Die Sonne ging gerade unter, als Kirai Kana, eine kleine Ortschaft, erreichte.
Er erhoffte dort ein Bett für die Nacht zu finden, um im Morgengrauen seine Reise fortzuführen.
Andernfalls wäre er gezwungen die Nacht weiter zu laufen.
'Zur Not übernachte ich in einer Scheune' dachte er bei sich.Kirai überquerte eine kleine Brücke aus Stein, die über einen kleinen Fluss führte.
Rechts von der Brücke trieb der Fluss eine Wassermühle an, die das Getreide mahlte, dass die Bauern von ihren Feldern ernteten.
Etwa zweihundert Meter hinter der Mühle standen die ersten Häuser.
Es waren einfache Häuser aus Stein.
Stroh bedeckte die Dächer und die hölzernen Fensterläden waren allesamt verschlossen.
'Kein Wunder bei der Kälte'.Die Straße die durch das Dorf führte, war nicht mehr als unbewachsene Erde, die von der Kälte hart und brüchig geworden war. Auch das restliche Dorf war nicht gerade gepflegt oder sauber.
Doch ein Geruch lag in der Luft, der Kirai das Wasser im Mund zusammen laufen ließ.
Es roch nach gebratenem Fleisch.Kirai folgte dem Geruch, während er die Stimmen von Menschen wahrnahm, die sich aufgeweckt miteinander unterhielten.
Der Geruch führte ihn hinter ein größeres Haus.Das wahrscheinlich ganze Dorf war dort versammelt.
Sie hatten viele Holzscheite aufgeschichtet und ein großes Feuer entfacht. Darüber drehten sie einen Spieß an dem Rindfleisch hing.
Es herrschte eine angenehme Stimmung. Die Wärme des Feuers trug einen großen Teil dazu bei.Ein bärtiger Mann entdeckte Kirai und lächelte ihm freundlich zu.
Einladend winkte er ihn zum Feuer.
„Hallo Fremder", begrüßte der Mann Kirai, „Willkommen in Kana".
„Du hast wohl das Fleisch gerochen", lachte er mit einer rauen Stimme, „Komm ruhig ans Feuer und wärme dich etwas".
Das ließ sich Kirai nicht zweimal sagen, bedankte sich mit einem Lächeln und stellte sich an das große Feuer.
Die Menschen die sich versammelt hatten, schienen alles Bauern und Viehhirten zu sein.
Für einen kurzen Moment beneidete Kirai sie. Zwar war er von seinem Stand her sehr weit über diesen einfachen Leuten, doch war es die Gemeinschaft die sie hatten, die es Kirai angetan hatte.
Wie sie miteinander lachten und sogar ein ganzes Rind teilten.„Ich bin auf der Reise nach Minami", erklärte Kirai, „Weißt du wo ich hier übernachten könnte".
„In meinem Haus wäre noch ein Platz frei, doch sag...", der Mann sah Kirai interessiert an, „Was willst du in Minami?".
„Ich muss Prinzessin Denwa etwas ausrichten".Kirai war sich nicht sicher, ob es so gut war, seine wahre Absicht Preis zu geben.
Zwar interessierte sich das einfach Volk nicht gerade für die Politischen Entwicklungen, doch wenn der Mann neugierig wäre, müsste sich Kirai auf ein langes Gespräch mit einem ungebildeten Landsmann einstellen, der sich auf die Gerüchte verließ die in seinem Stand den Umlauf nahmen.
Ein Gespräch auf das Kirai alles andere als Lust hätte, es aber aus Höflichkeit führen müsste, wenn er seinen Schlafplatz behalten wollte.
Doch zu seinem Glück fragte der Mann nicht weiter nach sondern nickte nur anerkennend.Mittlerweile war es schon recht dunkel und das Rindfleisch wurde vom Feuer runtergenommen.
Jedem wurde ein Holzteller mit einem Stück Fleisch gegeben.
Auch Kirai, obgleich er doch ein Fremder war.
Dankend nahm er den Teller in die Hand und wartete eine kurze Zeit ab, damit das Fleisch etwas abkühlen konnte.
Dann began er zu essen.Es war noch recht früh, als Kirai erwachte.
Doch das war ihm sehr recht.
Er verließ das Haus des Bauern ohne sich zu verabschieden und setzte seine Reise mit eile fort.
Wenn er schnell war konnte er Minami erreichen, bevor die Sonne ihren höchsten Stand erreicht hatte.Die Sonne ließ ihre ersten Strahlen über die mit Frost bedeckte Landschaft wandern, während der Wolkenlose Himmel immer heller und heller wurde.
Kirai lief einen Pfad durch einen Wald entlang.
Neben ihm verlief der Fluss, der nach Kana floß.
Das Wasserplätschern hauchte dem Wald Leben ein.
Im Sommer musste das ein Wunderschöner Ort sein, mit dem gesänge von Vögeln und wunderschön, blühenden Pflanzen.
Doch jetzt im Winter waren alle Vögel im Süden, die Bäume Kahl und die Blumen eingegangen.Kirai trat aus dem Wald heraus und lief zwischen den leeren Feldern, auf die Burg zu die sich vor ihm aufbaute. Vor der Burg waren mehrere Hütten aus Holz errichtet, in welchen die Bauern lebten, die die Burg mit Lebensmitteln versorgten.
Als sich Kirai dem Tor näherte stieg ihm ein übler Geruch in die Nase. Er kam aus dem Burggraben in den die Bewohner ihr Unrat warfen.
Kirai schritt über die Zugbrücke, während er sich die Nase zuhielt.
Im Tor standen zwei Wachleute die ein Würfelspiel spielten und Kirai gar nicht beachteten.Ein Zorn machte sich in ihm breit.
Jedes Mal wenn er nach Minami kam regte er sich erneut darüber auf.
Die Knechte und Wachen waren allesamt respektlos und faul.
Als der König noch gelebt hat war das anders. Es herrschte Zucht und Ordnung.
Er hatte dieses Gesindel unter Kontrolle gehabt und weise geführt. Seine Leute schworen ihm Treue bis in den Tod und so auch Kirai.
Doch nun lebte seine Tochter, Prinzessin Denwa in Minami und Wirtschaftete die Burg völlig herunter.Es war keine sonderlich große Burg.
Die Mauern bildeten ein einfaches Quadrat und in jeder Ecke befand sich ein Turm.
Im rechten Teil der Burg befand sich der Stall, die Schmiede und eine Bäckerei, während sich auf der linken Seite die Wohngebäude und die Vorratskammer befanden. Dazwischen war eine art Straße in dessen Mitte ein Brunnen errichtet war.Kirai lief durch das große Eingangsportal des Wohngebäudes und klopfte an einer großen Tür. Ein Dienstmädchen öffnete ihm.
„Ich muss mit der Prinzessin sprechen" erbat Kirai, während er eintrat.
„Ich richte es ihr aus" antwortete das Dienstmädchen und verschwand.
Einige Minuten später kam sie wieder zurück.
„Die Prinzessin empfängt euch jetzt".
Kirai trat in den einst wunderschönen Thronsaal.
Jetzt war es nur noch ein düsteres Gemäuer.
Der Saal bestand aus einem Hauptgang den acht Säulen auf jeder Seite von den Kreuzgängen trennte.
Eine Kreuzgewölbe bildete die Decke des Saales, wobei die Bögen von den Säulen getragen wurden.
In den Beiden Kreuzgängen waren jeweils vier Fenster in die dicke Steinmauer eingelassen.
Sie hätten den Saal ausreichend erhellen können, ständen nicht die anderen Gebäude davor.
Am Ende des Hauptganges führten zwei Stufen auf eine Erhöhung hinauf. Darauf stand, auf einem verbleichten Teppich, der große Thron.
Der Thron war aus Holz angefertigt und vergoldet gewesen. Jetzt blätterte das hauchdünne Blattgold schon an vielen Stellen ab.
Selbst das große Gemälde des Königs, das an der Wand hinter dem Thron hing, war schon stark verblasst.Auf dem Thron saß, erhobenen Hauptes, Prinzessin Denwa.
Ihr Bleiches, fast schon weißes, Gesicht stellte einen unglaublich starken Kontrast zu ihren dunklen Augen da, die Kirai überheblich beobachteten.
Ihre Lippen waren rot geschminkt wobei die Unterlippe schon ein Blutrot annahm. Ihre spitze Nase passte perfekt zu ihrem leicht aggressiven Blick, mit dem sie ihre untergebenen ansah.
Wegen der Kälte trug sie einen hellbraunen Pelzmantel und passend zu diesem, vergoldete Ohrringe.
Ein Muttermal direkt unter ihrem linken Auge machte sie letzendlich völlig unverwechselbar.
Kirai verneigte sich untertänig, obwohl er nichts als Verachtung für sie empfand.
„Eure Hoheit", sprach er, „Ich habe euren Auftrag ausgeführt".
„Und?" fragte die Prinzessin ungeduldig und lehnte sich etwas vor.
„Eure Vermutung hat sich bestätigt", berichtete Kirai, „euer Bruder plant eine Verschwörung gegen euch. Er bat Herzog Shanin um Hilfe und forderte dessen Treue ein".
„Herzog Shanin?" Prinzessin Denwa schien überrascht, „haben wir nicht auch Handelsbeziehungen zu ihm".
„Doch eure Hoheit...", bestätigte Kirai, „ich vermute jedoch das euer Bruder ihm etwas für seine Unterstützung versprochen hat. Land oder einen Posten vielleicht".
„Über welche Mittel verfügt der Herzog?".
„Er befiehlt sieben Ritter. Mit all ihren Knechten sind es gut fünfzig Mann die der Herzog bewaffnen kann".
„Auf welcher Seite steht das restliche Volk?" fragte die Prinzessin nachdenklich.
„Noch auf keiner", Kirai sah zum steinernen Kreuzgewölbe hinauf, „sie warten ab, um zu sehen wer sich durchsetzen wird".