Ich habe das Gefühl, alle Menschen mit psychischen Krankheiten kennen diese Stimme. Egal, welche Diagnose grade bei mir aktuell war, die Stimme war immer da. Die Stimme, die mir sagt, dass ich alles schlimmer aussehen lassen muss. Viele leugnen, dass es für Aufmerksamkeit ist. Ich denke jedoch es stimmt teilweise. Ich brauchte die Aufmerksamkeit von Therapeuten, die sich Sorgen um mich machen. Ich brauchte die verstörten Blicke von Fremden. Ich brauchte all das um mich lebendig zu fühlen. Ich hatte das Gefühl, dass ich sonst keine Hilfe bekommen dürfte. Ich habe Rückfälle bewusst herbeigerufen und habe es genossen, dass sich alle Sorgen um mich gemacht haben. Ein Verdacht auf eine Diagnose stand im Raum? Ich habe alles dafür getan, sie zu bekommen. Ich habe mich so sehr reingesteigert. Ich wollte so gerne psychisch krank sein, war aber überzeugt, ich sei es nicht. Wenn die Diagnose dann stand, war ich stolz. Ich habe alles dafür getan, die Diagnose zu behalten. Ich dachte wirklich ich wäre gesund und wollte nur einfach krank werden. Rückblickend war ich ganz ab Boden. Vielleicht habe ich mich reingesteigert, vielleicht habe ich auch selbst Schuld an allem. Ich habe die Diagnosen nicht bekommen, weil ich genug getan hatte, um krank zu werden aber noch gesund war, sondern weil ich wirklich krank war. Ich war Todkrank und der festen Überzeugung, gesund zu sein. Ich habe diese Stimme, die mir das sagt "Marie" getauft. Keine Ahnung warum. Ich dachte auch, ich hätte Marie verstanden, ich hätte den Durchblick und ich würde gegen sie ankommen. Ich war auf dem besten Weg der Besserung. Doch dann stand wieder eine Diagnose im Raum. Es war wieder alles wie damals. Ich habe alles nur provoziert, um wirklich als krank durchzugehen. Ich habe die Diagnose bekommen. Ich wurde gezwungen aufzuhören. Ich musste entziehen. Es war mir egal, dann würde ich halt nicht mehr als Kranke, sondern als Überlebende durchgehen. Ich hatte tatsächlich Entzugserscheinungen. Ich habe hochgradig und bewusste viel zu große Mengen an Substanzen konsumiert. Täglich. Ich war verdammt nochmal süchtig. Ich dachte, ich wäre gesund und würde einfach nur mit den Substanzen spielen. Ich hasse Marie so sehr. Ich will gesund werden, Marie will mich krank sehen. Ich will nicht so weiter machen, Marie will, dass ich es noch schlimmer mache. Ich will nicht noch mehr Diagnosen, an denen ich arbeiten muss, Marie ist das, was ich habe noch lange nicht genug. Ich will Leben. Wenigstens Überleben. Marie will, dass ich sterbe. Ich würde es nichtmal merken, da ich mich ja für gesund halten würde. Ich würde einfach eines Morgens nicht mehr Aufwachen. Hochrisikoverhalten, selten habe ich diesen Begriff so verstanden, wie ich es heute tue. Ich will Marie töten. Aber dafür müsste ich auch mich töten. Ich werde entweder mit ihr leben oder wir werden beide sterben. Ich habe Angst vor ihr und gleichzeitig brauche ich sie. Sie hat mir alles genommen und mir doch so viel gegeben.
Marie, bitte lass mich in Ruhe.
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Die Stimme
RandomKennt ihr diese Stimme? Die euch sagt, dass ich nicht krank genug seid? Die euch zwingt es schlimmer zu machen?