»Jordan, deine Schicht beginnt gleich.« Jenny lehnte sich an den eisernen Türrahmen.
»Gleich, gib mir noch eine Minute«, murmelte Jordan und nahm sich eine Zigarette aus seiner Packung, die er heute morgen seit langem mal wieder in seine Manteltasche gesteckt hatte. Das tat er normalerweise nur in Ausnahmefällen, aber heute war keiner dieser Ausnahmefälle. Außer man betrachtete die Tatsache, dass der Psychologe später noch kommen sollte, um dem gefährlichsten Gefangenen in einem ewig langen Gespräch sämtliche Geheimnisse zu entziehen. Zumindest versuchte er es. Und das schon seit einigen Jahren.
In seiner anderen Manteltasche suchte Jordan nach einem Feuerzeug. Vergeblich.
Verdammt, dachte er mürrisch, doch noch bevor er seine Zigarette wieder aus dem Mund genommen hatte, hielt ihm Jenny ihr eigenes vor die Nase.
»Feuer?«, fragte sie. Sie kannte ihn einfach zu gut. Kein Wunder, schließlich hatten sie sich beide zur ungefähr gleichen Zeit freiwillig gemeldet, um in einem der sichersten Gefängnisse weit und breit zu dienen. Nur eine Person, einer der Insassen, machte das Gefängnis nur noch bedingt sicher. Dieser Person wird Jordan später mitsamt dem Psychologen entgegentreten müssen. Und das war meistens kein angenehmes Unterfangen.
Jordan schüttelte seinen Kopf. Er war schon wieder in seinen eigenen Gedanken versunken.
»Danke, Jenny!«, sagte er und griff nach dem Feuerzeug.
Jenny schmunzelte, als sie seine Hand beiseite schob und näher trat. Ihre braunen Haare dufteten nach Lavendel und wiegten sich leicht im Wind. Ihre kastanienbraunen Augen blickten tief in seine eigenen. Ach, wie schön sie doch irgendwie war. Ihre Ausstrahlung gab Jordan stets einen kleinen positiven Kick. Selbst in seinen dunkelsten Tagen, die er hier schon verbracht hatte, war sie immer für ihn da gewesen. Bisher rein freundschaftlich, aber insgeheim wünschte sich Jordan, die beiden könnten eines Tages einen Schritt weitergehen. Vielleicht sogar zusammen wohnen, wenn sie ihren Dienst abgeleistet hatten.
»Nur in Ausnahmefällen, hm?«, meinte Jenny mit einem herausfordernden Unterton, während sie ihm die Zigarette anzündete und Jordan einen tiefen Atemzug nahm. In seinem Brustkorb wurde es warm und sein Gehirn bedankte sich mit einem kleinen Funken von Glücksgefühlen, die sein Verlangen nach Nikotin für einen Moment stillten.
»Herr Kennedie ist einer dieser Ausnahmefälle, Jenny. Glaub mir, wenn du ihn selbst kennenlernen würdest, dann...« Jordan stöhnte, drehte sich um, lehnte sich an das Geländer des Balkons und blickte in die Ferne. Am Horizont hatten sich dunkle Wolken gebildet und Blitze zuckten in der Ferne über den Himmel, spiegelten sich im tosenden Meer.
»Ist schon gut. Rauch dir nur deine Lunge schwarz. Bin ja selbst auch nicht viel besser«, meinte Jenny und stellte sich neben ihn, sodass sich ihre Arme leicht berührten.
So schwarz wie das Meer werde ich mir die Lunge rauchen, dachte Jordan. Von hier oben wirkte es wirklich so, als wäre das Meer schwarz. Der Schatten der hochgelegten Insel, auf der sich das Gefängnis befand, reichte bei Sonnenaufgang fast bis zu den dunklen Gewitterwolken. Ein seltsames Naturschauspiel. Jordan stellte sich vor wie unter der Meeresoberfläche monströse Kreaturen darauf warteten, bis einer der Gefängniswärter in die Tiefe fallen würde, um dann als schmackhaftes Fischfrühstück zu enden.
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Hinterm Horizont und die Suche nach dem Magischen Buch
FantasyMaurice wird an einem völlig normalen Tag plötzlich in eine komplett neue Welt voller Magie und monströser Kreaturen, gut sowie böse, teleportiert. Seine Aufgabe? Ein magisches Buch zu finden und zu zerstören, denn in den falschen Händen könnte es f...