist." Er lächelte sanft und zog mich in eine liebevolle Umarmung, die mich wärmer fühlen lies als jede trockene Wüstennacht. In seinen Armen fühlte ich mich sicher und geschützt, als könnte nichts auf der Welt mir mehr Schaden zufügen. Er nahm mir sanft den Dreispitz vom Kopf und strich mir durch die Haare, während er mich weiter an sich drückte. Es lies mich immer wieder erstaunen, wie liebevoll er zu mir war, auch wenn er wusste, das ich es nie erwidern könnte. "Ich werde immer für dich da sein, Seri", flüsterte er leise. "Du bist nicht allein, solange ich atme." Er lächelte und ließ mich langsam los, doch der Trost seiner Umarmung blieb bei mir, und ich wusste, dass ich mich jederzeit wieder an ihn wenden konnte, wenn ich es brauchte.
Das Geräusch der plötzlich aufschwingenden Tür ließ uns beide aufschrecken. Reflexartig griffen Marlowe und ich nach unseren Knarren und richteten sie auf die Tür, bereit, jeden Eindringling abzuwehren. Die Spannung lag greifbar in der Luft, als wir uns gegenseitig anblickten, unsere Augen sprachen Bände von der Bereitschaft, uns zu verteidigen.
"Was ist los?" Meine Stimme klang scharf vor Anspannung, während ich Rina anstarrte, die in der Türöffnung stand. Rina atmete hastig, Blessuren auf im Gesicht und eine geplatzte Lippe. "Serilda, es gibt Probleme an Deck", berichtete sie, ihre Worte kamen hastig. Ohne ein weiteres Wort ließen wir sofort unsere Waffen sinken und folgten Rina zur Tür. Ich eilte ihr nach und erahnte schon von weitem was los war. Als wir an Deck kamen, bot sich uns ein chaotisches Bild: Rico, einer unserer Kanoniere, stand mitten auf dem Deck und kämpfte mit zwei anderen Besatzungsmitgliedern. Sein Gesicht war verzerrt vor Wut, und seine Fäuste flogen wild durch die Luft, während er versuchte, seine Gegenüber niederzuringen. Rina und ich tauschten einen kurzen Blick aus, bevor wir uns entschlossen, einzuschreiten. "Rico, halt ein!", rief ich laut, meine Stimme über den Lärm des Kampfes hinweg. Doch meine Worte schienen ungehört zu verhallen, denn Rico kämpfte weiter, als wäre er taub für alles um ihn herum. Als ich sah, dass meine Worte nicht gehört wurden und der Streit weiter eskalierte, wusste ich, dass es an der Zeit war, energisch einzugreifen. Mit schnellen Schritten holte ich meine Knarre hervor und richtete sie in die Luft. Ein lauter Knall durchdrang die die Dämmerung, gefolgt von einem ohrenbetäubenden Echo, das über das Deck hallte. Die Wirkung meines Warnschusses war unmittelbar spürbar. Die kämpfenden Männer erstarrten und sahen mich mit weit aufgerissenen Augen an. Ein Moment der Stille trat ein, in dem nur das leise Zischen der Kanonenkugel zu hören war, die sich durch die Luft bewegte. In diesem Augenblick nahm ich die Gelegenheit wahr, um meine Stimme zu erheben. "Das reicht jetzt!", rief ich mit Nachdruck, meine Worte voller Autorität. "Jeder von euch legt sofort seine Waffen nieder und hört auf zu kämpfen. Wir haben wichtigeres zu tun, als uns gegenseitig die köpfe einzuschlagen." Langsam und zögerlich ließen die Männer ihre Fäuste sinken und warfen ihre Waffen auf den Boden. Ein erleichtertes Seufzen ging durch die Menge, als sich die Spannung langsam zu lösen begann. Es schien, als hätten sie endlich erkannt, dass der Streit keinen Sinn hatte und nur zu weiterem Ärger führen würde. Wütend sah ich zu meinen Bootsmännern und bereits mein Blick lies die beiden kleinlaut zurückweichen. "Ihr schrubbt bis zum nächsten Mond das Deck! Und wehe ich höre auch nur eine Lappalie über euch!" Gehorchend riefen mir beide ein "Ay" entgegen und huschten dann davon. Mit entschlossenen Schritten ging ich auf Rico zu, während die Besatzung sich langsam beruhigte. Vor ihm blieb ich stehen und streckte meine Hand aus, um ihn zur Ruhe zu mahnen. Es war an der Zeit, ein Zeichen zu setzen. "Rico", begann ich mit ernster Stimme, "du hast die Pflichten eines Kanoniers verletzt und damit das Vertrauen der Besatzung missbraucht. Bis auf Weiteres bist du von deinem Dienst entbunden." Meine Worte waren klar und unmissverständlich. Ich erwartete keinen Widerspruch, und doch lag eine gewisse Spannung in der Luft, als ich auf seine Reaktion wartete. Rico sah mich einen Moment lang stumm an, sein Blick schwankte zwischen Reue und Trotz. Schließlich senkte er den Kopf und nickte langsam, als er verstand, dass seine Handlungen nun Konsequenzen hatten. Ich trat mit entschlossenem Blick auf Rico zu, während ich seine Sachen einforderte. "Rico, deine Zeit auf diesem Schiff ist vorbei. Du hast zu oft gegen die Regeln verstoßen und die Disziplin der Mannschaft untergraben. Ich kann nicht länger dulden, dass du meine Autorität missachtest." Ein beklemmendes Gefühl legte sich über das Deck, als Rico schwer schluckte. Seine Miene war gezeichnet von Bedauern und Unverständnis. Dennoch reichte er mir schweigend seine persönlichen Gegenstände, welche er einst von mir bekam für den Alltag an Bord. Die Stille war drückend, während er seinen Platz auf dem Schiff aufgab. Darlia trat einen Schritt vor und versuchte zu vermitteln: "Serilda, bitte, gib ihm eine weitere Chance. Er hat seine Lektion gelernt und wird sich bessern." Ich schüttelte den Kopf, unbeeindruckt von den Bitten meiner Kartografin. "Die Regeln sind klar, Darlia. Ich kann nicht riskieren, dass Rico die Disziplin der Mannschaft weiterhin gefährdet. Er muss gehen." Rico wandte sich Darlia zu, sein Blick voller Bedauern. "Es tut mir leid, dass es so enden muss.", sagte er leise. "Aber ich verstehe, dass Serilda keine andere Wahl hat. Es ist das Beste für das Schiff und die Mannschaft. Sie hat mich aufgenommen, mir ein zuhause gegeben und ich... ich habe es nicht wertgeschätzt." Er seufzte schwer und griff nach Darlias Hand, um sie sanft zu drücken. "Pass auf dich auf, Darlia. Ich hoffe, wir sehen uns wieder." Sie erwiderte seinen Blick mit einem traurigen Lächeln. "Ich werde dich vermissen, Rico. Pass auch du auf dich auf." Mit einem letzten Nicken drehte sich Rico um und verließ das Deck, ohne sich noch einmal umzusehen.
Marlowe knirschte mit den Zähnen, als er sah, wie Rico das Deck verließ. Sein Blick huschte zwischen mir, Darlia und dem verstoßenen Kanonier hin und her, bis er schließlich weich wurde. Er eilte ihm nach und erreichte ihn gerade rechtzeitig, um ihn aufzuhalten, bevor er vom Schiff wegging. Mitfühlend legte er ihm eine Hand auf die Schulter. "Rico, warte mal", rief Marlowe und hielt ihn sanft zurück. "Ich weiß, dass es hart ist, aber du musst nicht alleine gehen. Ein Freund von mir hat ein Handelsschiff, das noch Platz für einen erfahrenen Kanonier hat. Such ihn auf und du wirst öfter in der Nähe dieses Schiffes sein, als du glaubst." Er drehte sich überrascht um und sah Marlowe an, seine Augen voller Dankbarkeit. "Danke, Marlowe", sagte er erleichtert. "Ich wäre dankbar für eine neue Chance." Nickend klopfte Marlowe ihm auf die Schulter. "Lauf zum dritten Pier am Handelshafen und sag das ich dich schicke, dann werden sie dich rauf lassen." Nickend lächelte Rico breit und lief direkt los um das Schiff nicht zu verpassen. Ich sah ihm nachdenklich nach, bevor ich mich an Marlowe wandte. "Das war eine mutige Aktion von dir", sagte ich mit einem Hauch von Bewunderung in meiner Stimme. "Aber jetzt stehe ich ziemlich blöd da, oder?" Marlowe lächelte mir aufmunternd zu und legte mir eine beruhigende Hand auf die Schulter. "Du hast das Richtige getan, Serilda", erklärte er ruhig. "Manchmal müssen wir harte Entscheidungen treffen, um die Ordnung auf dem Schiff aufrechtzuerhalten. Ich bin sicher, dass die Crew deine Entschlossenheit schätzt." Langsam nickte ich, doch meine Zweifel blieben. Es war nie einfach, einen Mann von Bord zu schicken, besonders wenn er Teil der Crew war. Aber ich wusste, dass es notwendig war, um die Sicherheit und Disziplin auf meinem Schiff zu wahren.
Marlowe ergriff meine Hand und zog mich mit sich, während der Trubel an Deck langsam unter Deck verschwand. Ich folgte ihm, bis wir an der Rampe zum Pier ankamen. Doch plötzlich hielt ich abrupt an. Die Erinnerung daran, dass ich das Schiff nicht verlassen durfte, traf mich wie ein Schlag. Ich zögerte und hielt Marlowe zurück. "Ich kann nicht gehen", sagte ich leise, meine Stimme von Enttäuschung getränkt. "Es tut mir leid, Marlowe. Ich sollte nicht hier sein." Ich wollte zurück aufs Deck, doch er hielt mich fest im Griff. Er sah sich rasch um und dann mit einem entschlossenen Ausdruck zurück zu mir. Ohne ein weiteres Wort zog er mich mit einem ruckartigen Zug an sich und griff unter meine Beine, worauf er mich hoch hob. Überrascht von seiner plötzlichen Entschlossenheit atmete ich erschrocken auf und hielt mich an ihm fest. Die Rampe hinunter zum Pier schien plötzlich viel kürzer zu sein, und bevor ich es realisieren konnte, betraten wir festen Boden. Der Wind strich mir um die Nase und trug den Geruch von Salz und Abenteuer mit sich. Ich fühlte mich zugleich befreit und beunruhigt durch diesen Akt der Rebellion gegen meine eigenen Regeln. Marlowe lächelte mir aufmunternd zu und drückte meine Hand, als er mich auf den festen Pflastersteinen absetzte. "Komm schon, Serilda", sagte er sanft. "Lass uns einen Moment die Freiheit genießen, bevor wir zurückkehren." Der feste Boden unter meinen Füßen fühlte sich ungewohnt stabil an, im Gegensatz zum gewohnten Schwanken des Schiffdecks. Ein seltsames Gefühl durchströmte mich, als ich mich langsam an die ungewohnte Standfestigkeit gewöhnte. Die Geräusche des Hafens drangen an meine Ohren - das Rauschen der Wellen, das Klappern von Geschirr, das Rufen der Händler. Marlowe beobachtete mich aufmerksam und ergriff meine andere Hand, als ob er spüren würde, wie sehr ich diesen Moment brauchte. "Es ist in Ordnung, Serilda", flüsterte er beruhigend. "Es fühlt sich alles neu an, aber du wirst dich daran gewöhnen. Vertrau mir." Seine Worte waren wie ein Anker in dieser ungewissen Realität, und ich versuchte, mich an ihnen festzuhalten, während ich den festen Boden unter mir akzeptierte. Ein paar Vollstrecker, die Patrouille liefen, bemerkten uns und sahen in unsere Richtung. Doch Marlowe reagierte blitzschnell, packte lachend mein Handgelenk und zog mich mit sich davon. Sein Griff war fest, aber dennoch sanft, und ich ließ mich widerstandslos mitreißen, als er loslief. Wir schlängelten uns geschickt zwischen den Menschenmengen hindurch, die sich über den Kai bewegten. Das Lachen und die Freude in Marlowes Augen waren ansteckend, und ich konnte nicht anders, als mit zu lachen, während wir uns durch die Menschenmenge bewegten. Es fühlte sich fast so an, als würden wir gemeinsam die ganze Welt erobern, als wäre das alles, was zählte, dieser Moment der Freiheit und Unbeschwertheit. Marlowe zog mich weiter durch die engen Gassen der Stadt, vorbei an den finsteren Gestalten der Vollstrecker und den wachsamen Blicken der Stadtwachen. Doch trotz der Gefahr um uns herum spürte ich eine unbeschwerte Leichtigkeit in der Luft, während wir durch die Straßen flitzten. Es war wie eine spaßige Flucht vor der Realität, ein Moment des Abenteuers inmitten der Dunkelheit. Immer wieder bogen wir um Ecken, verschwanden in schmalen Gassen und tauchten dann wieder ab, um dem Blick der Wachen zu entkommen. Marlowe lachte dabei unbeschwert, und ich konnte mich nicht dagegen wehren, mich seiner Ausgelassenheit anzuschließen.
Als wir die Stadtgrenzen hinter uns ließen und die Felder erreichten, erstarrte ich plötzlich. Ein Feld einige Meter von uns entfernt brannte lichterloh, die Flammen leckten gierig an den dürren Halmen und färbten den Himmel rötlich. Der Anblick traf mich wie ein Schlag und ließ mich innehalten. Marlowe, der meinen plötzlichen Stopp bemerkte, drehte sich zu mir um und folgte meinem Blick. "Was ist los?", fragte er besorgt, als er das Feuer bemerkte. Seine Stimme riss mich aus meiner Erstarrung, und ich schluckte schwer, bevor ich antwortete. "Wir müssen es löschen...", murmelte ich, meine Gedanken wirbelten durcheinander. "Das Feuer... es muss gestoppt werden, bevor es sich weiter ausbreitet." In meinem Kopf blitzten Bilder vergangener Tragödien auf, als das Feuer vor mir loderte. Die Erinnerungen an mein Dorf, das einst in Flammen aufging, während mein Mann und ich uns verzweifelt auf das Schiff flüchteten, drängten sich schmerzhaft in meine Gedanken. Die Flammen tanzten vor meinen Augen und spiegelten sich in meinen Erinnerungen wider, als wären sie nie erloschen. Ein kalter Schauer lief mir über den Rücken, und ich spürte, wie sich meine Hände zu Fäusten ballten. Die Angst von damals kehrte in voller Wucht zurück. Marlowe stellte sich langsam zwischen mich und das brennende Feld, als ob er meinen Blick davon abhalten wollte. Das feurige Licht der Flammen vermischte sich mit seiner blassen Haut und färbte sein weißes Haar in ein warmes Orange. Seine Gegenwart war beruhigend, und seine Hand, die sanft über meine Wange strich, brachte mir eine gewisse Ruhe. Ich wandte meinen Blick zu ihm, und in seinen Augen sah ich ein Versprechen von Schutz und Sicherheit. Er erklärte ruhig: "Das ist ein kontrolliertes Feuer. Es muss brennen, um den Boden für neue Ernten vorzubereiten. Manchmal müssen wir die Vergangenheit loslassen, um Platz für Neues zu schaffen." Seine Worte trafen mich wie ein sanfter Windhauch, der durch die Flammen wehte. Ich spürte, wie sich meine Anspannung langsam löste, und ich erkannte die verborgene Botschaft hinter seinen Worten. Ein leises Nicken war meine Antwort, als ich seine Hand ergriff und sie festhielt. Zusammen standen wir da, und ich spürte die Wärme seines Vertrauens, während wir das Feuer vor uns betrachteten. War es Zeit, meine Vergangenheit hinter mir zu lassen und den Weg für Neues zu ebnen? Während ich in die Flammen starrte, spürte ich, wie sich etwas in mir regte. Eine unbestimmte Gewissheit, dass Marlowe recht hatte. Diese Flammen waren nicht nur ein Symbol für die Vergangenheit, sondern auch für die Kraft der Erneuerung. Ich ließ mich von ihrer Hitze umfangen, während ich meine Gedanken in den Flammen verlor. Es war an der Zeit, meine alten Wunden zu heilen und aus der Asche meiner Vergangenheit zu neuem Leben zu erwachen. Mit jedem züngelnden Feuerschlag fühlte ich, wie meine Entschlossenheit wuchs. Ich würde meinen Weg finden, und ich würde stärker daraus hervorgehen. Marlowe trat behutsam hinter mich und flüsterte sanft in mein Ohr: "Brenn es nieder." Seine Worte durchdrangen die Stille und trugen eine Botschaft der Befreiung in sich. Es war, als ob er meine Gedanken lesen konnte, als ob er genau wusste, was ich brauchte, um meinen Frieden zu finden. Ein leiser Schauer lief mir über den Rücken, als ich seine Worte in mich aufnahm. Marlowe legte seine Hände sanft auf meine Oberarme und flüsterte mir manipulierend ins Ohr: "Lass alles niederbrennen... jede einzelne Brücke zu deiner Vergangenheit." Seine Worte durchdrangen meine Gedanken, während ich den Klang seiner Stimme spürte, der wie ein Versprechen der Erlösung klang. "Brenn es nieder..."

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⏰ Letzte Aktualisierung: Apr 29 ⏰

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