Sicht von Kaylen:
Die vom Sturm angeheizten Wellen brachten den alten Dreimaster heftig zum schaukeln, während der Regen in einer steten Flut auf das Deck niederging. Nicht weit in Richtung Osten hörte ich unheilvoll Donner grollen und das gleisende Licht der Blitze brannte sich in meine Netzhaut.
"Rafft die Segel!", rief unser Kapitän durch das tosende Unwetter und half dem Steuermann den Kurs zu halten.
Ich ließ von der wuchtigen Kanone ab, die ich gerade an der Reling festgezurrt hatte und eilte zu den Tauen. Ich packte jenes, welches mit dem großen Segel verbunden war und zog mit Leibeskräften, doch die starken Windböen rissen zu stark an dem Segel, als dass ich auch nur im Ansatz etwas hätte ausrichten können.
"Ich brauch hier mal Hilfe!", brüllte ich über das Deck, doch auch alle anderen Matrosen waren beschäftigt und versuchten verzweifelt die Santa Georgia vor dem Kentern zu bewahren.
Ich kämpfte weiterhin mit dem Segel und suchte mit meinem Blick hektisch das Deck nach irgendjemandem ab, der mir unter die Arme greifen könnte, da viel aufeinmal ein Schatten über die Santa Georgia.
Ich riss gerade noch rechtzeitig den Kopf herum, um eine monströse Welle zu sehen, die sich schier unendlich in die Höhe hob und in Zeitlupe auf uns zukam.
Dann brachen die Wassermassen fast senkrecht über uns ein. Ich wurde regelrecht von Deck geschleudert und unter die Wasseroberfläche gedrückt.
Sofort begann ich zu paddeln, doch kaum war ich mit dem Kopf aus dem Wasser, kam die nächste Welle und wirbelte mich dem Meeresgrund entgegen. Schon jetzt schrien meine Lungen schmerzhaft nach Sauerstoff, und von Panik erfüllt versuchte ich herauszufinden, wo oben und unten war, doch egal wohin ich sah, ich war umgeben von alles verschlingender Dunkelheit, und die Eiseskälte des Polarmeers grub unerbittlich
ihre Krallen in meinen Körper.
Der Drang zu atmen wurde unerträglich und reflexartig öffnete ich den Mund und schluckte dem Gefühl nach mehrere Liter Salzwasser.
Langsam bildeten sich schwarze Punkte am Rande meines Sichtfelds und meine Bewgungen wurden langsamer.
Mein Puls beruhigte sich und meine Lider schlossen sich.
*Fühlt es sich so an zu sterben?*, dachte ich träge.
*Ich hatte immer Angst vor dem Tot. Aber so schlimm ist es gar nicht. Es ist so wunderbar still.*
Ich meinte noch ein letztes Blitzen in der Dunkelheit zu sehen, dann ging die Welt aus.Sicht von Bennex:
Lunas mächtige Pranken trommelten in einem steten Rhythmus über den Dschungelboden, während Papageien erschrocken aufflatterten und Affen in den Baumkronen das Weite suchten, sobald sie uns hörten.
Als ich auf einem niedrigen Ast ein Trozeros hocken sah, zögerte ich nicht lange und schoss ihm ohne anzuhalten einen präzisen Pfeil in die Brust.
Es war sofort tot.
Ich beschloss es auf dem Rückweg einzusammeln und erstmal weiter Richtung Küste zu reiten, um nach ein paar hübschen Muscheln für Nirani zu suchen. Sie freute sich immer wie verrückt, wenn sie aus ihnen hübsche Ketten und Armbänder machen konnte.
Ich gab Luna mit einem Schenkelklopfen zu verstehen, dass wir weiter aus dem Dschungel rausritten, und hängte mir den Bogen wieder über meine Schulter.
Als nach ein paar Baumlängen der Dschungel lichter wurde, und hier und da das große Blau zwischen den massiven Stämmen hindurchblitzte, wurde Luna automatisch langsamer und reckte ihre rosa Nase in die Luft, um mögliche Feinde aufzuspüren. Nicht selten lief einem ein Rhinegero über den Weg oder schlich sich aus dem Hinterhalt an.
Dann brachen wir aus dem Dschungel hervor und wurden sofort von einer frischen Brise begrüßt, die mir ein paar wiederspänstige Strähnen aus dem Gesicht wehte.
Luna blieb stehen und schloss schnurrend die Augen, während die Sonne uns mit ihren warmen Strahlen liebkoste.
"Ja, das hab ich auch vermisst. Endlich sind die Dunklen Tage vorbei."
Ich wuschelte ihr einmal durch das samtige, in der Sonne glänzende Fell, schwang mich von ihrem kräftigen Rücken und landete im weichen Sand.
Eine Weile spazierte ich nur am Strand entlang, immer darauf achtend, dass sich kein Rhinegero im seichten Wasser näherte, und genoss die Sonne.
Luna trottete in ein paar Schritt Entfernung hinter mir her und schnupperte eifrig den Sand ab, aber ich wusste, dass sie mit einem Ohr immer bei mir war, um mich im Notfall zu beschützen.
Gerade erklomm ich eine kleine Dühne und verstaute eine zierliche, strahlend blaue Muschel in meinem Beutel, da sah ich etwas großes im Sand liegen.
Instinktiv duckte ich mich hinter die Dühne und wartet einige Herzschläge, ob sich etwas tat. Luna kam zu mir gepirscht und knurrte leise, als ich Anstalten machte mich zu bewegen.
Da sie nicht wie sonst sofort losstürmte, und alles in kleine Streifen riss, ging ich davon aus, dass auch sie nicht wusste, mit was wir es zu tun hatten.
Um sie zu beruhigen, kraulte ich sie kurz unter ihrem Kinn, dann schob ich mich langsam, auf dem Bauch liegend die Dühne hoch und spähte hinunter zum Ufer.
Auf den ersten Blick erkannte ich nicht sofort was ich sah, dann traf mich die Erkenntnis wie ein Schlag ins Gesicht.
Im nächsten Moment sprang ich auf und eilte auf die am Boden liegende Gestalt zu.
Als ich nah genug gekommen war, stutze ich. Dort lag ein junger Mann, ungefähr in meinem Alter, mit kurzen dunklen Locken, doch das war nicht was mich so irritierte. Denn er trug nicht wie alle anderen von der Insel den üblichen Lendenschutz und vielleicht die eine oder andere Armschiene, sondern war in zwei Stoffe gehüllt, die seinen Ober und Unterkörper bis auf Hände und Füße vollständig verdeckten.
Ich ließ mich neben ihn in den Sand fallen und beugte mich über sein Gesicht. Ein paar Locken klebten ihm feucht in der Stirn und er hatte überall Sand. Seine Gesichtszüge waren nicht wie ich es von den anderen Jungs gewohnt war, scharf und kantig, sondern weich und schon fast weiblich.
Ich warf einen Blick auf seine Brust, doch er schien nicht mehr zu atmen.
Leise Entäuschung machte sich in mir breit. Ich hatte noch nie jemand vergleichbaren gesehen, doch für ihn war es wohl zu spät.
Mich aufrichtend sah ich mich noch ein letztes Mal am Strand um, doch sonst viel mir nichts ungewöhnliches auf.
Mit meinen Gedanken schon bei meinem Vater, wenn ich ihm erzählen würde was ich hier gefunden hatte, merkte ich gar nicht, dass Luna an meiner Seite erschienen war und den Toten beschnupperte.
Erst als sie mit ihrer Schulter gegen meine stieß, sah ich auf.
"Hm?"
Sie maunzte leise und tippte mit einer Pfote gegen die Leiche.
"Ja, ich finde es auch echt schade. Aber wir müssen zurück und das melden."
Ich drehte mich um, schaffte aber nur ein paar Schritte, da packte mich Luna am Arm und zerrte mich zurück.
"Hey! Was ist denn?! Nein, du darfst den nicht fressen, verdammt!"
Sie setzte sich demonstrativ neben ihn und sah mich auffordernd an.
Nachdem wir uns ein paar Herzschläge angestarrt hatten, gab ich seufzend nach.
Ich kam wieder näher und verschränkte die Arme vor der Brust.
"Ich kann dir höchstens etwas von ihm für später reservieren. Also, was darf es sein?", fragte ich scheiß freundlich und zog meinen Dolch aus der Scheide an meinem Oberschenkel.
Mit einem freudigen Schnippen Ihrer Ohren leckte sie einmal über den Hals des Toten.
Angewidert verzog ich das Gesicht.
"Den Kopf? Ernsthaft? Das ist ja ekelhaft."
Ich kniete mich neben den Kopf und legte meine Hand um den Hals, um mein übliches Zeichen in die Haut zu ritzen, mit dem ich meine Anteile an Beute makierte, als ich etwas unter meinen Fingern pochen spürte.
Erschrocken zog ich meine Hand zurück.
"Was zum-?"
Ich tastete nochmal gezielt nach der Herzschlagader. Tatsächlich. Da war ein Puls.
"Scheiße! Der lebt ja doch noch!"
Schnell steckte ich meinen Dolch weg und stütze mich auf seine Brust. Alle dreißig Herzschläge drückte ich mit meinem ganzen Körpergewicht auf seine Brust, doch als es nach ein paar Wiederholungen keine Wirkung zeigte, kniff ich ihm die Nase zu, legte meinen Mund auf seinen und begann mit der Beatmung.
Je länger es dauerte, umso verzweifelter wurde ich. Es konnte doch nicht sein, dass ich ihn durch pures Glück hier gefunden hatte und ihn nun nicht retten konnte.
Luna wurde immer unruhiger und lief neben uns auf und ab. Ich wollte mich gerade wieder der Herzmassage widmen, da stieß mich Luna beiseite und sprang mit einem großen Satz auf die Brust des Jungen.
Fast sofort ertönte ein Gurgeln und er fing an zu Husten. Schnell packte ich ihn an den Schultern und drehte ihn auf die Seite, da erbrach er auch schon unmengen an Wasser.
Vor Erleichterung viel mir ein ganzer Berg vom Herzen.
Sobald der Husten heftigen Atemzügen wich, legte ich ihn wieder auf den Rücken, seinen Kopf auf Lunas Vorderbeine gestützt, die es sich schon im Sand bequem gemacht hatte.
Flatternd öffnete der Junge seine Augen blinzelte erschöpft in die Sonne.
"Hey. Hörst du mich?" , fragte ich behutsam und tippte ihm auf die Brust.
Sein Blick richtete sich langsam auf mich. Seine Iris war von einem so intensiven Hellblau, dass ich zweimal hinschauen musste.
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Two Worlds One Soul
RomanceAls Kaylen nach einem Schiffsunglück auf einer Insel aufwacht, glaubt er im falschen Film zu sein. Denn auf dieser Insel leben Menschen neben mysteriösen Kreaturen zusammen und scheinen noch nie etwas außerhalb ihrer Insel gesehen zu haben. Trotzde...