Scherben

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Das hämmern in meinem Kopf ließ mich zu Bewusstsein kommen. Ich versuchte meine Augen zu öffnen, was mir nur schwer gelang, denn die direkt hereinfallenden Sonnenstrahlen blendeten mich. Meine Augen kniffen sich zusammen und ich konnte nur schwer etwas erkennen. Nach einiger Zeit aber klärte sich mein Sichtfeld zunehmend. Ich fasste mir an den Kopf, solche schmerzen hatte ich schon lange nicht mehr. Nachdem ich im Kopf einen Gesundheitscheck durchgegangen war, kam ich zu den Punkt, an dem die Panik in mir aufstieg. Wo war ich? Wie bin ich hier gelandet? Hektisch sah ich mich um. Ein Bett. Eine Kommode. Ein Stuhl. Auf dem Stuhl waren Kleider sauber gefaltet. Kleider? Oh nein! Ich richtete mich auf. Mein Blick glitt über meinen Körper. Das einzige, das mich noch bedeckte, war meine Unterwäsche sowie mein verdrecktes, schwarzes Unterhemd. Meine Waffen waren auch weg, doch anders als meine Kleider, konnte ich diese nicht erkennen. Großteile meiner Rüstung fehlten auch. Nun hieß es, nicht weiter in Panik zu verfallen. Ich atmete einmal tief ein und wieder aus, nachdem ich mich vergewissert hatte, dass niemand da war, wagte ich es aufzustehen. Ich schnappte mir einen Großteil meiner Ausrüstung, die auf dem Stuhl lag, und zog sie mir über. Mein schwarzer Ledergürtel lag auf dem Boden. Ich bückte mich und verkniff mir einen Schrei. Von meiner Schenkelregion ging ein stechender Schmerz aus, als würden hunderte kleine Messer in meine Haut schneiden. Erneut sah ich mich schnell um. Niemand. Langsam versuchte ich es erneut, meinen Gürtel aufzuheben. Diesmal gelang es mir, auch wenn ich es umständlich anstellte. Mit schnellen Bewegungen schnürte ich in mir hinten zu und zog ihn fest. Die kleinen Metallausschmückungen glitzerten in der Sonne. Erst dann hatte ich das riesige Fenster entdeckt. Hinter der Glasscheibe stand ein großes Gewächshaus, es war transparent und man konnte alle Pflanzen erkennen oder zumindest erahnen. Es war schön und kam mir sehr ruhig vor, aber ich verschwendete kostbare Zeit, indem ich hinaus starrte. Als sich mein Blick löste, griff ich zu meinen Handschuhen. Da war es! Ein verdächtiges Geräusch. Meine spitzen Ohren richteten sich in Richtung Türe. Ich bewegte mich nicht. Kein einziger Muskel zuckte, sogar das Atmen vergaß ich für den Moment. Mit einem Knarren öffnete sich die Türe. Langsam richtete ich mich kerzengerade auf und beugte mich leicht nach vorne. Meine Fäuste waren geballt und ich hatte mich auf alles gefasst gemacht. Und da stand sie nun. Ein Mädchen. Ich musterte sie bedrohlich. Anscheinend so bedrohlich, dass sie ihr Tablett fallen ließ, dass sie in ihren Händen trug. "Gut geschlafen?", die Lippen des Mädchens zierte ein sanftes Lächeln. Ich wusste nichts mit der Frage anzufangen, also starrte ich sie weiter an. Ihre Haare hatten ein helles blond und waren in eine kunstvolle Frisur gesteckt. Sie hatte grüne Augen und viele Sommersprossen. Ich kam zum Schluss, dass sie viel draußen arbeiten musste, in Anbetracht, dass draußen viel eingepflanzt war, erschien mir das auch als richtig. Dennoch halfen all diese Informationen nichts. Ich kannte sie nicht, ich hatte sie niemals zuvor gesehen und ich misstraute ihr. Wieso sollte es auch anders sein?! In einem fremden Haus zu erwachen, in einem fremden Königreich mit zurechtgelegten Kleidern ist äußerst seltsam und nicht alltäglich. Ich hatte alles Recht, um vorsichtig zu sein. Das Schweigen wurde erneut von dem Mädchen an der Tür unterbrochen "macht nichts, der Tee war sicherlich schon kalt". Ich drehte meinen Kopf auf die Seite und musterte sie. Ich löste mich zwar von meiner Position, trotzdem stand ich steif vor ihr. Sie sah nicht so aus, als hätte sie Erfahrung im Kampf, sollte sie irgendetwas versuchen, würde ich auch verletzt in der Lage sein, sie mühelos umbringen zu können. Sie nährte sich mir, ich wich nicht zurück. Ich spürte, dass ihr unwohl war, sie war etwas ängstlich, auch zu erkennen an den leichten Zuckungen ihrer spitzen Ohren. Die Elfe wagte noch ein Schritt auf mich zu "Du musst schmerzen haben". Oh ja, die hatte ich, aber das konnte ich wohl kaum laut sagen. Sie streckte ihre Hand aus "Ich bin Aioka, freut mich dich kennenzulernen". Ich nahm ihre Hand nicht entgegen, stattdessen sah ich sie abwertend an. "Na schön, dann nicht", entgegnete Aioka, "komm wenigstens zum Essen, ich hab uns ein Frühstück vorbereitet".  Wie naiv war sie nur? Mich, eine Fremde in ihr Haus zu holen und ihr Frühstück zu richten, ich könnte sonst wer sein. Ein Bösewicht, ein armer Wicht oder ein Mörder. Wie ironisch, das Letzte war ich ja schon. Doch das wusste die Arme nicht, wie sollte sie auch. Ich überlegte mir, ob sie einfach zu Gutmütig war oder doch einfach nur leichtsinnig. Vielleicht war es ja auch das Selbe. Ich vernahm ein Geräusch, es war ein leises, aber dennoch penetrantes Tiergeräusch. Ich sah zu Boden. Eine Ratte, ich mochte Ratten nicht, sie waren kleine, unreine Viecher ohne Nutzen. Zumindest kamen sie mir so vor. Mein erster Impuls, dem ich folgen wollte, war es einfach auf das Tier zu treten, doch es hatte was im Mund. Nun erkannte ich es. Es war ein Blumenstrauß. Die Ratte ließ ihn zu Boden und stellte sich auf ihre zwei kleinen Beine und verließ anschließend den Raum durch die angelehnte Türe. Ich atmete tief ein, aus irgend einem Grund war ich sehr genervt.  Woran es lag, konnte ich nicht sagen. Ich war tatsächlich am Überlegen, ob ich die Einladung annehmen sollte. Ich hatte einen großen Hunger und mein Rachen verlangte nach klarem Wasser. Es war eine fünfzig, fünfzig Chance. Entweder das Mädchen wollte mir tatsächlich helfen (was ich als sehr seltsam empfand, denn wer hilft Fremden, das ist äußerst dumm) oder sie wollte mich auf schlaue Weise umbringen. Innerhalb von einer Millisekunde kamen mir hunderte von Ideen, wie man jemanden durch eine Vergiftung umbringen konnte. Es lag sehr nahe, dass die Art des Mordes eine Vergiftung gewesen wäre, denn die Pflanzen hier im Haus waren Beweis genug, dass das Mädchen sich mit Kräutern und Pflanzen auskannte. Schließlich überwog mein verlangen und ich wagte es, langsam und humpelnd zur Tür zu schreiten. Ich sah hinter die Tür und erspähte Aioka am reichlich gedeckten Tisch. Ich konnte meinen Augen kaum trauen. Wie lange hatte ich nicht mehr so ein Festmahl gesehen. Es kam mir vor wie eine Ewigkeit. Ich bewegte mich in den Flur und der Duft von frischen, gekochten Früchten stieg mir in die Nase.

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